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Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nach der VVG-Reform / 'Mehr-oder-weniger statt Alles-oder-nichts' - Eine erste Bilanz

- Vorträge, gehalten auf dem 28. Münsterischen Versicherungstag am 20. November 2010

AutorDirk Looschelders, Rainer Heß
VerlagVerlag Versicherungswirtschaft
Erscheinungsjahr2011
ReiheMünsteraner Reihe 117
Seitenanzahl38 Seiten
ISBN9783862980956
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Prof. Dr. Dirk Looschelders befasst sich in seinem Beitrag mit den Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, deren Neuregelung zu den zentralen Elementen der VVG-Reform gehört. Allerdings sind in der Folge zahlreiche schwierige Auslegungsfragen aufgetreten, die anhand der aktuellen Rechtsprechung behandelt werden. Neben den Grenzen des Fragerechts des Versicherers durch das AGG und GenDG umfasst die Erörterung ferner die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung, insbesondere die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung. Den Schluss bilden Ausführungen zu den Übergangsproblemen. Dr. Rainer Heß behandelt in dem zweiten Beitrag zum 28. Münsterischen Versicherungstag die Umgestaltung der Versicherungsleistung vom Alles-oder-Nichts-Prinzip in ein „Mehr oder Weniger“ - eine der wichtigsten Änderungen des zum 1.1.2008 in Kraft getretenen neuen VVG dar. Hauptanwendungsfall ist die Verletzung von Obliegenheiten sowie die Herbeiführung des Versicherungsfalls. Diese Neuregelung beschäftigt seit der Reform Wissenschaft und Praxis gleichermaßen. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Streitfragen und den Stand der Diskussion und gibt Hinweise auf die ersten dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen. Die beiden Vorträge behandeln Themen, die sowohl für Fachanwälte für Versicherungsrecht als auch für Mitarbeiter in Unternehmen, die sich mit der Bearbeitung von Schadenfällen befassen, von besonderem Interesse sind.

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Leseprobe
„Mehr-oder-weniger statt Alles-oder-nichts“ Eine erste Bilanz (S. 27-28)

von RA Dr. Rainer Heß, LL.M.2, Bochum Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht

Die Umgestaltung der Versicherungsleistung vom Alles-oder-Nichts- Prinzip in ein „Mehr oder Weniger“ stellt eine der wichtigsten Änderungen des zum 1.1.2008 in Kraft getretenen neuen VVG dar. Hauptanwendungsfall ist die Verletzung von Obliegenheiten sowie die Herbeiführung des Versicherungsfalles. Während einfach fahrlässige Verstöße des VN folgenlos bleiben und vorsätzliche Verstöße zur vollständigen Leistungsfreiheit führen, kann bei grob fahrlässigen Verstößen der VR seine Leistung, entsprechend der Schwere des Verschuldens des VN, kürzen.

Hierzu soll ein kleiner Überblick über den Stand der Diskussion gegeben werden. Die damit verbundenen Fragen werden in der Literatur kontrovers erörtert4. Es bilden sich aber, nachdem sich der „Pulverdampf legt“ doch überwiegende Meinungen heraus. Auch bringen erste Gerichtsentscheidungen weitere Klarheit in den „Quotendschungel“.

I. Was ist grobe Fahrlässigkeit?


Die Anforderungen an eine grobe Fahrlässigkeit sind hoch. Sie liegt erst vor, wenn der Versicherungsnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in einem besonders schweren Maße verletzt5. Grob fahrlässig handelt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und in ungewöhnlich hohem Maße dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen6. Betrachtet man diese Formulierung, so wird schon das Problem deutlich, dass noch innerhalb der groben Fahrlässigkeit weiter nach Schweregraden (leichte, mittlere, grobe, sehr grobe Fahrlässigkeit) differenziert werden soll.

Die grobe Fahrlässigkeit setzt sich aus einer objektiven Komponente (im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohen Maße außer Acht gelassen) und einer subjektiven Komponente (Unentschuldbares Fehlverhalten) zusammen. Diese stehen aber nicht isoliert nebeneinander, sondern es findet ein Zusammenspiel statt: Objektiv grobe Fahrlässigkeit indiziert die subjektive Seite. Zwar lässt z.B. ein Augenblicksversagen allein ein unentschuldbares Fehlverhalten nicht entfallen, kann aber im Rahmen der Bildung der Quote von Bedeutung sein.

Das Wechselspiel zwischen diesen Komponenten wird auch vom Goslarer Orientierungsrahmen8 - „das objektive Verschulden kann durch subjektive Umstände verringert oder gesteigert werden“ - angesprochen. Nicht von der Hand zu weisen ist zudem die Prognose von Rixecker9: „…die tatrichterliche Einschätzung des Gewichts eines Vorwurfes hängt, wenn man redlich ist, davon ab, welche Sanktion ihr folgt“. Vor dem Hintergrund, dass mit der Bejahung einer groben Fahrlässigkeit nicht gleichzeitig die vollständige Versicherungsleistung entfällt, sondern eine dem Verschulden angepasste Quote ausgeurteilt werden kann, kann in der Gerichtspraxis zu einer Zunahme von Fällen grober Fahrlässigkeit führen.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nach der VVG-Reform1
Vorwort6
Inhaltsverzeichnis8
Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers nach der VVG-Reform10
I. Einführung10
II. Erfordernis einer formgerechten Frage des Versicherers10
III. Grenzen des Fragerechts15
IV. Zeitpunkt der Anzeige21
V. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung23
VI. Rechtsfolgen der Anzeigepflichtverletzung27
VII. Ausschluss der Rechte des Versicherers31
VIII. Übergangsprobleme33
IX. Fazit34
„Mehr-oder-weniger statt Alles-oder-nichts“ - Eine erste Bilanz36
I. Was ist grobe Fahrlässigkeit?36
II. Obliegenheit vereinbart?37
III. Streitfragen38
IV. Fallgruppen43
V. Quote und K-Haftpflicht47
Veröffentlichungen der Forschungsstelle für Versicherungswesen– Universität Münster mit Unterstützung des Vereins zur Förderung der Forschungsstelle für Versicherungswesen– Universität Münster e. V. („Münsteraner Reihe“)48

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