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E-Book

Die Weisheit ist weiblich

Geschichten von ganz besonderen Frauen und Männern

AutorMaria von Welser
Verlaghey! publishing
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl118 Seiten
ISBN9783942822633
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Wer wäre das nicht gerne, weise? Das klingt nach Wissen und Erfahrung, nach Ruhe und Gelassenheit und vor allem: Es hebt einen ein wenig über die anderen. Was aber ist weise? Wie zeigt sich Weisheit? Maria von Welser nimmt den Faden auf und erzählt uns Lebens- und Weisheitsgeschichten von Rosa Luxemburg und Olympe de Gouges, von Aung San Suu Kyi und Mahatma Gandhi, von Hildegard von Bingen und Nelson Mandela, von Hannah Arendt und noch vielen anderen. Und sie zeigt: Weisheit liegt vor allem im Engagement, im furchtlosen und gezielten Handeln, im Einsatz für eine bessere Welt. Und gibt die Antwort auf die Frage, warum die Weisheit weiblich ist.

Maria von Welser ist Fernsehjournalistin, Publizistin und erfolgreiche Buchautorin, die für ihre Arbeit vielfach ausgezeichnet wurde. Bekannt wurde sie 1988 als Redakteurin und Moderatorin des Frauenjournals ML - Mona Lisa, das sie fast zehn Jahre lang leitete und moderierte. 2001 ging sie als Leiterin des ZDF-Auslandsstudios nach London, von 2003 bis 2010 war sie Direktorin des NDR Landesfunkhauses Hamburg. Maria von Welser engagiert sich im Hochschulrat der Universität Hamburg und bei UNICEF Deutschland, deren stellvertretende Vorsitzende sie seit 2008 ist. www.mariavonwelser.de

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Leseprobe

Weise wären wir doch alle gerne


Einleitung

Wer wäre das nicht gerne, weise? Das klingt nach Wissen und Erfahrung, nach Ruhe und Gelassenheit und vor allem: Es hebt einen ein wenig über die anderen. Wir wären nicht unbedingt gerne »alt und weise«, aber weise schon. Was aber ist weise? Wie zeigt sich Weisheit? Wie oft in unserem Leben haben wir weise reagiert, gehandelt? Und wie oft das pure Gegenteil gemacht? Ist es dann dumm? Wer sich dem Thema Weisheit nähert entdeckt meterweise Literatur, im Internet, wo man modernerweise als Erstes zu recherchieren beginnt. Aber als altmodischer Mensch zieht es einen auch in Buchhandlungen. »Weisheit?« – Die Buchhändler sind erst mal irritiert. Der mir dann schon vertraute Griff an die Stirn passt gut in Robert Lembkes »Heiteres Beruferaten«. Fürs Erste entdecke ich: Weisheit ist wohl in der Literatur eher männlich besetzt. Weise Frauen leben anscheinend nur im Mittelalter, und Weisheit ist vor allem immer eines: alt. Nie würden irgendwo Babys als weise bezeichnet werden. Ganz selten junge Menschen. Und wenn, dann wird deren Weisheit immer in Bezug auf ihr Handeln so bezeichnet.

Und dann gibt es weise Sprüche, die, aufgelistet, die Literaturverzeichnisse zum Thema »Weisheit« weit übertreffen. Das beginnt mit: »Viele klettern so schnell, dass sie gar nicht merken, dass sie auf den falschen Berg gestiegen sind« (buddhistische Weisheit). Oder: »Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht die Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten und Aufgaben zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem endlosen Meer« (Antoine de Saint-Exupéry). Jeder hat so seine eigenen »Weisheiten« parat, das Gedicht mit den Stufen (»… und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne«) passt an so vielen Stellen im Leben, Aristoteles wird auch gern genommen in den Listen der Weisheitssprüche: »Der Anfang aller Weisheit ist die Verwunderung.«

So wünsche ich mir, dass Sie sich, geneigte Leserin, geneigter Leser, wundern. Uber Geschichten, die von weisen Frauen und Männern erzählen. Die sich ineinander verweben zu einem anregenden, bunten und wilden Stück Stoff aus Menschengeschichten.

Ich werde Ihnen nicht die unzähligen Definitionen und Konzepte zur Weisheit liefern, die sich zwischen Wissen und Intuition, zwischen Verstand und Gefühl, Reife und Kindlichkeit, aber auch Klugheit und Torheit entwickeln. Als Gegenstand zwischen Philosophie und Theologie, in allen Religionen ebenso wie in der Ethnologie, der Soziologie und Psychologie. Man wird fündig in der Märchen- und Mythenforschung – da begegnet einem die Weisheit vor allem als Archetypus der »weisen alten Frau« und des »weisen alten Mannes«. Weisheit versteckt sich überall zwischen Kunst, Literatur und Musik. Nein – ich bleibe ganz konsequent an den Menschengeschichten. Da ich zutiefst überzeugt bin, dass jeder Einzelne einzig ist, dass es keine Dubletten gibt im großen Ganzen der Menschheitsgeschichte. So wird jeder einzigartig für sich weise sein – oder dumm, einfältig, töricht, ein Narr oder Idiot.

Das Wort »weise« wird bereits im achten Jahrhundert verwendet. Wîsa, wîs sagten die Menschen im Althochdeutschen wahrscheinlich. Die Sprachforscher sind überzeugt, dass es mit der Bedeutung von »kundig im Hinblick auf eine Sache«, mit klug und erfahren zu tun haben muss. Es gibt wohl auch Beziehungen zum lateinischen videre, »sehen«, und dem griechischen oida, »wissen«. Dazu erschließt sich jedem, der mit Sprache umgeht und sie bewusst nutzt, dass das Wort »unterweisen« abgeleitet wurde von »weise« in der Bedeutung von »zeigen, führen, belehren«. Wenn wir in den Texten und Gedichten der althochdeutschen Sprache das Wort »Wîsheit« finden, dann wird damit der Zustand des Weiseseins bezeichnet. Erstaunlich aber auch, dass das Wort »Witz« wohl ähnliche Wurzeln wie die Weisheit hat: Witz in der Bedeutung von »Klugheit, Schläue, mit Witz und Tücke«, ist zuweilen in alten Texte zu lesen.

Die Religionen auf unserer Welt scheinen ohne Weisheit wohl nie entstanden zu sein. In der christlichen Bibel wird die Weisheit als Geschenk Gottes dargestellt. So erhielt der Weise Salomo seine sprichwörtliche Weisheit als Antwort auf ein Gebet. An anderen Stellen erleben die beschriebenen Menschen das Geschenk der Weisheit als Summe persönlicher Erfahrungen. Also doch: Menschengeschichten.

Der Buddhismus bezeichnet Weisheit mit dem Begriff »Prajna«, was die ganz große, umfassende Weisheit umschließt, die alle Dinge und Phänomene im Universum durchdringt. Untrennbar verbunden mit »Sunyata« als der Erkenntnis, dass alle erscheinenden Phänomene leer und von einem eigenständigen, ihnen innewohnenden Sein sind. Daraus ergibt sich konsequenterweise der Weg zum Ziel, der Erlangung der Erleuchtung.

Im Hinduismus heißen Weisheit und Wissen in einem einzigen Wort »Vidya«. Zwei Begriffe in einem Wort, weil es auch – wie im Yoga – darum geht, den Dualismus aufzulösen, zunächst die Gedanken zu stoppen, im Hier und Heute zu sein, zu leben.

Auch im Konfuzianismus und im Daoismus hat die Weisheit wie in der chinesischen Philosophie einen großen Stellenwert. Dabei ist dort Weisheit immer auch verbunden mit Menschlichkeit, Ehrfurcht vor den anderen und der Natur, und mit Umgangsformen, die zu den Kardinaltugenden gezählt werden. Also: Wie gehe ich mit einem anderen Menschen um, mit der Natur, den Tieren, Pflanzen? Das wird auch unter dem Wort »Weisheit« verbucht. Erziehung, Lernen und Bildung sind darum bei den Anhängern des Konfuzius elementare Bestandteile des Lebens, wichtige Bausteine auf dem Weg zur Weisheit. Im Daoismus liegt der Schwerpunkt auf einem Leben in Harmonie mit der Natur und dem Kosmos, im Ausgleich von Yin und Yang: Im weisen Umgang mit sich und der Umwelt.

Es ist und bleibt eben der Mensch, wie er Weisheit lebt – oder nicht. Egal in welcher Religion.

Wo wir alle aber nach dem Eintauchen in die Religionen dieser Welt ebenfalls viele weise Menschen treffen, ist in der Welt der Märchen und Mythen. Da wimmelt es nur so von »weisen alten Frauen«, von »weisen alten Männern«. Frau Holle oder Gandalf, des Teufels Großmutter oder Meister Yoda – die Weisen beflügeln wohl die Fantasie der Märchenerzähler.

Aber auch in unserer modernen Zeit begegnen uns Menschen, die uns zum Träumen bringen. Barack Obama hat anscheinend bei seiner Wahl die Amerikaner zum Träumen verführt. Wie das aber so ist bei Luftschlössern: Lange gehalten hat es nicht. Er ist wohl auch noch nicht alt und erfahren genug, um wirklich zu weiser Politik fähig zu sein. Um alle Hoffnungen zu erfüllen auf Frieden, Chancengleichheit für alle, eine rundum gerechte Welt. Wir erinnern uns sicher noch, als dieser junge Barack bei seinem ersten Treffen mit Angela Merkel gar die deutsche Kanzlerin als »weise, offen, pragmatisch« lobte. Da stockte dann doch einigen in diesem Lande der Atem. Wie gerne hätten wir alle eine weise Kanzlerin? Allein der Glaube daran hat wohl in den vergangenen Jahren ihrer Amtszeit ein wenig gelitten. Wo bleiben Klugheit, Weisheit während der Bankenkrise, beim Verfassen des Koalitionsvertrages, bei der Verabschiedung des Wortmonsters Wachstumsbeschleunigungsgesetz?

Der Dalai Lama, Oberhaupt der Buddhisten, mit Wohnsitz im nördlichen Indien, begeistert ebenfalls die Menschen. Seine Bücher zu den menschlichen Grundfragen, zu Liebe, Weisheit, Toleranz, über das Öffnen »des Weisen Auges«, zu Glück im Leben und vor allem zum Glauben werden in Millionenauflagen gekauft und verschlungen. Wenn er Menschen zu Gesprächen lädt, auch über Weisheit, kommen sie zu Tausenden, um seinen Worten zu lauschen. Er zählt zu den noch lebenden »weisen Männern« dieser Welt. Wie auch Nelson Mandela, der 27 Jahre im Südafrika im Gefängnis verbrachte und dann sein Land weg von der Apartheid in eine Demokratie zu führen versuchte. Sie alle eint neben der ihnen attestierten Weisheit aber auch Charisma, eine Ausstrahlung, der sich andere Menschen nicht entziehen können. Auch der britischen Prinzessin Diana wird Charisma attestiert. Nach ihrem tragischen Tod in einem Pariser Tunnel trauerte die ganze Welt. Ebenso beim Tod – übrigens in der gleichen Woche – von Schwester Teresa, die sich in Kalkutta um die Armen und Kranken aufopferungsvoll kümmerte.

Da kann man sich fragen, ob Charisma immer Hand in Hand mit der Weisheit den Menschen geschenkt wird? Wohl eher nicht. Sonst würden nicht oft auch charismatische Menschen andere ins Unglück fuhren können. Charisma ist also nicht Weisheit. Wenn Charisma aber Weisheit ergänzt, dann scheinen solche begabten Menschen die Welt wirklich verändern zu können. Hin zum Positiven.

Folgen Sie mir also jetzt auf den Pfaden der Menschen, die in der Wissenschaft, Wirtschaft, in Politik und Kunst, Kultur und Medien Zeichen der Weisheit setzten. Entdecken Sie mit mir Erstaunliches. Zum Beispiel: Weisheit ist – auch – weiblich. Wenn so viel über weise Männer geschrieben wurde, dann nur deshalb, weil Frauen Jahrhunderte keinen Zugang zu Bildung hatten. Sie durften nicht schreiben und lesen lernen. Geschichtsschreibung war männlich. Männer verfassten die Geschichten, und die schrieben vor allem und am liebsten über: Männer. Ein Buch über »Weisheit« ist also genau der richtige Ort, dieses Ungleichgewicht zu ändern. Denn Weisheit ist auch weiblich.

Wagen Sie sich mit mir auf die Spurensuche. Ganz wie Aristoteles es formulierte: »Der Anfang aller Weisheit ist Verwunderung.« Er hätte sich wohl nicht über den Titel dieses Buches gewundert. Denn in seiner Sprache, der griechischen, heißt die Weisheit Sophia –...

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