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Die zwischengeschlechtlichen Beziehungen im Werk Meinlohs von Sevelingen

'mich heizent sîne tugende, daz ich sol staeter minne pflegen'

AutorArnaud Duminil
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl88 Seiten
ISBN9783668046153
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,00 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Literaturwissenschaft - Mittelalterliche Literatur, Note: 1,0, Université de Picardie Jules Verne (Germanistisches Institut), Veranstaltung: Frau Dr. Winter-Masse, Sprache: Deutsch, Abstract: Es wird durch die Heilige Schrift überliefert, dass es um Gottes guten Willen gewesen sei, dass Er den Menschen nach Seinem Bild geschaffen habe. Als aber der erste Mann sich in der Schöpfung befunden habe, habe er sich trotz der Gesellschaft der Tiere und Pflanzen einsam auf Erden gefühlt und sich einen Freund gewünscht, der ihn hätte besser verstehen können als die Tiere. Daher habe er die Gottheit darum gebeten, dass Er ihm diesen Freund schaffe. Und so, dem Genesisbericht nach (Gen 1-3), erblickte die erste Frau das Licht der Welt. Da aber Eva durch die verschwörerischen Ratschläge der argen Schlange die Sünde in den Garten Eden habe kommen lassen, seien Adam und Eva mit der Sterblichkeit bestraft worden und die Frau sei dem Mann unterworfen worden (Gen 3, 16: 'aber er soll dein Herr sein'), weil nicht Adam, sondern Eva als erste gesündigt und dadurch ihren Mann verraten habe. So sollte in den urjüdischen und urchristlichen Gemeinden gerechtfertigt werden, dass der Mann die Hauptrolle zu spielen und die Frau ihm untertänig zu dienen habe, weil Er es so wolle. Seitdem der Kaiser Theodosios I. 380 das Christentum faktisch zur Staatsreligion erhoben und dadurch die alten heidnischen Religionen des Imperiums und hiermit ihre Darstellungen der zwischengeschlechtlichen Beziehungen verteufelt wurden, hatten sich dieses Bild des Verrats der Frau und die Vorstellung ihrer Unterwürfigkeit befestigt, bis zu den meist schon (arianisch-)christlichen Völkern, die das Imperium überfielen und von da an die Geschichte der westlichen Welt bestimmten. Da aber die Christen nicht immer den Wörtern der Bibel 'treufest' gefolgt haben und die christlich geprägte Gesellschaft sich nach und nach verweltlicht hat, konnte sich die Frau verhältnismäßig emanzipieren und sozusagen ihr eigener Mann werden. Heutzutage aber ist der weibliche Mensch noch nicht durch und durch gesellschaftlich betrachtet dem männlichen gleichgestellt und es herrschen immer noch Ungleichheiten, sowohl in Bezug auf die Gesetze, als auch in den Köpfen mancher Menschen des 21. Jahrhunderts. Die Geschichte der Beziehungen zwischen Mann und Frau ist überhaupt nicht als friedlich zu kennzeichnen. Es geht hier um Konflikt, und der dualistische Antagonismus zwischen den beiden Geschlechtern prägt immer noch die heutige 'aufgeklärte' Gesellschaft, ob man will oder nicht, wie er die Gesellschaft des Mittelalters, mit der sich diese Arbeit befasst, geprägt hat. [...]

am 21. März 1991 geboren worden Hilfskraft bei einer französischen Bank, um das teils beförderte Studium zu bezahlen Studium der Germanistik an der Universität Augsburg (Bayern) Hilfskraft beim Arbeiter-Samariter-Bund in Augsburg Prinz Karl Viertel Master of Arts an der Université de Picardie Jules Verne d'Amiens (France) französisches Lehramtsstaatsexam (CAPES) 2014 bestanden derzeit Referendar in Frankreich, Mitarbeiter beim Roten Kreuz, Theater und Chor

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Leseprobe

I/ Meinloh und seine Zeit


 

A/ Autorschaft im Mittelalter


 

Wenn man Meinlohs Lieder zum ersten Mal liest, bemerkt man sofort die auffallende Anwesenheit eines „Ichs“. Außer bei den Strophen IV, V und VI, die als Lehrstrophen gelten[31], kommt immer ein Ich vor, das sich über seine Beziehung zu einem „Du“ äußert, was auch für die Strophen III und XII gilt, wo aber das Ich zu Gunsten eines „Er“ verschwindet. Das Ich ist allerdings nicht immer Stellvertreter eines Mannes, da es eigentlich auch drei Frauenstrophen gibt (VIII, X und XI), also Strophen, in denen eine Frau das Wort ergreift, um ihre Beziehung mit einem männlichen „Du“ in Wort zu fassen. Horst Brunner betrachtet die Ich-Rede, ob weiblich, ob männlich, als „Sprechen eines Ichs über sein Verhältnis zu einem Gegenüber [zu einem Du] anderen Geschlechts, über seine Empfindungen und Erfahrungen.[32] Ein Ich als Vermittlungsinstanz, als Reflektorfigur der Individualität.

 

Wie eingangs gesagt, hat Cordula Kropik festgestellt, die Anordnung von Meinlohs Lieder sei auffallend genug, um zu verraten, dass Meinlohs Strophen auf etwas Anderem beruhen als nur der lyrischen Rede eines Ichs. Allerdings hat man hier mit Lyrik zu tun, und nicht mit Epik, also nicht mit Geschichtserzählungen, wie es auch Cordula Kropik hervorhebt: „lyrische Rede erzählt keine Geschichten, sie ist vielmehr Ausdruck und Reflexion der subjektiven Erfahrung eines sprechenden Ichs.[33]

 

Das Problem besteht aber darin, dass das betreffende Ich, das in den Liedern vorkommt, stets anonym bleibt: Die Anonymität der vorkommenden personarum wird weitgehend beibehalten, weder Orts- noch Figurennamen werden genannt, Ich, Du und übrigens auch Er und Sie, sowie allgemeiner „swer“ (V, 1) bleiben kopflos, zumindest wenn man nur am Text hält, in dem diese Für-Wörter nur Stellvertreter bestimmter sozialer Funktionen in Meinlohs Aussage sind. Es geht hier um ein lyrisches Ich, eine creatio eines Autors, dessen Identität selbst nur durch Sammlungen, die Jahrhunderte nach seinem Tod entstanden, zu kennen ist. Der Germanist Volker Mertens ist übrigens folgender Meinung:

 

Anscheinend ist es nach der Mitte des 13. Jahrhunderts nicht mehr selbstverständlich, Minnesang vorzutragen, hatten die Lieder keinen offiziellen Sitz im Leben mehr, so dass individuelle Gelegenheiten für die Lieder fingiert werden müssen, um sie zu beglaubigen.“[34]

 

Wenn das verbildlicht wird: Meinloh ist auch selbst nur eine Funktion der Lieder, und zwar ihr Autor, eine andere Existenz ist ihm nicht gestattet, zumal die Indizien, die die Wirklichkeit dieser Existenz als Autor beweisen, auf nichts Anderem als Vermutungen fußen. Übrigens erinnert Katharina Boll, dass ein Autor nichts Anderes ist als „ein bestimmter geschichtlicher Augenblick und Schnittpunkt einer Reihe von Ereignissen.“[35] Dies bedeutet aber, dass Meinlohs Lyrik im Zeitgeschehnisse eine Rolle zu spielen hat, dass Meinloh ein derartiger Teil seiner Gesellschaft war, dass seine Botschaft einen wichtigen Teil des Gesellschaftlichen gebildet hat, zumindest soweit Meinlohs Lieder Hörerschaft fanden, sodass auch der Inhalt seiner Lieder von der Gesellschaft nicht zu trennen ist.

 

Der philosophisch-politische Kontext wird eine große Hilfe erweisen, damit die Entstehung von Leerstellen bezüglich der Pronomina verstanden werden kann. Zuerst muss man sich vergegenwärtigen, wer Meinloh ist: Ein deutschsprachiger Mann des Mittelalters. Für den Begriff „Mittelalter“ selbst muss aber umgehend eine möglichst klare Definition gegeben werden. Tomas Tomasek erklärt 2000:

 

„‘Mediävistik‘ bedeutet ‚Mittelalterkunde‘ und leitet sich von dem Ausdruck medium aevum her, mit dem die Humanisten - abwertend - ein ‚Zwischenzeitalter‘ bezeichneten, das ihrer Meinung nach mit dem Niedergang des klassischen Altertums begonnen habe und dessen Überwindung durch bewußtes Wiederanknüpfen an die Antike die Aufgabe der Renaissance gewesen sei.“[36]

 

Für meinen Teil erstreckt sich vielmehr das „Mittelalter“ bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, d.h. bis zum Zeitpunkt, an dem man im deutschen Sprachraum aufgehört hat, für die Religion als Vorwand für kriegerische, machterweiternde Aktivitäten zu kämpfen, an dem sich die Idee der „Nation“ endgültig durchsetzt. 1648 stellt auch der Sprache wegen einen Wendepunkt dar: Seitdem der augustinische Geistliche Martin Luther durch die Übersetzung der Septuaginta (und nicht der vorgeblich vom Lateinischen verdorbenen Vulgata) eine Art „Kompromissdeutsch“ eingeführt hat, waren die damaligen „deutschen“ Gelehrten und Literaten der Meinung, ihre Aufgabe sei es, eine die Deutschen versöhnende und die Einflüsse der welschen Kulturen, sowie der lateinischen Sprache, der Sprache der verdorbenen Curiae Romanae bekämpfende, „deutsche“ Volkssprache zu schaffen. Vor 1648 ist übrigens meiner Meinung nach umstritten, vom „Deutschen“ im heutigen Sinn zu sprechen, obwohl über diese Bezeichnung heutzutage auch debattiert wird. Jener Begriff leitet sich vom ahd. „thiutisk“ (um 1000 belegt) ab, also nicht von einer lateinischen Begriffsbezeichnung, sondern von einem germanischen, gesellschaftbezogenen Konzept.[37] Ich bin der Meinung, dass die Bezeichnung „deutsch“ um 1200 von den betroffenen „Deutschen“ selbst verwendet wurde, um sich dem Lateinischen gegenüber zu behaupten. Im vor 1100 verfassten Annolied, in dem es steht, dass die Bajuwaren aus dem Araratsgebirge kämen[38], ist schon vom „Deutschen“ nicht nur als Volkssprachler die Rede[39], sondern auch als jene, die Rom seinen Anspruch auf universelle Macht bestreiten, indem beansprucht wird, ebenso die Deutschen seien die Nachfolger Aineas‘ wie die Römer, wie es im Annolied heißt: „Die Troianischen Vranken“ [Die trojanischen Franken] (Strophe VI, 1)[40], was mit der damaligen Begeisterung für die Aineassage, bzw. die Antike in Verbindung zu bringen ist, sowie auch mit der neuesten Rezeption von Ovids Werken, und der Erneuerung des Stoffes der Antike (Heinrichs von Veldeke Äneasroman u.a.), die zu einer Verehrung des Mythos von Troja führt: In der älteren lateinischen Heldendichtung Waltharius heißt es, Hagen sei ein Trojaner, daher komme der Name Tronje[41]. In der Historia Regnum Britanniae des Briten Geoffrey von Monmouth (1100-1154) stammen alle Briten von Brutus ab, Urenkel des Äneas, und mithin alle Franken von seinem Bruder Frankus[42]. Es hieß also, sich gegenüber Rom zu emanzipieren, indem sich die eigenen Machtsansprüche germanischer Völker dadurch rechtfertigen, dass sie selber die Träger der seit der Gründung Roms bestehenden Machttradition sind. Es geht also um translatio imperii, und gemäß der Vier-Reiche-Lehre Daniels (Dan 7, 27: „Aber das Reich und die Macht und die Gewalt über die Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden, dessen Reich ewig ist, und alle Mächte werden ihm dienen und gehorchen“) wird gemeint, es soll auf der Erdkugel das eine Reich bestehen, das alle Völker zur Vereinigung bringen soll und dadurch als irdischen Spiegel des Reiches Gottes gelten soll. Da aber das „Reich ewig ist“, habe es seit der Schöpfung immer ein Volk gegeben, das diese Rolle zu übernehmen hätte, und es würde es immer geben, bis zum Jüngsten Gericht und zur Entstehung des Reichs Gottes. Das Problem besteht aber darin, dass meherere Völker beanspruchen, diese Rolle zu spielen, was zum Streit zwischen den Machtsträgern führt. Mit der Krönung von Karl dem Großen als römischem Kaiser durch den Papst Leo III. am 800. Christi Geburtstag im Alt Sankt Peter erfolgte die Übertragung des römischen Reichs auf germanische Macht: Dadurch geht es weiter mit dem von Daniel gekündigten vierten Reich aus Eisen und Ton und hiermit emanzipieren sich die Germanen von den „Ost“-Römern. Das Reich bestand aber nicht ewig und die Macht der „Vranken“ verfiel, was zur Folge hatte, dass die anderen germanischen „Stämme“ Ansprüche auf die Reichswürde erhoben: Es entstand mithin ein westeuropaweit verteiltes Reich, genau wie Daniel Nebukadnezar angekündigt hatte: „Dass du aber die Füße teils von Ton und teils von Eisen gesehen hast, bedeutet: Das wird ein verteiltes Königreich sein“ (Dan 2, 41); umsomehr als sich Franken, nun zu West- und Ostfranken geworden, um die Reichswürde stritten, die aber durch die Krönung des Gegenkaisers Arnulf von Kärnten im Jahre 896 und wegen der Schwäche des fränkischen Königs Ludwig des Dicken ins Ostfranken endlich verlagert wurde[43]. Daniel prophetisierte: „Zum Teil wird’s ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich sein“ (Dan 2, 42). Dann durch die Ottoner und später durch die renovatio imperii Friedrichs I. Barbarossa (einem Staufer, zwischen 1155 und 1190 Römischer Kaiser, also zu Lebzeiten Meinlohs) wurde diese Verlagerung in den Osten befestigt, obwohl sich die fränkischen, bzw. französichen und dann auch englischen, sowie die byzantinischen Könige stets auf die Reichswürde beriefen,...

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