Betrachten wir zunächst das Ziel der Personalplanung. Die Personalplanung hat die Aufgabe, die für einen bestimmten Zeitpunkt erforderlichen Mitarbeiter nach Anzahl und Qualität zu ermitteln und ihren optimalen Einsatz festzulegen[148].
Hieraus leitet sich das Ziel der Personalbeschaffung ab, welche die Beschaffung der erforderlichen Mitarbeiter nach Anzahl und Qualität sicherstellen muss und üblicherweise wie in Ziff. 1 (vgl. S. 1, 2) dargestellt vorgeht. Bei der inhaltlichen Gestaltung einer Stellenausschreibung bedient man sich dem Anforderungsprofil.
Anforderungen sind die Summe der Fähigkeiten und Belastungen, denen ein Stelleinhaber gerecht werden muss. Sie beziehen sich auf die Stelle und sind nicht personenbezogen[149]. Innerhalb des in der Stellenausschreibung veröffentlichten Anforderungsprofils gilt es nun, exakt die Bewerber mit der Stellenausschreibung anzusprechen und zu einer Bewerbung zu überzeugen, die auf das Anforderungsprofil der Stelle passen.
Der Gesetzgeber hat den Unternehmen Möglichkeiten geschaffen, von dem Katalog in § 1 AGG im Einzelfall abzuweichen, wenn
eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung (§ 8 AGG),
die Religion oder Weltanschauung einer Person nach der Art der Tätigkeit oder der Umstände der Ausübung angesichts des Ethos der Organisation eine wesentliche und gerechtfertige Anforderung (§ 9 AGG) oder
Anforderungen an das Alter z. B. zur Förderung der beruflichen Eingliederung, die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter (§ 10 AGG).
diese Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Unter Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 8, 9, 10 AGG ist es Personalbeschaffern somit möglich, Stellenausschreibungen zu gestalten, deren Inhalt auf den ersten Blick nicht AGG-konform zu sein scheint. Das ermöglicht den Stellen ausschreibenden Unternehmen die Zielgruppe unter Nennung von nach §§ 8, 9, 10 AGG möglichen Anforderungen zielgruppengerecht anzusprechen und somit eine, durch zu unkonkret und allgemeingültig formulierte Stellenausschreibungen verursachte, hohe Zahl an eingehenden Bewerbungen und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, ohne gem. §§ 11, 7 Abs. 1 AGG gegen das Benachteiligungsverbot zu verstoßen.
In der Praxis heißt dies, dass Arbeitgeberentscheidungen zwar nicht alle verboten, aber kontrollfähig werden und sich der Arbeitgeber in der Defensivposition befindet, sich rechtfertigen zu müssen[150].
§ 8 bestimmt, unter welchen Voraussetzungen berufliche Anforderungen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Die Vorschrift gilt für alle in § 1 AGG
genannten Benachteiligungsgründe und ist damit nach der Systematik des AGG der zentrale Rechtfertigungsgrund für Benachteiligungen im Berufs- und Arbeitsleben[151].
Der Hauptanwendungsfall wird bei Fällen der unmittelbaren Benachteiligung liegen. Bei der mittelbaren Benachteiligung zählt die Rechtfertigung durch einen sachlichen Grund bereits zu den tatbestandlichen Voraussetzungen; bei einer Belästigung oder sexuellen Belästigung kommt eine Rechtfertigung regelmäßig nicht in Betracht. § 8 Abs. 1 AGG stellt für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung auf die wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung ab. Eine Absenkung des Schutzstandards hinsichtlich des Merkmals Geschlecht ist damit nicht verbunden[152].
Eine Ungleichbehandlung kann also nicht durch Erwägungen der bloßen Zweckmäßigkeit zulässig werden. Vielmehr muss die an den Beschäftigten gestellte Anforderung erforderlich sein und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen beruflichem Zweck und Schutz vor Benachteiligung standhalten[153].
Die Prüfungsreihenfolge lautet somit[154]:
1. Legitimer Zweck für die Ungleichbehandlung vorliegend?
2. Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung vorliegend?
Ein legitimer Zweck für die Ungleichbehandlung liegt nach § 8 Abs. 1 AGG nur vor, wenn das betroffene Verbotsmerkmal gem. § 1 AGG, anhand dessen die Ungleichbehandlung erfolgt, eine wesentliche berufliche Anforderung darstellt. Ob eine berufliche Anforderung wesentlich und entscheidend ist, bestimmt sich je nach Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung[155]. Auf zweiter Stufe sind die Rechtmäßigkeit des Zwecks und die Angemessenheit der Anforderung zu prüfen. Es muss ein angemessener Ausgleich zwischen dem beruflichen Zweck und dem Schutz vor Benachteiligungen stattfinden[156].
Wann ein Verbotsmerkmal i. S. d. § 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, ist an einem strengen Maßstab zu messen. Eine berufliche Anforderung ist nur dann wesentlich und entscheidend, wenn sie zur Ausführung der betreffenden Tätigkeit unbedingt notwendig ist[157]. Maßgeblich ist insoweit die Sichtweise eines verständigen, mit den Verhältnissen der Branche vertrauten Dritten. In der Sache geht es bei § 8 Abs. 1 AGG um nichts anderes, als die wertende Entscheidung darüber, ob ein bestimmtes Arbeitgeberinteresse als ausreichend gewichtet anzusehen ist, um das mit dem Benachteiligungsverbot verfolgte gesetzgeberische Ziel zurückzudrängen[158]. Wesentliche und entscheidende berufliche Anforderungen i. S. des § 8 Abs. 1 AGG können nur dann vorliegen, wenn die Beschäftigung einer Person mit einem der in § 1 AGG genannten Merkmale auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks zu einem unzumutbaren Nachteil für den Arbeitgeber führen würde[159].
Beispiel:
Eine Blinde bewirbt sich auf eine Stelle in einem Call-Center und wird mit der Begründung abgelehnt, sie könne die Arbeit nicht ausführen, weil sie die im Unternehmen vorhandenen Computer nicht bedienen könne. Wesentliche Anforderung für die Tätigkeit im Call-Center ist neben der Fähigkeit zur Bedienung der Telefoneinrichtung die Fähigkeit zur Verarbeitung der Daten im Computer. Zur ordnungsgemäßen Datenverarbeitung an den im Unternehmen vorhandenen Computern müsste die Bewerberin sehen können. Die Behinderung würde damit einer Tätigkeit entgegenstehen. Allerdings dürfte sich der Arbeitgeber dann nicht darauf berufen, wenn ein Ausgleich nach § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB IX durch behindertengerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes möglich und zumutbar wäre[160].
Eine unterschiedliche Behandlung des Geschlechts ist zulässig, wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingung ihrer Ausübung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist. Unverzichtbar ist die Voraussetzung nur dann, wenn ein Angehöriger des jeweils anderen Geschlechts die vertragsgemäße Leistung nicht erbringen könnte und dieses Unvermögen auf Gründen beruht, die ihrerseits der gesetzlichen Wertentscheidung der Gleichberechtigung beider Geschlechter genügen[161]. Die Unverzichtbarkeit setzt jedoch keine biologische oder physische Unmöglichkeit der Leistungserbringung voraus[162].
So wurde das Merkmal der Unverzichtbarkeit, bezogen auf den jeweiligen Einzelfall, in folgenden Fällen bejaht[163]:
Weibliches Geschlecht bei einer Pflegerin in einer Belegarztklinik, in der zu 95% gynäkologische Operationen mit ganz überwiegend muslimischen Patientinnen durchgeführt werden[164],
weibliches Geschlecht bei einer Arzthelferin[165],
weibliches Geschlecht beim Verkauf von Damenoberbekleidung im Einzelhandelsgeschäft mit Anprobemöglichkeit[166],
Position einer Frauenreferentin bei einer politischen Partei[167],
Beraterin bei einem Finanzdienstleistungsunternehmen, dessen erklärtes Ziel die Beratung von Frauen in besonderen frauenspezifischen Lebenssituationen ist[168].
Das Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung einer Tätigkeit wird weiterhin dann bejaht, wenn eine berufliche Tätigkeit in Ländern außerhalb der EU ausgeübt wird, in denen aufgrund gesetzlicher Vorschriften, religiöser Überzeugungen oder kultureller Besonderheiten nur ein Geschlecht akzeptiert wird[169].
Fälle, in denen eine bestimmte Rasse eine wesentliche oder entscheidende berufliche Anforderung darstellt, lassen sich kaum denken. Folgt man insbesondere der Intention des...