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Diskursanalyse des deutschen TV-Duells 2009 zwischen den Kanzlerkandidaten Steinmeier und Merkel

AutorAnnamária Fábián
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl118 Seiten
ISBN9783656103899
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Medien und Politik, Pol. Kommunikation, Note: 1,3 (sehr gut), Universität Passau (Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaften), Veranstaltung: Medien und Kommunikation (Interdisziplinär: Kommunikations- und Sprachwissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Kaum eine Fernsehsendung ist aus politischer Sicht so relevant und populär, wie das TV-Duell,das als Höhepunkt eines Wahlkampfs angesehen wird und kurz vor den Wahlen zwischen den Kanzlerkandidaten stattfindet.In den USA kämpfen die beiden Präsidentschaftskandidaten, in Deutschland die Kanzlerkandidaten um die Sympathie der potenziellen Wähler. Die politische Relevanz dieser mit Abstand umfangreichsten und spannendsten Wahlwerbung wird von Kommunikationswissenschaftlern besonders hoch eingeschätzt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der diskursanalytischen Untersuchung der deutschen TV-Duelle am Beispiel des TV-Duells zwischen Steinmeier und Merkel an der Grenze zu der Sprach- und Kommunikationswissenschaft, und analysiert die Feststellungen der Nachwuchswissenschaftlerin mit Hilfe von Textausschnitten bzw. etablierter Wissenschaftler wie Searle, Austin etc. Dem TV-Duell wird ein eigens entwickeltes Kommunikationsmodell zugrunde gelegt. Außerdem werden die Intentionen, die Argumentationsstile und die Kommunikationsstrategien der einzelnen Akteure ausführlich analysiert. Bei der Analyse findet auch die in der Sprechakttheorie oft vernachlässigte Wirkung eine große Beachtung. Die nonverbalen Kommunikation wird bei der Untersuchung der Wirkung in der hiesigen Forschungslandschaft häufig missachtet, umso stärker wird ihre Relevanz in dieser Abschlussarbeit betont. Über die Intention und Wirkung hinaus findet eine ausführliche Analyse der im Duell diskutierten Themen statt. Auch die Faktoren, mit deren Hilfe die Themen ausgewählt wurden, werden erörtert. Auf die Interviewführung der Moderatoren, die hierarchischen Verhältnisse im Gespräch bzw. die Interaktionsmöglichkeiten seitens der Adressaten wird ausführlich eingegangen. Gleichzeitig werden im Verlauf der gesamten Arbeit diskursanalytisch relevante Terminologien wie Gespräch, Handlung, Illokution, Perlokution geklärt und ergänzend oder neu definiert. Außerdem werden auch neue Analysekriterien vorgeschlagen und definiert,sowie eigens entwickelte Modelle vorgestellt, erklärt und an das TV-Duell angewandt. Eine kritische Einstellung zur pragmatischen Theorie vollzieht sich durch die gesamte Arbeit. Der Anteil der eigenen Forschung, die Bereitschaft zur Durchsetzung eigener Forschungsideen bzw. Entwicklung neuer Modelle, wie auch zum Praxisbezug und tabellarischen Darstellungen sind besonders hoch.

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Leseprobe

2. Eine pragmatisch orientierte Untersuchung des TV-Duells zwischen Steinmeier und Merkel


 

2.1 Beschreibung einiger Elemente der Sprechakttheorie, eine Problemdiagnose


 

2.1.a Theoretische Analyse der Kategorien der Sprechakttheorie und Vorschlag einer komplementären Erweiterung zur besseren Herstellung des Praxisbezugs im Sinne der Verständlichkeit einer Äußerung


 

In der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass sich die vorliegende Arbeit an Mitteln der Pragmatik orientiert, um das TV-Duell 2009 zwischen Steinmeier und Merkel analysieren zu können. Die Berechtigung, Elemente der Sprechakttheorie vor dem Hintergrund der Pragmatik zu erörtern, erhält man unter anderem durch die Tatsache, dass sie „im Rahmen der linguistischen Pragmatik in den größeren Zusammenhang einer Theorie des sprachlichen Handelns gestellt worden ist“.[26]

 

Das vorliegende Kapitel hat zum Ziel, über die Sprechakttheorie einen zusammenfassenden Überblick zu geben und ihre Definitionen zu systematisieren sowie sie im Verhältnis zueinander zu erörtern.

 

Laut Adamzik umfasst die Sprechakttheorie verschiedenartige Komponenten und zerlegt eine Äußerung bekanntlich in diverse Teilakte, die auch die Verbindung zwischen sprachlichen Aspekten im engeren Sinn und handlungstheoretischen Kategorien modelliert. [27]

 

Im Mittelpunkt der Sprechakttheorie steht der Sprechakt als Ganzes, der Basiseinheit sprachlicher Kommunikation ist[28] und aus mehreren simultan vollzogenen Teilakten besteht[29] ,die durch eine Indem-Relation miteinander verbunden sind [30].

 

Austin differenzierte zwischen dem phonetischen [31], dem phatischen [32], dem rhetischen [33], dem illokutiven[34] sowie dem perlokutiven Akt[35]. Von seinem Lehrer übernahm Searle den illokutiven sowie den perlokutiven Akt und den Äußerungsakt mit Änderungen.

 

Im Unterschied zu Austin nannte er aber den rhetischen Akt von Austin[36] propositionalen Akt und gliederte ihn in Referenz und Prädikation.

 

Was man genau macht, wenn man einen komplexen Sprechakt vollzieht, wird im Folgenden anhand einiger oben aufgezählter Begriffe der Sprechakttheorie erörtert. Einzelne grundlegende Definitionen werden zu diesem Zweck eingesetzt, wobei die Beschreibung des lokutionären Aktes als Ausgangspunkt für die folgende Analyse dient.

 

Linke et al. beschreiben den lokutionären Teil eines Sprechaktes nach Austin wie folgt:

 

„Man bewegt die Stimmwerkzeuge, gibt Laute von sich - oder man bewegt Schreibwerkzeuge bzw. Tasten. Dabei realisiert man abstrakte Muster eines Sprachsystems: Phoneme, Morpheme/Wörter, Sätze, Texte. Man bezieht sich mit der Sprache auf Dinge in der Welt und sagt über sie etwas aus.“ [37]

 

Für Austin ist der lokutionäre Akt vereinfachend die gesamte Handlung, „etwas zu sagen“ [38]. Auf eine Hypothese der „Indem-Relation“ der einzelnen Teilakte wurde in diesem Kapitel bereits aufmerksam gemacht. Von der zitierten „Indem-Relation“ kann abgeleitet werden, dass sich zwischen den einzelnen Teilakten Zusammenhänge manifestieren.

 

Auf ein enges Verhältnis der Lokution und der Illokution wies auch Austin hin:

 

„Einen lokutionären Akt vollziehen, heißt im Allgemeinen auch und eo ipso einen illokutionären Akt vollziehen, wie ich ihn nennen möchte. So werden wir im Vollzug eines lokutionären Aktes auch einen Akt vollziehen wie etwa: eine Frage stellen oder beantworten; informieren, eine Versicherung abgeben, warnen; eine Entscheidung verkünden, eine Absicht erklären usw. [39]

 

Die im Zitat genannte Illokution wird von Austin als „vollzogener Akt“ [40] bezeichnet und in den Fokus seiner sprechakttheoretischen Überlegungen gerückt. Die Illokution ist vereinfacht der Ausdruck einer bestimmten Absicht des Autors.[41] Dem obigen Zitat von Austin kann entnommen werden, dass es keine Äußerung ohne Intention gibt, aber die Hypothese gilt auch umgekehrt, denn ohne Äußerung kommt auch keine Intention zum Vorschein. Die angenommene „Indem-Relation“ kann verifiziert werden, aber es lohnt sich aus logischen Gründen, den zu Beginn des Kapitels zitierten simultanen Vollzug der Teilakte weiteren Überlegungen am Beispiel des TV-Duells zu unterziehen.

 

PR-Vertreter der Politiker verhandeln im Vorfeld zum TV-Duell mit den Vertretern des Fernsehsenders und vereinbaren die zu diskutierenden Hauptthemen und Regeln der femsehvermittelnden politischen Wahldiskussion. Anschließend werden von den PR- Fachmännem Konzepte zu den einzelnen Statements entworfen, dadurch auch Intentionen und kommunikative Strategien festgelegt, die aber erst mit einer relevanten Zeitverzögerung durch die Politiker während des TV-Duells zum Einsatz kommen. Aufgrund des obigen Gedankengangs kann eine Simultanität der Illokution und der Lokution ausgeschlossen werden, denn die erstere motiviert überhaupt die Entstehung der letzteren. Festgestellt werden kann allerdings, dass die Illokution erst zum Vorschein kommt, indem die Lokution vollzogen wird.

 

Einen weiteren Zusammenhang zwischen einem weiteren Teil der Sprechakttheorie, dem propositionalen Gehalt und der bereits erörterten Illokution und Lokution, betonte Searle: „Äußerungsakte bestehen einfach in der Äußerung von Wortreihen. Illokutionäre und propositionale Akte sind - wie wir später sehen werden - dadurch charakterisiert, dass Wörter im Satzzusammenhang in bestimmten Kontexten, unter bestimmten Bedingungen und mit bestimmten Intentionen geäußert werden." [42]

 

Searle versteht unter Proposition den in der Lokution geäußerten Sachverhalt.[43] Metzler definierte die Proposition vereinfacht als Inhalt einer Äußerung[44]. Ein enger Zusammenhang zwischen propositionalem Gehalt und dem illokutionären Akt wird von Emst verifiziert, der darauf hinwies, dass ersterer den Stand der Dinge beschreibe und letzterer gleichzeitig bestimme, wie die Beschreibung verstanden werden soll.[45]

 

Wie zu Beginn des Kapitels erwähnt wurde, differenzierte Austin auch einen weiteren Akt, nämlich den perlokutionären Akt, den man vollzieht, indem man die illokutionären und die lokutionären Akte vollzieht.

 

In dem angesehenen Standardwerk von Bußmann wird die Perlokution wie folgt beschrieben: „Im Rahmen der Sprechakttheorie Teilaspekt einer Sprechhandlung, der sich auf die kausalen Wirkungen, die der Sprecher durch seine Äußerung absichtlich hervorruft, bezieht."[46]

 

 Eine schwerwiegende Inkonsequenz dieser Beschreibung - auch wenn sie auf den Beschreibungen von Austin und Searle basiert - ist, dass die Perlokution als Folge der Sprecherabsicht im Sinne des Sprechers angesehen wird. Der Empfänger, der auch ein souveräner Mensch mit eigenen Entscheidungskompetenzen ist, bleibt in der obigen Beschreibung völlig unbeachtet. Am Beispiel des Duells wird die Perlokution erklärt.

 

Auch zu Beginn der vorliegenden Arbeit wurde festgestellt, dass das Duell in den Bereich der persuasiven Kommunikation fällt und die Bürger politisch aktivieren will.

 

Argumentieren ist dementsprechend ein hauptsächlicher Bestandteil der persuasiven Kommunikation. Wenn man zusätzlich die Kommunikationssituation des zu analysierenden Duells beachtet, gibt es in der Femsehdiskussion gleich sechs selbstverständlich nicht parallel aktive Sprecher, die gleichzeitig ihren eigenen Intentionen nachgehen.

 

Am meisten bemühen sich logischerweise die Politiker um einen überzeugenden Auftritt. Durch die Aussage von Klaus Wowereit, dass im TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier derjenige oder diejenige gewinnt, der/die seine Argumente am glaubwürdigsten herüberbringt[47], wird die erwähnte Beschreibung der Perlokution falsifiziert und die Hypothese über eine von den Absichten des Senders kausal abhängige Wirkung widerlegt.

 

Aus diesem Grund wird eine weitere Definition genannt:

 

„Ein perlokutionärer Akt hingegen ist von den Äußerungsumständen abhängig und wird somit nicht konventionell, einfach durch das Äußern dieser besonderen Äußerung erreicht; er umfasst alle beabsichtigten oder unbeabsichtigten, oft auch nicht vorhersagbaren Wirkungen, die eine bestimmte Äußerung in einer bestimmten Situation hervorrufen kann.“ [48]

 

Das, was bei der früher zitierten Definition der Perlokution bemängelt wurde, nämlich die geringe Rücksichtnahme auf die Souveränität des Gesprächspartners, wurde in der Definition von Levinson ergänzt. Betont wird aber, dass die Perlokution nicht notwendigerweise unabhängig von der Illokution ausfällt.

 

Drei für die Analyse des Duells relevante Elemente der Sprechakttheorie wurden behandelt, dennoch kann man feststellen, dass ein zu einer vielseitigen Analyse notwendiger weiterer Aspekt in der Theorie keine Beachtung fand. Indem die Teilnehmer des Duells ihre Äußerungen vollziehen, kommen kommunikative Strategien zum Vorschein. Eine Äußerung ist einerseits das Ergebnis einer Lautfolge und der Kombination verwendeter grammatikalischer Strukturen...

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