Eine narratologische Untersuchung von Bram Stokers Vampir-Roman unter dem Aspekt des Verhältnisses von Schauer zu Authentizität, Unmittelbarkeit und Spannung
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Universität Wien (Germanistik), Veranstaltung: MA Schauerliteratur, Sprache: Deutsch, Abstract: Man braucht kein Literaturwissenschaftler zu sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass es sich bei Dracula um Schauerliteratur handelt. Alleine die Figur des Vampirfürsten steht, ähnlich wie die des Frankensteinschen Monsters, prototypisch für das Genre, ist jedoch - ebenfalls wie die Patchwork-Kreatur aus der Feder Mary Shelleys - aufgrund einer Hyperpopularisierung für eine breite Öffentlichkeit bereits losgelöst von ihrer eigenen Geschichte. Zeichen dafür sind nicht nur die Parodien, die es zu jedem etablierten Genre und speziell zu den populären Stoffen selbst gibt, sondern die beinahe omnipräsenten Erscheinungen außerhalb eines echten schauerlichen Kontextes: Kaum eine 'Trick or Treat'-Darstellung zu Halloween kann ohne ein bleichgeschminktes Kind mit zurückgegelten Haaren, Eckzähnen und Umhang auskommen, die an Bela Lugosis Verkörperung des transsylvanischen Grafen angelehnt ist. Die Figur Dracula ist ein Sinnbild für Schauer geworden, ein Symbol des Genres Schauerliteratur und nicht nur der Subkategorie Vampirliteratur. Der Ursprung dieser Entwicklung liegt sicher im Roman. Was nun aber macht diesen so schaurig? Wieso bekommt man es beim Lesen mit der Angst zu tun, obwohl die geschilderten Phänomene doch augenscheinlich so weit von der Wirklichkeit entfernt sind? Warum kann man, einmal damit angefangen, nicht mehr aufhören, diese Geschichte der letzten sechs Monate aus dem 'Leben' des Vaters aller Vampire zu lesen? Der Roman wurde von der Literaturwissenschaft lange Zeit ignoriert. Er schien für sie uninteressant zu sein, da es sich bei diesem Werk unstrittig um populäre Literatur handelt, die aber außerdem nur die Absicht zu haben schien, zu gruseln und somit als Populärliteratur abgestempelt und geringgeschätzt wurde. Schwerpunkt der erst in den 1980/90er-Jahren gemachten Untersuchungen zu Dracula ist zum Einen die genderkritische Analyse, zum Anderen, nicht ganz davon zu trennen, die Thematisierung von Sexualität und Begierde im Kontext des Vampirismus. Diese Themen könnten eine Ursache für die starke Attraktivität des Romans sein. Die latenten Botschaften, wie z.B. die Idee der Promiskuität oder des Masochismus, mögen auf das zeitgenössische wie auf das spätere Publikum einen Reiz ausgeübt haben und auch noch heute wirken. Der größere Reiz liegt aber im schauerlichen Potenzial. Ausgehend von der eigenen Leseerfahrung und allgemeinen Einordnung des Werkes will ich untersuchen, wie schauerliches Erzählen in Bram Stokers Roman funktioniert, denn...
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