Einleitung
Mit diesem Präventions- und Aufarbeitungsbuch für Krisen veröffentlichen wir ein Instrument, welches den Aufbau einer stärkenden Führungshaltung ermöglicht. Wir setzen uns damit auseinander, wie es möglich ist,
- für Krisen vorzusorgen,
- aus einer krisenbezogenen Erstarrung in eine konstruktive Aktivität zu gelangen und
- aus erlebten Krisen möglichst viel persönliches Wachstum zu erfahren.
Ziel unserer Recherchen war es, folgende Themen zu behandeln:
Die Wirkung einer stärkenden Haltung für Führungskräfte in Belastungssituationen, Krisen und Katastrophen
Die bewusste Arbeit an der Führungshaltung gelingt durch einige wesentliche Elemente, nämlich Krisenfachkompetenz und Erfahrung sowie Selbstmanagementkompetenz. Unter Krisenfachkompetenz reihen wir eine Vielzahl von Fähigkeiten und Fachwissen ein. Klassisches Krisenmanagement gehört genauso dazu wie ein guter Umgang mit der Presse oder Konflikt- und Gesprächskompetenz. Ein Teilbereich spielt im guten Umgang mit Krisen eine besonders große Rolle. Es ist die konstruktive Auseinandersetzung der Führungskraft mit sich selbst. Auch hier gibt es wieder viele Unterbereiche, die diese Fähigkeit positiv prägen. Eine Lebenseinstellung und -gestaltung, die Resilienz fördert, ein vertrauter Kreis von Menschen, mit denen die Führungskraft im Gespräch reflektieren kann, und natürlich die professionelle Unterstützung durch Coaching, Therapie oder Beratung. Der Coaching-Ansatz, dem wir das Kapitel 3 unseres Buches widmen, ist das ZRM® (Zürcher Ressourcen Modell). Es ist eine bewährte Methode, um für die betroffene Führungsperson eine erwünschte Haltung bzw. Haltungsveränderung bewusst zu gestalten.
Wir teilen unser Buch in drei Hauptbereiche. Durch Interviews und Gespräche mit Menschen, die unmittelbar mit Krisen- und Katastrophen zu tun hatten oder haben, decken wir den Bereich der tatsächlichen Erfahrung ab. Unsere Gesprächspartner sind Bürgermeister, die Katastrophen als Gemeindeoberhaupt erlebt haben, Einsatzleiter, Medienexperten, Psychotherapeuten, Notfallpsychologen und Krisenmanager. Somit erzählt Kapitel 1 Geschichten, die das Leben schrieb – jeweils fokussiert auf die Haltung, mit der die Verantwortungsträger durch die Krise gegangen sind. Ausführlich lesen Sie diese Interviews in Kapitel 4. Zu diesem Erfahrungs- oder Praxisteil fügen wir in Kapitel 2 theoretische Hintergründe hinzu. Wie in der Literatur die Phasen einer Krise und das Handwerkszeug für Krisenkompetenz dargestellt werden, soll dieses Kapitel aufzeigen. Hier räumen wir dem Thema der Resilienz einen hohen Stellenwert ein. In Kapitel 3 gehen wir auf unsere spezielle Coachingmethode (ZRM®) ein, um aufzuzeigen, wie eine Führungskraft auf sehr angenehme Weise ihre eigene Führungshaltung reflektieren und festigen kann, um für Krisen gut gerüstet zu sein. Bei all diesen Überlegungen tauchen vor unserem inneren Auge Schwerpunkte auf, die auch für unsere potenzielle Leserschaft wichtig sein könnten. Wir führen sie im Folgenden auf.
Besser gut vorbereitet als kalt erwischt
Ja, es ist sinnvoll und machbar, sich auf Krisen vorzubereiten. Anhand vieler Aussagen unserer Interviewpartner wird sichtbar, dass sowohl ein Hineinversetzen in eine potenzielle Krisensituation als auch das Training an kleineren Krisensituationen Sicherheit im Ernstfall geben. Selbstbeobachtung, Reflexion und Auseinandersetzung mit der eigenen Führungshaltung sind weitere Elemente der Krisenprävention.
Ob das Erleben einer Krise aufgearbeitet wird oder nicht, entscheiden Betroffene selbst. Durch die Verdrängung kann, muss aber nicht automatisch, Schaden entstehen. Durch die Aufarbeitung kann die Chance genutzt werden, aus den zwangsläufig erfolgten, belastenden Erfahrungen durch die Krise schließlich nützliche Entwicklungen abzuleiten.
Unser Buch richtet sich an Menschen, die Verantwortung tragen
Wir setzen uns in diesem Sachbuch mit Krisen und Katastrophen im Zusammenhang mit Organisationen, Unternehmen und Gemeinden auseinander. Wir berücksichtigen relevantes, theoretisches Wissens ebenso wie Erfahrungswissen aus dem öffentlich-kommunalen und dem unternehmerischen oder organisationalen Bereich. Unser Hauptaugenmerk liegt auf der Führungskraft, die in der Krise Verantwortung zu tragen hat (Bürgermeister, Führungskräfte aller Einsatzorganisationen, Führungskräfte allgemein, Leiter von Krisenstäben und -teams, Pressesprecher von Unternehmen und Organisationen).
Diese Herangehensweise inkludiert das Anwendungsfeld für Unternehmen, Teams, Einsatzgruppen, Vereine. Grundsätzlich richten sich dieses Werk und unsere Arbeit im Coaching jedoch an alle Menschen, die sich für positive Persönlichkeitsentwicklung – unter Akzeptanz negativer Erfahrungen und mit einem ressourcenorientierten Zukunftsansatz – interessieren.
Belastungskrisen stehen im Zentrum unserer Aufmerksamkeit
Ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit stellen wir Belastungs- bzw. Anforderungskrisen (im Folgenden nur noch Belastungskrisen genannt), die durch einen inneren oder äußeren Faktor ausgelöst werden. Sie können schleichend oder akut auftreten. Krisen im Sinne, wie wir sie behandeln, treten einerseits in Unternehmen auf, andererseits auch in Zusammenhang mit politischer Verantwortung, im Umfeld von Organisationen und im Speziellen in Einsatzorganisationen. Hier sind Führungskräfte in vielen Fällen Verantwortungsträger für eine Vielzahl von Menschen. Sie sind auch in der funktionellen Verantwortung für eine Region oder in der Reputation einer Organisation.
Teilweise entstehen Belastungskrisen durch Entwicklungs- oder Veränderungskrisen bzw. sie münden in eben diese. Verlustkrisen durch Trennung oder Todesfall, die aus einer persönlichen, familiären Belastungssituation heraus entstehen, werden wir in diesem Buch für Führungskräfte nicht behandeln. Hierfür gibt es zahlreiche Literatur aus der psychotherapeutischen, notfallpsychologischen und traumapsychiatrischen Disziplin.
Abgrenzung – was wir nicht behandeln
Es ist uns ein Anliegen, auch zu erwähnen, welche relevanten Aspekte des Führungswissens für Krisen und Katastrophen wir nicht behandeln. Die folgenden Fachbegriffe sind uns bei unseren ausführlichen Recherchen zum Thema begegnet. Die Liste ließe sich wahrscheinlich beliebig verlängern, soll jedoch nur transparent machen, dass wir ausschließlich jene Aspekte behandeln, für die wir uns als Fachleute empfinden. Hierzu zählen nicht:
- Alarmpläne,
- Katastrophenschutz,
- Patientenleitsysteme,
- Dokumentationssysteme,
- Versorgungssysteme,
- Einsatznachsorge,
- Vernetzung mit Nachbarländern.
Führungsherausforderungen mit denen wir uns auseinander setzen
Führungskräfte kommen regelmäßig in die Situation, auf eine Belastungskrise reagieren zu müssen. Als Beispiele hierfür dienen Mobbingfälle, Mitarbeiterabbau, finanzielle Engpässe, zwischenmenschliche Konflikte ebenso wie Naturkatastrophen und politische Entscheidungen mit Auswirkungen auf sich stark unterscheidende Einzelinteressen.
Führungskräfte sind dann als Verantwortungsträger, Vorgesetzte, Entscheider, Einsatzleiter gefordert, in der unmittelbaren Krisensituation schnell eine Richtung vorzugeben. Sie sind nach der Krise gefordert, alle nötigen Schritte der Aufarbeitung, Lösung und Bewältigung für Bürger oder Mitarbeiter einzuleiten. Gerade der Anspruch der Aufarbeitung leidet jedoch oftmals unter der Fülle der Anforderungen. Der zugleich strukturierten wie auch empathisch-sensiblen und reflektierenden Nachbearbeitung einer Krisensituation durch die Führungskraft wird aus diesem Grund in unserem Buch besonderes Augenmerk geschenkt. Die Rolle der Führungskräfte in der Krise ist es auch, immer eine Antwort parat zu haben, geradezustehen, zu informieren und die Ursachen der Krise zu klären. Ebenso wird es als ihre Aufgabe gesehen, Schuld zu klären, gegebenenfalls Verantwortung zu übernehmen und Zuversicht zu geben.
Sich mit einer stärkenden Haltung zu versorgen, ist für Führungskräfte vor allem angesichts folgender Aufgaben gewinnbringend:
- Sie müssen auf Krisen vorbereitet sein, um kommende Belastungssituationen bei guten Kräften zu durchleben. Es gibt viele Methoden, um durch Prävention im entscheidenden Moment stark zu sein.
- Sie müssen in der akuten Krise aus der Phase der «Erstarrung» heraustreten und eine Haltung konstruktiver Aktivität einnehmen können. Diese Arbeit ist essenziell, wenn man «den Wald vor lauter Bäumen» nicht sehen kann und Emotionen die Oberhand zu bekommen drohen.
- Sie müssen nach dem Stattfinden einer Krise das Erlebte reflektieren und durch die jeweils wesentliche Erfahrung gestärkt in die Zukunft gehen. Die Fähigkeit, mit sich selbst in Kontakt zu treten, ist ausschlaggebend, um zurückzublicken und Wichtiges von Unwichtigem zu trennen.
Das Tempo unseres Lebensstils, unseres Medienverhaltens fordert ein hohes Maß an Krisenkompetenz von Verantwortungsträgern.
Wir machen die Erfahrung, dass Führungskräfte – z.B. im kommunalpolitischen Bereich – in der Krise oft überdimensional viel von sich fordern, nach der Krise streng mit sich selbst ins Gericht gehen und zudem noch oft die Last des Unaufgearbeiteten lange mit sich herumtragen. Das kann gesundheitsgefährdend sein. Eine...