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E-Book

Ein richtig guter Tag

Wie Microdosing meine Stimmung, meine Ehe und mein Leben rettete

AutorAyelet Waldman
Verlagbtb
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl384 Seiten
ISBN9783641213138
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Jahrelang probiert die Schriftstellerin Ayelet Waldman alle möglichen Arzneien aus, um ihre extremen Stimmungsschwankungen in den Griff zu bekommen. Sie leidet darunter - und ihr Mann, Pulitzer-Preisträger Michael Chabon, und ihre vier Kinder leiden mit ihr. Die 52-Jährige ist an einem Tiefpunkt angelangt, als sie eines Morgens ein kleines Päckchen von einem gewissen 'Lewis Carroll' aus dem Briefkasten zieht. Der Inhalt: eine kleine Ampulle mit flüssigem LSD. Verboten, gefährlich - und verführerisch.

Dreißig Tage macht Ayelet Waldman einen Selbstversuch. Können zwei Tropfen verdünntes LSD bei den Depressionen helfen? Wird ihr Leben dadurch leichter, glücklicher? Offen und unverkrampft führt sie Tagebuch, gibt Denkanstöße und setzt sich mit der Frage auseinander: Müssen wir offen sein für neue Wege, um uns selbst zu helfen?

Ayelet Waldman graduierte an der Harvard Law School und arbeitete dann als Strafverteidigerin. Sie lebt mit ihren vier Kindern und ihrem Ehemann, dem 'Pulitzer'-Preisträger Michael Chabon, in Berkeley, Kalifornien.

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Leseprobe

Prolog

Heute Morgen habe ich LSD genommen.

Der Tisch, an dem ich zum Schreiben sitze, atmet nicht. Meine Tastatur explodiert nicht in einem psychedelischen Feuerwerk aus Farben, das Lichtblitze aus dem »R« und »P« schleudern würde. Ich bin weder aufgekratzt und hibbelig noch glückselig weggebeamt. Ich empfinde kein transzendentes Einssein mit dem Universum. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich normal.

Na ja, bis auf eins: Ich bin ausgeglichen und entspannt. Ich bin beschäftigt, aber nicht gestresst. Für andere mag das normal sein, für mich ist es das nicht.

Ich habe kein Acid-Plättchen gelutscht. Ich habe eine sogenannte »Mikrodosis« genommen, eine subtherapeutische Dosis einer Droge; eine Menge, so gering, dass sie keine unerwünschten Nebenwirkungen zeigt, und doch groß genug für eine messbare zelluläre Reaktion. Die Mikrodosis einer psychedelischen Droge beträgt in etwa ein Zehntel der üblichen Dosis. Für einen Trip mit visuellen Halluzinationen und allem Drum und Dran würde ein LSD-Konsument zwischen hundert und hundertfünfzig Mikrogramm nehmen. Ich habe zehn Mikrogramm genommen.

Microdosing, die Mikrodosierung von Psychedelika, ist so neu und alternativ, dass ich meinem Rechtschreibprogramm das Wort erst beibringen musste. Bekannt wurde es durch eine ganze Reihe von Vorträgen und Podcast-Interviews des Psychologen und früheren Psychedelika-Forschers James Fadiman sowie sein 2011 veröffentlichtes Buch The Psychedelic Explorer’s Guide: Safe, Therapeutic, and Sacred Journeys. Seit 2010 sammelt Dr. Fadiman Erfahrungsberichte von Menschen, die mit regelmäßigen Mikrogaben von LSD und Psilocybin, einem natürlich vorkommenden Stoff, der sich in etlichen Pilzarten findet, experimentiert haben. Schon kurz nach Erscheinen des Buchs präsentierte Fadiman bei einem Vortrag anlässlich einer Konferenz zum möglichen therapeutischen Nutzen von psychedelischen Drogen seine neuesten Erkenntnisse; gewonnen hatte er sie aus der Lektüre Dutzender Briefe und E-Mails, die ihn erreicht hatten, manche anonym, bei Weitem aber nicht alle. In Bezug auf Microdosing sagte er: »Viele Versuchsteilnehmer berichten, sie könnten sich abends zufrieden zurücklehnen und mit Fug und Recht sagen: ›Das war ein richtig guter Tag.‹«

Ein richtig guter Tag. Vorhersehbar, planbar, verlässlich. Mehr will ich doch gar nicht.

Solange ich zurückdenken kann, war ich eine Geisel; hilflos meinen unberechenbaren Stimmungsschwankungen ausgeliefert. Habe ich gute Laune, bin ich lustig, leistungsfähig und liebevoll. Ich bin der Mittelpunkt jeder Party, schreibe halbwegs passable Sätze und bin, wie meine Kinder sagen würden, cool. Kippt meine Laune aber, fressen Selbsthass, Schuldgefühle und Scham an mir. Eine alles zersetzende Hoffnungslosigkeit legt sich über mein ganzes Sein, ein grimmiger Pessimismus, der selbst theoretisches Glück kategorisch ausschließt. Meine Symptome waren nie so ernst, dass sie eine stationäre Behandlung erforderlich gemacht hätten, und sie haben mich auch weder beruflich noch privat ernsthaft in meiner »Alltagstauglichkeit« eingeschränkt. Aber sie machen mein Leben und das meiner Lieben um ein Vielfaches verzwickter.

Ich habe mit den unterschiedlichsten Behandlungsmethoden gegen diese Stimmungsschwankungen und anderen Malaisen vorzugehen versucht. Obwohl ich eins der wenigen neurotischen jüdischen Kinder war, die in den Siebziger- und Achtzigerjahren in New York aufgewachsen sind, ohne je die Praxis eines Psychotherapeuten von innen zu sehen, wollte ich nichts unversucht lassen. Ebenso begeistert, wie ein verdurstendes Kamel in eine schlammige Oasenpfütze watet, stürzte ich mich auf jeden Lösungsansatz und suhlte mich genüsslich in allen erdenklichen Therapieformen.

Mein erster Therapeut war Facharzt in Ausbildung und wurde mir im dritten Jahr meines Jurastudiums vom Gesundheitsdienst der Universität zugewiesen. Ich suchte Hilfe bei der Verarbeitung einer traumatischen Trennung, die ich damals als tragisch empfand, die mir aber rückblickend eher wie einer jener Augenblicke erscheint, in dem man gerade noch rechtzeitig vom Handy aufschaut, bevor der Stadtbus einen überrollt. Ich saß also in der Praxis meines Therapeuten und heulte Rotz und Wasser. Als ich endlich aufhörte zu weinen (irgendwann im Laufe der zweiten oder dritten Sitzung), redeten wir über meinen Exfreund und meine ambivalenten Gefühle bezüglich unserer Trennung. Wir redeten über den Kerl (und die anderen Kerle und das eine oder andere Mädel), mit denen ich ihn betrogen hatte. Wir sprachen über den schwelenden Groll, den meine Mutter gegen alles und jeden hegte, und meinen emotional unzugänglichen Vater, und wie schwer es ist, in einem Zuhause aufzuwachsen, in dem die beiden anwesenden Erwachsenen sich die allermeiste Zeit streiten.

Seit diesen ersten Terminen habe ich hunderte und aberhunderte Stunden in den Praxen von Psychiatern und Psychologen verbracht, bei Sozialarbeitern und Familientherapeuten und habe meinen unverwechselbaren Gesäßabdruck auf unzähligen Ledercouches hinterlassen. Ich habe mit Freudianern assoziiert und im Auftrag kognitiver Verhaltenstherapeuten gewissenhaft Arbeitshefte ausgefüllt. Ich mag diese Sitzungen; ich bin ein analytischer, extrovertierter Mensch, weshalb ich nichts lieber tue, als mein Leben und meine Gefühle akribisch zu sezieren. Vor allem vor Menschen, die ich für dieses Privileg bezahle. Außerdem war ich in der Grundschule eine gute Schülerin und finde Arbeitshefte geradezu meditativ.

Und obwohl ich, wenn es um gegenkulturelle Phänomene geht, eine erbarmungslose Zynikerin bin (nichts lässt mich schneller die Augen verdrehen als eine Yogi, die die lilienweißen Handflächen zu einem Namaste zusammenführt), habe ich bisweilen althergebrachte Therapieformen zugunsten alternativer Methoden vernachlässigt. In den acht Monaten, die ich mit meinem zweiten Kind schwanger war, wollte ich mit allen Mitteln einen weiteren Kaiserschnitt verhindern, daher brachte ich etliche Hypnotherapiesitzungen hinter mich, während deren ich unter anderem mein erstes Kind »wiedergebären« sollte. Damit, versprach die Hypnosetherapeutin, sei dieses Mal eine vaginale Geburt garantiert. So lag ich, die Knie bis zu den Ohren angezogen, auf ihrer Couch, und sie begleitete mich in unerträglicher Detailtreue durch die vaginale Geburt, die nie stattgefunden hatte. Gemeinsam stellten wir uns die Kontraktionen vor, das Brennen beim Kopfaustritt, die Anstrengung beim Pressen. Ich hechelte, ich stöhnte, ich biss die Zähne zusammen und drückte, was das Zeug hielt. Wie sich allerdings herausstellte, ist das Einzige, was bei einer derartigen Anstrengung herauskommt, ein donnernder, trommelfellerschütternder Furz.

Einen Monat, zwei Geburtshelferinnen, eine Hebamme und vierundvierzig Stunden nicht-imaginärer Wehen später wurde mein Sohn von einem Arzt auf die Welt geholt, der mit bewundernswerter Geduld abgewartet hatte, während ich vergebens versuchte, mir vorzustellen, wie der Muttermund sich öffnete, bis er schließlich den zweiten von letztendlich vier Kaiserschnitten an mir vornahm.

Ich habe Achtsamkeitsübungen gemacht, bei denen ich quälend lange Minuten meditieren und anschließend viele weitere quälend lange Minuten mit meinem Therapeuten darüber diskutieren musste, warum ich Meditieren so zutiefst verabscheue. Auf die Ehekrise eines befreundeten Paares hin zwang ich meinen leiderprobten Mann in eine Paartherapie, bei der wir ständig wiederholen sollten, was der andere gesagt hatte, und zwar – theoretisch – ohne dass die Stimme dabei vor passiv-aggressiver, kaum verhohlener Wut bebte. (»Ich höre, dass es dich aufregt, wenn ich dich dafür kritisiere, wie du den Geschirrspüler einräumst, aber es macht mich traurig, dass du die Gläser immer in das untere Fach stellst, und es macht mich wütend, dass du, deiner überragenden Intelligenz zum Trotz, nicht in der Lage bist zu kapieren, dass sie dabei unweigerlich kaputtgehen.« Upps.) Wir würden wohl heute noch verzweifelte »Ich«-Botschaften aussenden, hätte mein Mann mich nicht irgendwann darauf hingewiesen, dass diese Therapie die bisher größte Gefahr für unsere Ehe war. »Ich« konnte ihm da nicht widersprechen.1

All diesen aberhunderten Stunden Gesprächstherapie zum Trotz kann ich nicht behaupten, je eine merkliche Veränderung erlebt zu haben, weder in meiner Betrachtungsweise noch in meinem Verhalten.

Und dann, eines Tages, auf dem Weg von einer deprimierend schlecht besuchten Lesung im idyllischen Marin County2 nach Hause, ertappte ich mich dabei, wie ich ernsthaft überlegte, das Lenkrad nach rechts herumzureißen, und mir ausmalte, mit dem Wagen das Geländer der Richmond Bridge zu durchbrechen und in hohem Bogen ins Wasser zu fliegen. Der Gedanke war mehr als nur flüchtig, und doch auch nicht konkret zu nennen, und obwohl ich es ohne weitere Zwischenfälle heil auf die andere Seite schaffte, erschütterte diese Episode mich derart, dass ich einen Termin beim Therapeuten machte.

Der Psychiater diagnostizierte eine bipolare affektive Störung, Bipolar II, eine weniger schwere Form der bipolaren Störung. Die Diagnose war zwar ein Schock, kam aber nicht überraschend. Bipolare Störungen sind oft erblich bedingt, und mein Vater und andere Verwandte väterlicherseits leiden ebenfalls daran. Vermutlich hatte ich insgeheim immer schon die Befürchtung, meine wechselhaften Launen könnten Ausdruck dieser Erkrankung sein.

Bipolare Störungen äußern sich in beträchtlichen Schwankungen des Stimmungs-, Energie- und Aktivitätsniveaus. Fast alle Menschen erleben solche Wechsel emotionaler...

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