Der Aufbau von Immobilienvermögen besitzt bei vielen Menschen einen hohen Stellenwert im Rahmen der Altersvorsorge. Neben den Vor- und Nachteilen der Nutzung einer Immobilie bis zum Lebensende und der Option des Verkaufs der Immobilie und Anlage des Verkaufserlöses ist die Leibrente die dritte wesentliche Nutzungsmöglichkeit.[1] „Wer kurz vor der Rente steht, hat meist nicht mehr viel Zeit, um Alternativen zu finden. Da scheint der Ausweg, aus der eigenen Immobilie Kapital zu schlagen, plausibel.“[2] Eine Definition von Leibrente ist wie folgt:
„Leibrenten sind kontinuierlich und in gleicher Höhe wiederkehrende Bezüge (inflationsbedingte, vertraglich vereinbarte Erhöhungen sind dabei unerheblich), die auf das Leben einer bestimmten Person bzw. Personengemeinschaft bezogen sind und mit deren Tod enden. Leibrenten entstehen u.a. durch den Verkauf einer Immobilie gegen Zahlung einer Leibrente.“ [3]
Der Begriff „… „Leib“ bedeutet althochdeutsch „Leben“…“[4] und verdeutlicht, dass die Bezüge, die ein Eigentümer in der Form einer Leibrente erhält, an die Lebensdauer der Bezugsperson gebunden sind.[5] Mit dem Tod erlischt die Zahlungsverpflichtung auf Grund der Leibrente. Da das Lebensalter nicht vorausgesagt werden kann, ist im Bezug zu Leibrentenverträgen die Aussage verbreitet: „Leibrenten sind Glücksverträge.“[6] Gesetzlich geregelt sind Leibrenten im Bürgerlichen Gesetzbuch, § 759 bis § 761 BGB. Nach einem Urteil des BFH vom 29. März 1962 ist „… der Begriff Leibrente …“[7] auch im Einkommenssteuerrecht „… nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts zu bestimmen ...“[8]. Die Funktion der Leibrente ist die finanzielle Versorgung der Bezugsperson. Dabei ist zu beachten, dass die Zahlungsverpflichtung nach § 759 BGB nur in Geld oder in vertretbaren Sachen als Leibrente geschuldet werden kann.[9] Vertretbare Sachen nach § 91 BGB sind bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Maß, Zahl oder Gewicht bestimmt werden und wertmäßig gleich sind. Die regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen einer Leibrente müssen dabei das „… Merkmal der Gleichmäßigkeit …“[10] erfüllen, und in der Höhe der Leistung identisch sein.[11] Diese Voraussetzung stellt das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu den – ebenfalls zu den wiederkehrenden Leistungen zählenden – dauernden Lasten und sonstigen wiederkehrenden Leistungen dar.[12] Wertsicherungs- bzw. Währungsklauseln, die − gekoppelt an einen Lebenshaltungsindex − für eine Erhöhung auf Grund von inflationären Steigerungen der Bezugsgröße sorgen, sind für die Leibrente unschädlich einsetzbar.[13] Da das Steuerrecht an privatrechtliche Vorgänge und Gestaltungen anknüpft, ist es sofern es dem wirtschaftlichen Gehalt der Beziehung entspricht, gemäß den zivilrechtlichen Bestimmungen auszulegen. Mithin ist das Erfordernis der Schriftlichkeit nach § 761 BGB bei der Gestaltung der Leibrentenverträge unbedingt beachtlich.[14] Besondere Gestaltungsformen, wie z.B. die sog. befristete Leibrente, sind möglich.[15]
Im Gegensatz zur Leibrente ist die Zeitrente eine regelmäßig wiederkehrende Zahlung über eine bestimmte Laufzeit. Zeitrenten sind nicht von der Lebenszeit einer Bezugsperson abhängig, sondern werden über die vertraglich festgelegte Dauer geschuldet.[16] Die Zeitrente ist von Ihrer Bedeutung her vergleichbar mit einer Kaufpreiszahlung in Raten, wobei eine Verzinsung des noch offenen Betrages erfolgt.[17] „Bei Zeitrenten fehlt der Wagnischarakter, der für Leibrenten typisch ist.“[18] Eine Zeitrente kann auch durch eine Wertsicherungsklausel gegen Inflation abgesichert werden. Dabei ist zu beachten, dass eine Wertsicherungsklausel erst vereinbart werden darf, wenn die Laufzeit einer Zeitrente größer als 10 Jahre ist.[19] Damit steuerlich bei dem Berechtigten eine Zeitrente vorliegt, ist ebenfalls eine Mindestlaufzeit von zehn Jahren erforderlich.[20] Ergänzend fasst Anlage 11 die wesentlichen Unterschiede zwischen Zeitrenten und Leibrenten zusammen.[21]
Zu den Überschusseinkunftsarten gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG gehören die „Sonstigen Einkünfte“ im Sinne des § 22 EStG.[22] Diese ermitteln sich nach den Überschüssen der Einnahmen gem. § 8 EStG vermindert um die abzugsfähigen Werbungskosten.[23] Die Einnahmen mindern sich gem. § 9 a S. 1 Nr. 3 EStG mindestens um den Werbungskostenpauschbetrag i.H.v. 102 Euro.[24]
Die sonstigen Einkünfte untergliedern sich in Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG), Einkünfte aus Unterhaltsleistungen (§ 22 Nr. 1 a EStG), Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 EStG), Einkünfte aus sonstigen Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG), Einkünfte aus Abgeordnetenbezügen (§ 22 Nr. 4 EStG) sowie Einkünfte aus Altersvorsorgeverträgen (§ 22 Nr. 5 EStG).[25] Zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 EStG) gehört die Leibrente. Charakteristisch für wiederkehrende Bezüge sind die periodischen Wiederholungen von Zahlungen.[26] Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, wie in Abb. 9 dargestellt, sind unterteilbar in Leibrenten und andere Leistungen, dauernde Lasten und Sonstige wiederkehrende Bezüge. Die für diese Untersuchung relevanten Leibrenten sind den Leibrenten u.a. Leistungen zuzuordnen.[27]
Abb. 1: Leibrenten im System der „sonstigen Einkünfte“ nach §§ 22, 23 EStG[28]
Die Leibrente ist von einer dauernden Last und den sonstigen wiederkehrenden Bezügen durch die gleichmäßige Höhe der Zahlungen abgrenzbar: „Renten und dauernde Lasten unterscheiden sich in erster Linie darin, dass Renten gleich bleibende Leistungen sind, während bei dauernden Lasten die Möglichkeit der Abänderung der Leistungen der Höhe nach vorbehalten ist.“[29] Eine der Grundlagen dafür war die Feststellung im Urteil des BFH vom 10. Mai 1980: „Keine Leibrenten, sondern dauernde Lasten liegen daher vor, wenn den Leistungen das Merkmal der Gleichmäßigkeit fehlt.“[30] Neben den nicht regelmäßig und gleichmäßig zu erbringenden Leistungen ist es bei einer dauernden Last auch möglich, gem. der Aussagen in dem BFH-Urteil vom 04. April 1977, Sachleistungen statt Geldleistungen zu erbringen, was für Leibrenten ausgeschlossen ist.[31] Sonstige wiederkehrende Bezüge sind nach Friedbert Maier z.B. ein Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Nr. 1 a EStG.[32]
Anlage 12 zeigt die nachdem AltEinkG[33] neue Einteilung der Leibrenten. Es werden dabei Renten/Leistungen aus der Basisversorgung[34] und sonstige Renten/Leistungen[35] unterschieden.
Private Renten außerhalb der speziell genannten Renten/ Leistungen aus der Basisversorgung werden in die nachgelagerte Besteuerung des § 22 Nr. 1 S. 3 a) Doppelbuchstabe aa EStG nur dann einbezogen, wenn es sich um Verträge handelt, die die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG n.F.[36] erfüllen.[37] Sonstige Renten/ Leistungen außerhalb der Basisversorgung (Neuverträge, die nicht die Vorraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG erfüllen oder Altverträge i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 3 b EStG) unterliegen der Ertragsanteilsbesteuerung.[38] „Bei diesen Rentenversicherungen gilt also weiterhin die sog. vorgelagerte Besteuerung, d.h. die Beträge werden aus versteuertem Einkommen (kein Sonderausgabenabzug, keine Steuerfreiheit der Beiträge, keine „Riester-Förderung“) geleistet.“[39] Hintergrund dieser Regelung ist, dass neben der Auszahlung des Zinsanteils es auch zu einem Rückfluss von dem eingezahlten und im Vorfeld versteuerten Kapital kommt. Dieses Kapital soll kein zweites Mal versteuert werden. Die Leibrente aus Immobilien gehört zu den sonstigen Renten/ Leistungen und unterliegt damit der Ertragsanteilsbesteuerung.
Um den steuerpflichtigen Anteil des Immobilienwertes gegen wiederkehrende Leistungen auf Lebenszeit zu bestimmen, muss zunächst der Barwert der Leibrente ermittelt werden. Das Ziel dieser Untersuchung ist die Feststellung, ob ein entgeltliches, teilentgeltliches oder unentgeltliches Geschäft vorliegt. Nach dem BMF-Schreiben vom 23.12.1996 liegt ein entgeltliches Geschäft vor, „… wenn die Beteiligten Leistung...