2. Die 7 Geheimnisse der Excellent Speaker
Warum hören wir manchen Präsentierenden gebannt zu, während wir bei anderen das Ende der Präsentation nicht erwarten können? Warum sind wir bei manchen Rednern regelrecht gefesselt, während wir uns bei anderen nur mühsam wach halten können? Und warum werden uns bei manchen Vortragenden auch schwierigste Inhalte sofort klar, während wir bei andern rätseln und vergeblich nach dem Sinn suchen? Dieses Kapitel verrät Ihnen die sieben Geheimnisse von Top-Präsentatoren und Excellent Speakern.
1. Geheimnis:
Sie spielen auf der Klaviatur der Emotionen
Die alljährliche Weihnachtsansprache
Wir alle kennen Weihnachtsansprachen. Entweder weil wir sie selbst jedes Jahr aufs Neue halten oder weil wir jährlich als Zuhörer in den Genuss derselben kommen. Es gibt Vorgesetzte, die mit ihrer Weihnachtsansprache berühren, bewegen, motivieren. Und solche, nach deren Rede man sich enttäuscht, frustriert und abgewertet fühlt. Aus meinen Beratungen weiß ich, dass in beiden Fällen eine positive Absicht hinter der Weihnachtsrede stand. Beide haben die Intention, den Mitarbeitern zu danken, sie zu motivieren, ihnen Mut zu machen. Doch die zweite Gruppe von Vorgesetzten macht sich zu wenig Gedanken über die emotionale Auswirkung ihrer Worte. Diese Führungskräfte meinen, mit nüchternen Fakten, nackten Zahlen und strammen Zielen sei es getan. Und sie wundern sich dann, wenn ihre Mitarbeiter „steif wie Mumien“ dastehen – Originalton einer Führungskraft im Coaching. Sie wissen gar nicht, welche Emotionen jetzt wichtig wären, sie wissen nicht, wie man sie erzeugt und in Worte fasst.
Die emotionale Auswirkung von Vorträgen
Erfolgreiche Redner und Rednerinnen konzentrieren sich auf die emotionale Auswirkung ihrer Vorträge. Alle Vortragstools (Inhalte, Argumente, Inszenierungen, Belege, Unterlagen, Folien, Medien, Kleidung, Gesten usw.) sind nur Mittel zum Zweck. Sie sind ausgerichtet auf die Frage: „Welche Gefühle erzeuge ich mit genau diesem Argument, mit genau dieser Folie, mit genau dieser Technik beim Publikum?“ Exzellente Redner fragen sich zuallererst: „Welche Emotion wäre jetzt förderlich? Wie sollen sich meine Mitarbeiter fühlen nach dieser Weihnachtsansprache? Sollen sie sich stolz fühlen, in meinem Unternehmen zu arbeiten und mich als Vorgesetzten zu haben? Sollen sie stolz auf die eigene und auf die gemeinsam geleistete Arbeit sein? Sollen sie mit einem sicheren Gefühl nach Hause gehen, da sie jetzt Klarheit haben über die Zukunft, auch wenn diese vielleicht hart sein wird? Sollen sie sich freuen über meine Dankbarkeit und Anerkennung? Sollen Sie sich heiter und leicht fühlen, indem wir gemeinsam schmunzeln oder lachen? Sollen sie sich stark fühlen, weil sie spüren, dass sie in einer starken Gemeinschaft gut aufgehoben sind?“ Nach einer Rede, die sich an diesen Fragen orientiert, fühlen sich die Mitarbeiter hoch motiviert und sind bereit, sich für gemeinsame Ziele einzusetzen.
Auf der Klaviatur der Emotionen spielen
Erfolgreiche Redner beherrschen also die Klaviatur der Emotionen. Sie spielen jedoch nicht nur auf den weißen, hellen, sondern auch auf den dunklen, schwarzen Tasten virtuos und erzielen wie ein Klavierspieler ein harmonisches Ganzes. Emotionale Rhetorik lebt nicht allein von positiven Emotionen. Der exzellente Redner anerkennt, dass der Regen genauso wichtig ist wie der Sonnenschein, die Nacht wie der Tag, die Schwere wie die Leichtigkeit. Er weiß, dass Menschen sich nicht allein von leuchtenden Zielbildern und positiven Gefühlen leiten lassen; er weiß, dass der Schmerz, der Zorn, die Angst, manchmal der Schock wirksame Mittel sind, um Menschen aufzurütteln und zu bewegen.
2. Geheimnis:
Sie haben Mut zum eigenen Stil
Sind gute Redner Naturtalente?
Nun könnten Sie einwenden, dass erfolgreiche Redner Naturtalente seien, die einen fantastischen Zugang zu ihren Emotionen haben und aus dem Bauch heraus packend und fesselnd sprechen. Nach dem Motto: „Als Redner wird man geboren. Man hat’s oder man hat’s nicht! Man ist nun mal ein emotionaler Mensch oder nicht!“
Meine Erfahrung ist: Wir sind zwar alle emotional und können Emotionen hervorrufen. Es kommt jedoch darauf an, diese gezielt einzusetzen. Dabei können es ganz unterschiedliche Arten emotionaler Wirkungen sein, die beabsichtigt sind. Ich kenne hervorragende Redner, die mit zutiefst beeindruckender Klarheit und Präzision sprechen. Sie punkten mit messerscharfer Logik statt mit berührenden Geschichten, spitzen mit knappen Antithesen die Dinge zu, kommen ohne Abschweifungen und schmückende Beiwörter auf den Punkt. Die emotionale Wirkung ihrer Reden ist Klarheit, Kraft und Coolness. Ihr Stil ist prägnant, ihre Formulierungen sind griffig, ihre Aussagen plakativ. Ihre Nüchternheit wirkt machtvoll.
Dann kenne ich Redner, die eine Aura von Bescheidenheit um sich verbreiten. Sie sprechen mit tastender, fast zögerlicher Stimme. Sie schaffen es, uns nachdenklich zu stimmen. Sie spielen meisterhaft die leisen Töne der Besorgnis. Die Zuhörer fühlen sich gut aufgehoben, geborgen, sicher. Endlich kein lauter Schaumschläger, stellen sie beruhigt fest, der mit englischen Powerfloskeln um sich schlägt. Sondern einer, der die Last und Verantwortung der ganzen Welt zu tragen scheint.
Ich kenne ergreifende Redner, die mühelos die verborgenen Gefühle in uns anklingen lassen können. Die mit Geschichten unsere Seelen berühren und bewegen. Ihr Stil ist lebendig, ihre Sprache sinnlich und melodiös. Obwohl sie ausschweifend erzählen, schweifen die Gedanken der Zuhörer nie ab. Denn ihre Beispiele, Parabeln und Gleichnisse sind prall von Erfahrungen, Weisheiten und Gefühlen.
Redner als Showmaster
Und ich kenne Redner, die ein Feuerwerk der Rhetorik entzünden. Die geborenen Showmaster, diejenigen, die erst auf der Bühne richtig zu leben beginnen. Die uns mit großen Gesten, plakativen Aussagen, mit gezielten Provokationen faszinieren, inspirieren und manchmal schockieren. Sie zeigen uns ungewöhnliche Einblicke und erstaunliche Wege und sind uns so eine nie versiegende Quelle der Inspiration.
So wie wir auf dem Klavier die unterschiedlichsten Lieder und Stücke spielen können, von Klassik bis Hardrock, von Jazz bis Elektropop –, so können wir auf der Klaviatur der Emotionen die unterschiedlichsten rhetorischen Wirkungen erzielen. Wie arm wäre unsere Welt ohne diese Unterschiedlichkeit. Wie schön ist es, dass jeder Vortrag anders ist, dass jeder Redner andere Facetten in uns zum Klingen bringt. Vielfalt ist Schönheit. Und egal welche Ihre Lieblingsmelodie ist, sie ist es wert, gehört zu werden. Stehen Sie zu sich und zu Ihrem Stil. Alle Stile sind wichtig, alle Stile sind wertvoll, und alle Stile erreichen ihre Ziele.
Umgang mit Perfektionismus
Zu sich zu stehen – das ist die Grundvoraussetzung, um sich als Redner vorne, auf diesem exponierten Platz, wohlzufühlen. Ich meine damit nicht die naive Authentizität des „So bin ich nun einmal!“, sondern das grundlegende Anerkennen der eigenen Persönlichkeit. Dazu gehört es, die eigenen Stärken zu kennen und sich mit den eigenen Schwächen zu versöhnen. Perfektionismus und zu hohe Erwartungen an sich selbst sind die Gegner jeder lebendigen und berührenden Rede. Alles richtig machen zu wollen führt zum Schluss dazu, alles falsch zu machen. Denn vor lauter Angst, nicht perfekt zu sein, bringen wir zu viele Inhalte und überschütten unser Publikum damit; wir planen alles bis ins kleinste Detail und verlieren unsere lebendige Spontaneität; wir stellen ausformulierte Manuskripte her und verlieren beim Ablesen den Kontakt zu unseren eigenen Gefühlen. Im schlimmsten Fall verhindert unser Perfektionismus, dass wir uns trauen, eine Rede zu halten. Er wird zum Erfolgsverhinderer. Wenn Sie zum Perfektionismus neigen, dann bitten Sie ihn, Ihnen Ideen und Inspiration zu geben, wie Sie mehr Lockerheit und Leichtigkeit in Ihren Vortrag bringen. Ich verspreche Ihnen: Er wird eine perfekte Lösung liefern!
Niemand ist perfekt. Aber wir können unser Bestes geben. Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Niemand ist unangreifbar. Wer sich exponiert, wird angreifbar. Wer seine Meinung kundtut, muss mit Gegenmeinungen rechnen. Stellen Sie sich standfest hin und wappnen Sie sich mit Gelassenheit und guten Argumenten. Nutzen Sie die Tools in diesem Buch auch als Munition im gerechten Kampf der Argumente.
3. Geheimnis:
Sie haben Ausstrahlung durch Präsenz
Vor Kurzem erzählte mir eine Seminarteilnehmerin, dass sie bei der Rede ihres Aufsichtsratsvorsitzenden dabei sein durfte: „Und dann ging die Tür auf und er kam herein. Plötzlich wurde es ganz ruhig. Eine vibrierende Energie ging von ihm aus, die uns alle erfasste. Es war, als ob seine Persönlichkeit den ganzen Raum ausfüllen würde. Noch bevor er etwas...