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Ende des rot-grünen Projekts

Eine Bilanz der Regierung Schröder 2002 - 2005

AutorChristoph Egle, Reimut Zohlnhöfer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl540 Seiten
ISBN9783531903026
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Mit diesem Band wird eine umfassende politikwissenschaftliche Bilanz der zweiten Amtsperiode der Regierung Schröder gezogen. Diese begann und endete mit einer Überraschung. Konnte die rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2002 fortgeführt werden, obwohl ihr im Vorfeld eine Abwahl prognostiziert worden war, kündigte Kanzler Schröder bereits zweieinhalb Jahre später an, Neuwahlen anzustreben. In dieser kurzen Zeit wurden im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bislang beispiellose Reformen umgesetzt. Diese und alle anderen zentralen politischen Ereignisse und Entscheidungen der zweiten rot-grünen Regierung, von der Föderalismusreform über die Innen- und Umweltpolitik bis zur Außen- und Europapolitik werden von ausgewiesenen Experten systematisch aufbereitet und analysiert, die Strategien der Regierungs- und Oppositionsparteien werden untersucht und die institutionellen Rahmenbedingungen detailliert dargestellt. Dabei wird die Frage beantwortet, in welchen Bereichen die Regierung Schröder ihre Politik der ersten vier Jahre fortführte und in welchen Politikfeldern Veränderungen vorgenommen wurden. Besonderes Augenmerk wird der Frage gewidmet, mit welchen Einflussfaktoren die teilweise überraschenden Entwicklungen in der rot-grünen Regierungspolitik nach 2002 erklärt werden können.

Christoph Egle ist Politikwissenschaftler an der Universität Frankfurt/Main.
Dr. Reimut Zohlnhöfer ist Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg.

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Leseprobe
Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die 15. Legislaturperiode (S. 11)

Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die 15. Legislaturperiode

Der Wahlsieg der rot-grünen Koalition bei der Bundestagswahl am 22. September 2002 hatte viele Beobachter überrascht. Angesichts der Umfrageergebnisse war lange Zeit ein Sieg eines christlich-liberalen Bündnisses erwartet worden, während es SPD und Grünen erst in den letzten Wahlkampfwochen – nicht zuletzt begünstigt durch die Elbeflut und die Sorge um einen möglichen Krieg im Irak – gelungen war, die Stimmung noch zu wenden und einen knappen Sieg davon zu tragen (vgl. Roth 2003).

Die Mandatsmehrheit der Koalition war allerdings noch knapper ausgefallen als 1998: Hatte die rot-grüne Regierung 1998 noch 21 Mandate Vorsprung vor den Oppositionsparteien (345 zu 324), lag sie 2002 – auch wegen der Verkleinerung des Bundestags – nur noch mit neun Stimmen vorn (306 zu 297).

Das bedeutete, dass schon fünf Gegenstimmen aus der Koalition genügen würden, der Regierung die Mehrheit im Bundestag zu verweigern. Doch was würde die rot-grüne Koalition mit ihrer wieder gewonnenen Regierungsmacht anfangen? In dieser Einleitung werden die Geschicke der zweiten rot-grünen Regierung knapp und überblicksartig in vier Phasen dargestellt.

1 Fehlstart: Konzeptionslosigkeit und Kakophonie

Schon für die erste Legislaturperiode von Rot-Grün haben wir konstatiert, dass die Konstellation vor allem für die Grünen ein „Projekt war, während die SPD darin lediglich eine Option neben anderen sah (Egle et al. 2003: 12). Soweit Rot- Grün überhaupt ein Projekt war, dürfte es im Wesentlichen in einer ökologischen Modernisierung der Ökonomie und einer postmaterialistischen Gesellschaftspolitik bestanden haben.

Vieles aus diesem Programm war in der ersten rot-grünen Wahlperiode bereits abgearbeitet worden, auch der Wahlkampf 2002 hatte nur begrenzt deutlich gemacht, was von einer zweiten rot-grünen Regierung zu erwarten sein würde. Entsprechend war 2002 ein großer Unterschied zu Wahlsieg und Regierungsbildung vier Jahre zuvor spürbar, nicht zuletzt symbolisch: „Vor vier Jahren, bei der Unterschrift des ersten Koalitionsvertrages, gab es Sonnen- blumen, rote Nelken, viel Sekt und verheißungsvolle Reden. Diesmal gibt es Mineralwasser, keine Fragen, keine Antworten (Geyer et al. 2005: 230), so kommentierten der Regierung prinzipiell wohl gesonnene Journalisten des „Spiegel.

Weder der Koalitionsvertrag noch die erste Regierungserklärung am 29. Oktober 2002 vermittelten Aufbrauchstimmung: „Es ist die erste Regierungserklärung nach der Wahl, Rot-Grün stellt sich vor zur zweiten Runde, aber es sieht so aus, als habe nicht einmal die Regierung selbst Lust darauf (Geyer et al. 2005: 231).

Das Ausbleiben einer Aufbruchstimmung dürfte mit dem Fehlen eines gemeinsamen Projektes zu tun gehabt haben, mit dem die Wähler hätten überzeugt werden können. Franz Walter hatte bereits Anfang 2003 attestiert, „dass Rot- Grün früher als jede andere Regierungsallianz zuvor nicht mehr wusste, was sie eigentlich wollte. (…) Seit etwa zweieinhalb Jahren ist Rot-Grün ohne politische Plattform, und Perspektive – ja: „Rot-Grün ist in gewisser Weise das sinn- und begründungsloseste Regierungsbündnis seit Bestehen der Bundesrepublik (Walter 2005: 109f.).

Auch wenn diese Einschätzung übertrieben erscheint bzw. im Kontext überhöhter Erwartungen zu verstehen ist, bleibt der rasante Verlust Rot- Grüns als Versinnbildlichung eines zukunftsgerichteten Reformprojektes erklärungsbedürftig.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Vorwort9
Der Episode zweiter Teil – ein Überblick über die 15. Legislaturperiode11
1 Fehlstart: Konzeptionslosigkeit und Kakophonie11
2 Kurswechsel: Die „Agenda 2010“ als Leitmotiv der Legislaturperiode13
3 Reformpause: Implementierung und Akzeptanzbeschaffung16
4 Vorgeschichte zum Überraschungscoup: Der Weg zum Machtverlust17
5 „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“? Warum stellte Gerhard Schröder die Vertrauensfrage?19
6 Zur Fragestellung des Bandes22
Literatur24
I. Parteien und Strategien27
Bundestagswahl 2005: Rot-Grün abgewählt. Verlierer bilden die Regierung29
1 Einleitung29
2 Die 15. Legislaturperiode32
3 Die Bewertung der Parteien39
4 Kanzlerkandidaten42
5 Themen und Parteikompetenzen46
6 Sozialstruktur47
7 Schlussbetrachtung55
Literatur57
Eine Frage des Vertrauens. Die vorzeitige Parlamentsauflösung zwischen rechtlichem Anspruch und politischem Streit60
1 Einführung60
2 Das sparsame Grundgesetz: Die Möglichkeiten der vorzeitigen Parlamentsauflösung in der Bundesrepublik61
3 Die Erfahrungen mit der Vertrauensfrage in der Bundesrepublik vor 200563
4 Die Vertrauensfrage des Jahres 200564
5 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vertrauensfrage69
6 Die Konsequenzen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 200574
7 Fazit79
Literatur80
Die blockierte Partei – Regierungspraxis und Programmdiskussion der SPD 2002- 200583
1 Einleitung: eine verbindungslose und diskontinuierliche Debatte83
2 Probleme und Inhalte der Programmdebatte85
3 Parteiinterne Strömungen und Kontroversen89
4 Fazit: Strategie- und Diskursversagen95
Literatur96
In der Regierung erstarrt? Die Entwicklung von Bündnis 90/ Die Grünen von 2002 bis 200598
1 Einleitung98
2 Rückblick: Das Erbe der ersten vier Jahre99
3 Beherrschende Themen und Konflikte während der 15. Legislaturperiode101
4 Kalt erwischt: Die Kündigung des rot-grünen Projekts durch die SPD116
5 Die Zukunft der Grünen im 5-Parteiensystem119
Literatur121
Zwischen Kooperation und Verweigerung: Die Entwicklung des Parteienwettbewerbs 2002-2005124
1 Die Bedeutung des Parteienwettbewerbs124
2 Das Angebot: Die Positionierung der Oppositionsparteien126
3 Die 15. Legislaturperiode im Spiegel von Umfragen und Wahlen134
4 Parteienwettbewerb und Reformpolitik145
Literatur148
Organisierte Interessen und Rot-Grün: Temporäre Beziehungsschwäche oder zunehmende Entkoppelung zwischen Verbänden und Parteien?151
1 Einleitung151
2 Ausgangslage nach der Bundestagswahl 2002153
3 Die Stimmung zwischen Verbänden und Bundesregierung155
4 Strukturveränderungen in der Interessenvermittlung in der Bundesrepublik?160
5 Bewertung und Ausblick164
Literatur165
Der Pragmatiker des Augenblicks: Das Politikmanagement von Bundeskanzler Gerhard Schröder 2002- 2005168
1 Politikmanagement in Deutschland168
2 Handlungskorridore des Regierens171
3 Fazit191
Literatur192
Nicht genutzte Chancen der Föderalismusreform197
1 Einleitung197
2 Strukturprobleme und Reformbedarf198
3 Woran ist die Reform gescheitert?200
4 Das Quadrilemma einer Reform der Kompetenzordnung204
5 Die notwendige Reform der Finanzverfassung209
6 Fazit211
Literatur213
Anschieber oder Bremser? Das Bundesverfassungsgericht und die Reformpolitik der rot- grünen Bundesregierung215
1 Einleitung215
2 Zum Verhältnis von Gesetzgeber und Verfassungsgericht in liberalen Demokratien217
3 Die Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung221
4 Rot-grüne Reformpolitik im Spiegel der Urteile des Bundesverfassungsgerichts222
5 Fazit: Das Bundesverfassungsgericht – Anschieber oder Bremser rot- grüner Politik?234
Literatur237
II. Politikfelder240
Auf dem Weg zum Sanierungsfall? Die rot-grüne Finanzpolitik seit 2002241
1 Einleitung: Der Tragödie zweiter Teil?241
2 Es ist nicht genug, zu wollen, man muss auch tun: Steuerpolitik unter Rot- Grün242
3 Zu unseren Tugenden sollen andere das Geld hergeben: rot-grünes Paradigma der Haushaltspolitik?258
4 Grau ist alle Theorie: Ein Fazit266
Literatur267
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik – große Reform mit kleiner Wirkung?271
1 Einleitung und Fragestellung271
2 Arbeitslosigkeit: Entwicklung und Struktur272
3 Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik: Strategien und Instrumente in der Diskussion274
4 Die Reformvorschläge der Hartz-Kommission in Gesetzgebung und Implementation278
5 Vom korporatistischen Policy-Netzwerk zur locker verkoppelten Anarchie?285
6 Schlussbemerkungen291
Literatur291
Die Sozialpolitik der zweiten rot-grünen Koalition ( 2002- 2005)295
1 Einleitung295
2 Kurswechsel in der Sozialpolitik der zweiten rot-grünen Koalition296
3 Neuerungen und Nichtentscheidungen302
4 Hintergründe der sozialpolitischen Kurswechsel in der zweiten rotgrünen Koalition304
5 Bilanz der Sozialpolitik am Ende von Rot-Grün307
Literatur310
Gender-Screening: Rot-grüne Sozialpolitik als Geschlechterpolitik313
1 Sozialpolitik als Geschlechterpolitik313
2 Von der Ernährer-Sozialpolitik zum Zuverdienerin-Modell315
3 Rot-grüne Geschlechterpolitik: Nicht alles anders, aber vieles besser?319
4 Fazit: Finanzpolitik als Geschlechterpolitik328
Literatur330
Weder Rot noch grün. Machterosion und Interessenfragmentierung bei Staat und Verbänden in der Gesundheitspolitik334
1 Ausgangslage und Problemstellung334
2 Unvollendete Gesundheitspolitik durch Machterosion der rot-grünen Regierung335
3 Fragmentierung staatlicher und verbandlicher Akteure in der Gesundheitspolitik344
4 Fazit und Ausblick: Parteienarena statt Mesokorporatismus351
Literatur352
Die Bildungspolitik von 2002 bis 2005: Eine Misserfolgsgeschichte und ihre Ursachen355
1 Einleitung355
2 Handlungskontext und Akteurskonstellation in der Bildungspolitik356
3 Das Politikerbe der Legislaturperiode 1998-2002358
4 Die Bildungspolitik 2002-2005: Große Rückschläge und kleine Erfolge360
5 Die Bildungspolitik in der Föderalismusreformdebatte371
6 Fazit373
Literatur376
Rot-Grün und die Pfeiler des deutschen Kapitalismus379
1 Einleitung379
2 Die korporativistisch-soziale Variante des organisierten Kapitalismus384
3 Dimensionen der Transformation389
4 Fazit403
Literatur404
Von der Reformpolitik zur Restriktionspolitik? Die Innen- und Rechtspolitik der zweiten Regierung Schröder408
1 Einleitung408
2 Die Programmatik der zweiten Regierung Schröder409
3 Gesetzgebung im Bereich Innen- und Rechtspolitik410
4 Analyse des Politikfeldes426
Literatur430
Nichts Neues unter der Sonne? Zwischen Ideensuche und Entscheidungsblockade – die Umweltpolitik der Bundesregierung Schröder 2002- 2005431
1 Einleitung431
2 Modernes umweltpolitisches Regieren – die Bilanz der Regierung Schröder 2002- 2005433
3 Diskussion und Analyse448
Literatur450
„….um diesen deutschen Weg zu Ende gehen zu können.“ Die Renaissance machtpolitischer Selbstbehauptung in der zweiten Amtszeit der Regierung Schröder- Fischer453
1 „My Way“ – Eine Einführung453
2 Bilanz der Bilanzen455
3 Die Renaissance machtpolitischer Selbstbehauptung: Eine idealtypische Präzisierung und drei illustrative Beispiele460
4 Ein Fall von Überdeterminiertheit? Versuch einer Erklärung466
5 Schröders Weg? Perspektiven deutscher Außenpolitik nach Rot-Grün473
Literatur475
Einsamkeit durch Zweisamkeit? Die Europapolitik der zweiten Regierung Schröder480
1 Einleitung: Deutschlands Europapolitik unter französischem Vorzeichen?480
2 Die Erosion und Neuerrichtung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes483
3 Die Lasten der Agrarpolitik490
4 Die Abgrenzung Europas: Die Erweiterung der Gemeinschaft494
5 Die Konstitutionalisierung Europas: Vom Werden einer Verfassung496
6 Ein Ende in der Krise – in die Krise ohne Ende?500
7 Viel bewegt, wenig erreicht? Gestaltungswille und Gestaltungsgrenzen der rot- grünen Regierung in der Europapolitik502
Literatur505
III. Fazit510
Projekt oder Episode – was bleibt von Rot-Grün?511
1 Einleitung511
2 Das Profil der Regierungspolitik von 2002 bis 2005: weder rot noch grün?512
3 Erklärungsfaktoren518
4 Schluss: Was bleibt vom rot-grünen Projekt?530
Literatur533
Autorenverzeichnis537

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