Energie steht am Anfang von allem
In der westlichen Welt glaubten die Menschen viel zu lange, das Körpergewicht sei das Maß für Gesundheit und der Maßstab, an dem sie sich messen lassen müssten. Doch sowohl wissenschaftliche Erkenntnisse als auch medizinische Erfahrung haben gezeigt, dass eine Konzentration auf das Gewicht lediglich dazu führt, dass einmal verlorene Pfunde wieder zurückkommen – und noch ein paar dazu. Ein wesentlich besserer Gradmesser für Wohlbefinden ist die Energie – ich bin der Meinung, dass sie die eigentliche »Gesundheitswährung« darstellt. Ich möchte, dass sich die Menschen fragen, warum sie müde sind, und dass sie den Ehrgeiz entwickeln herauszufinden, wie sie das ändern können. Denn – seien wir ehrlich – wenn wir erschöpft sind, ist alles im Leben viel, viel schwieriger.
Jeder Mensch verfügt über eine energetische Grundausstattung, wenn er zur Welt kommt. Auf der rein physischen Ebene spielen die Eizelle und das Spermium, aus denen wir hervorgehen, eine wesentliche Rolle für diese energetische Grundausstattung. Die können wir uns vorstellen wie ein Guthaben, das uns tagein, tagaus die Energie zur Verfügung stellt, damit unser Körper funktioniert, wächst und – falls nötig – wieder gesund wird. Allerdings sind wir so konstruiert, dass wir dieses ursprüngliche Energieguthaben immer wieder auffüllen müssen, mit dem, was wir aus Essen, Schlafen, Arbeiten, Spielen, Lernen und Lieben an Energie gewinnen. Wir haben jeden Tag Ausgaben und Einnahmen, wir vergrößern unseren Energievorrat oder wir verkleinern ihn. Doch wenn die Tendenz mehr und mehr in Richtung »steigende Ausgaben, sinkende Einnahmen« geht, geraten wir in die roten Zahlen und laufen Gefahr, immer tiefer abzurutschen.
Irgendwann werden wir gezwungen sein, unsere eisernen Reserven anzugreifen – um im Bild der Gesundheitswährung zu bleiben. Wenn wir von unserem Energieguthaben immer nur abheben, läuten irgendwann die Alarmglocken, dass unser Leben in Gefahr ist. Diese Alarmsignale treten in Form von körperlichen Symptomen auf – anfänglich sind es zumeist solche, die uns noch nicht davon abhalten, zur Arbeit zu gehen. Und so machen wir weiter wie gehabt und tun nichts dagegen. Oder wir fangen an, die Symptome mit Medikamenten zu bekämpfen, statt uns um eine Lösung zu bemühen. Angenommen, Sie bekommen jeden Nachmittag um 15 Uhr Kopfschmerzen: Ursache dafür ist wohl kaum ein Mangel an Schmerztabletten; trotzdem verhalten sich viele Menschen so, als sei genau dies der Fall.
Zu den Symptomen, die anzeigen, dass wir unsere Energiereserven angreifen, zählen unter anderem Müdigkeit, Niedergeschlagenheit, ängstliche Unruhe, Teilnahmslosigkeit, wenig erholsamer Schlaf oder Schlaflosigkeit, Konzentrationsprobleme, häufige Infekte, Steifigkeit, Verdauungsprobleme, »unerklärliche« Veränderungen bei den Fettdepots, Zeichen für beschleunigte Alterungsprozesse. Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie unser Körper uns zu verstehen gibt, dass wir körperlich, geistig oder emotional erschöpft sind.
Die Symptome können uns leider nicht mit Worten sagen, was wir tun sollen; es ist unsere Aufgabe, die Signale zu entschlüsseln. Wenn unsere Energievorräte zur Neige gehen, tut unser Körper alles in seiner Macht Stehende, um uns mitzuteilen, dass es höchste Zeit ist, kürzerzutreten, auszuruhen, zu entgiften, sich auszukurieren, wieder aufzutanken. Viel zu viele Menschen beachten diese Zeichen nicht, werfen die nächste Pille ein oder tun die »Wehwehchen« mit »Ich werde wohl alt« ab. Ich hatte tatsächlich schon 25-jährige Klientinnen, die tatsächlich meinten, ihre unglaubliche Müdigkeit käme daher, dass sie alt würden. Darauf erwidere ich nur: »Sie machen wohl Witze.« Wenn jemand mit 25 erschöpft ist, sollte er oder sie sich schleunigst darum kümmern, die Ursache dafür zu finden! In diesem Alter sollten die Energielevel eigentlich dauernd groß und grenzenlos sein.
Wenn wir das Leben von einer höheren Warte aus betrachten und uns ansehen, wie unsere Vorfahren instinktiv mit ihrem Körper umgegangen sind (bevor uns Marketingexperten erzählt haben, wie wir leben sollen), dann erkennt man – sofern man das mit gesundem Menschenverstand tut –, dass wir weder für eine sitzende Lebensweise noch für Marathonläufe gebaut sind. Wir können nicht ohne eine angemessene Menge Sonnenlicht leben oder uns aus der Natur und ihren Rhythmen ausklinken. Wir sind nicht dafür gemacht, mit extrem wenig Schlaf auszukommen und Nahrung in Form verkleideter E-Nummern oder hochgradig verarbeiteter Fertigprodukte aufzunehmen. Wir sind nicht dafür gemacht, uns von No-fat- oder No-carb-Diäten zu ernähren. Und unsere Gehirne sind nicht dafür gebaut, ständig mit großen Mengen von geistigem und emotionalem Stress umzugehen. Wir sind auch nicht dafür gemacht, ohne frische Luft zu leben. Und doch treffe ich immer wieder Menschen, die morgens in einer klimatisierten Wohnung aufwachen, mit dem Aufzug in die Tiefgarage fahren, in ein Auto mit Klimaanlage einsteigen, zur Arbeit fahren, das Auto in der Tiefgarage unter dem klimatisierten Büro abstellen, wo sie den Tag verbringen, bevor sie wieder den Aufzug zur Tiefgarage nehmen, um in ihrem klimatisierten Auto zurück in ihre klimatisierte Wohnung zu fahren.
Wir können nicht gegen unsere Biologie leben, obwohl nicht wenige Menschen genau das zu tun scheinen. Eine abgrundtiefe, nicht enden wollende Müdigkeit ist möglicherweise eines der Symptome, die uns unser Körper schenkt (jawohl: schenkt), um uns zu zeigen, dass wir anders essen, trinken, atmen, uns bewegen sowie denken und uns und unsere Umwelt wahrnehmen sollten. Das Problem ist, ohne Energie kann es ziemlich schwierig werden, sein Leben hoffnungsfroh neu auszurichten, einfach weil man zu erschöpft ist, um mehr als das absolut Notwendige zu tun und die erforderlichen Ressourcen für eine solche Veränderung aufzubringen. Ich hoffe, dieses Buch kann Ihnen die Ressourcen zur Verfügung stellen, die Sie brauchen.
Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge gibt es den »modernen« Menschen (Homo sapiens) seit etwa 150 000 Jahren. Mit jeder Generation haben wir uns weiterentwickelt und bis in die jüngste Vergangenheit lebten und arbeiteten wir in Einklang mit den Jahreszeiten – weil wir gar keine andere Wahl hatten. Viele innere Rhythmen entstanden im Laufe dieser Zeit und im Zusammenhang mit dieser Lebensweise; einer davon ist der circadiane Rhythmus oder Tagesrhythmus. Dieser Rhythmus ist an der Steuerung vieler Systeme und Vorgänge in unserem Körper beteiligt, etwa der Ausschüttung von Hormonen, Verdauungsenzymen und Neurotransmittern oder der Regelung der Körpertemperatur und des Schlaf-Wach-Rhythmus. Wenn der normale Tagesrhythmus gestört ist, kann es zu verschiedenen Schlafstörungen bis hin zur Schlaflosigkeit kommen. Auch Fettleibigkeit, Diabetes Typ 2, Depressionen, manisch-depressive Erkrankungen und jahreszeitlich bedingte depressive Verstimmungen stehen offenbar mit einem gestörten Tagesrhythmus im Zusammenhang.
Die übergeordnete »Uhr«, die die circadianen Rhythmen steuert, besteht aus einer Gruppe von Nervenzellen, die als »suprachiasmatischer Nucleus« (abgekürzt SCN) bezeichnet wird. Der SCN enthält etwa 20 000 Nervenzellen und liegt im Hypothalamus, einem Teil des Gehirns, der sich direkt über der Kreuzung der von den Augen zum Gehirn laufenden Sehnerven befindet.
Die circadianen Rhythmen spielen für den Schlaf eine enorm wichtige Rolle. Der SCN reguliert die Herstellung von Melatonin, einem unserer Schlafhormone. Und da er genau über den Sehnerven liegt, die Informationen von den Augen zum Gehirn leiten, erhält der SCN Information über die eintreffende Lichtmenge. Kommt weniger Licht an, was normalerweise in der Nacht der Fall ist, veranlasst der SCN das Gehirn zu verstärkter Melatoninbildung, und das macht uns schläfrig. Leider halten sich viele Menschen abends zu lange in zu hellem Licht auf. Die Art und Weise, wie wir leben, veranlasst die Umgebung, in der wir uns aufhalten, entsprechende Signale an die »zuständigen Stellen« – insbesondere unser Hormonsystem – zu schicken; diese Signale lösen ihrerseits Signalketten aus, die unter Umständen Auswirkungen auf unsere wichtigsten Rhythmen haben. In diesem Buch geht es darum, was Sie tun können, um diese Vorgänge positiv zu beeinflussen und in der Folge Ihr Energieguthaben wieder aufzufüllen oder zu vergrößern.
Betrachten Sie Ihr Energielevel als Zeichen Ihrer Gesundheit und nehmen Sie einen Mangel an Energie als Hinweis wahr, dass Ihre Körpersysteme »aus der Spur« sind, weil sie Signale bekommen, die ihre Funktion beeinträchtigen. Dieses Buch soll Ihnen helfen, die Faktoren zu identifizieren, die Ihr Energieniveau beeinflussen, Faktoren, denen Sie vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. Sehen Sie Energie unter diesem Blickwinkel, während Sie das Buch lesen.
Was tun Sie beispielsweise, wenn morgens der Wecker klingelt? Springen Sie aus dem Bett, dankbar für den neuen Tag und voller Vorfreude auf alles, was da kommen mag? Oder ächzen Sie und haben Mühe, wach zu werden, und fragen sich, wie es um alles in der Welt schon wieder Zeit zum Aufstehen sein kann? Wenn die zweite Beschreibung auf Sie zutrifft: Geht es Ihnen auch in anderen Lebenssituationen so, dass Sie sie wie im Halbschlaf erleben?
Ohne krank zu sein und in der Blüte ihres Lebens haben Zwanzig-, Dreißig-, Vierzig- und Fünfzigjährige das Gefühl, erschöpft und überfordert zu sein, ihr Körper ist steif und schmerzt und ihr Gedächtnis schwächelt. Morgens fühlen sie sich nicht erholt vom Schlaf, und es fehlt ihnen an Energie, um das zu...