2 Prozess der Verdauung
Die wesentlichen Aufgaben des Verdauungstrakts sind die Aufnahme, Zerkleinerung, Verdauung und Resorption von Nährstoffen sowie die Ausscheidung von nicht verwertbaren Substanzen und somit die Deckung des Energiebedarfs.
Abb. 2.1: Übersicht Verdauungstrakt
2.1 Mundhöhle
Das Verdauungssystem beginnt mit der Mundhöhle. Die Nahrung wird durch den Speichel aufgeweicht und mithilfe der Zähne zerkleinert. Die Mundhöhle wird begrenzt
- oben durch den harten und weichen Gaumen,
- unten durch die Zungenunterseite und Mundbodenmuskulatur,
- seitlich durch die Zähne,
- hinten durch den Rachen.
Abb. 2.2: Blick in den geöffneten Mund
Abb. 2.3: Oberer Verdauungstrakt
2.2 Speicheldrüsen
Täglich werden ca. 1,5 l Speichel gebildet. Die Speichelsekretion wird begünstigt durch Geruch, Geschmack und Kaubewegungen.
Merke
Kaubewegungen fördern den Speichelfluss und helfen so, Keimbesiedelung zu vermeiden.
Der Speichel besteht zu 99 % aus Wasser, dazu kommen antibakteriell wirksame Substanzen und α-Amylase, die Kohlenhydrate spaltet). Er wird gebildet in den drei großen, paarigen Speicheldrüsen:
- Ohrspeicheldrüse (Glandula parotidea),
- Unterkieferspeicheldrüse (Glandula submandibularis),
- Unterzungendrüse (Glandula sublingualis).
2.3 Rachen (Pharynx)
Der Rachen ist ein länglicher muskulärer Schlauch. Er verbindet die Mundhöhle mit der Speiseröhre und die Nasenhöhle mit dem Kehlkopf. Der Rachen wird unterteilt in:
- Nasenrachen (Epipharynx) mit Öffnung zur Nasenhöhle,
- Mundrachen (Mesopharynx) mit Verbindung zur Mundhöhle,
- Kehlkopfrachen (Hypopharynx), geht in die Speiseröhre über und öffnet sich zum Kehlkopf.
2.4 Speiseröhre (Ösophagus)
Die Speiseröhre ist ein langer Muskelschlauch, der den Rachen mit dem Magen verbindet. Sie gelangt durch eine Öffnung im Zwerchfell in den Bauchraum und anschließend in den Magen. Die Speiseröhre besitzt drei physiologische Engen:
- Ringknorpelenge, auf Höhe des Kehlkopfs,
- Aortenenge, auf Höhe des Aortenbogens,
- Zwerchfellenge, beim Zwerchfelldurchtritt.
Schluckakt
Durch die Zunge wird die zerkleinerte und gleitfähige Nahrung gegen den weichen Gaumen (Gaumensegel) gedrückt. Dadurch wird der unwillkürliche Schluckreflex ausgelöst. Das Gaumensegel verschließt bei gleichzeitiger Kontraktion der Rachenwand den Nasenrachen und die Nasenhöhle. Der Kehlkopfdeckel legt sich über den Kehlkopfeingang. Durch Kontraktionen wird die Nahrung in der Speiseröhre weiter in Richtung Magen transportiert. Der untere Schließmuskel des Ösophagus erschlafft und die Nahrung gelangt in den Magen. Beim gleichzeitigen Schlucken und Atmen schließt der Kehlkopfdeckel nicht vollständig und es gelangen Nahrungsbestandteile in den Kehlkopf, wodurch reflexartig Hustenreiz ausgelöst wird.
2.5 Magen (Gaster)
Der Magen dient als Reservoir für die aufgenommene Nahrung. Die Drüsen der Magenschleimhaut bilden Magensäure, durch die zur Verdauung und Durchmischung der Nahrung beiträgt. Der Nahrungsbrei wird weiter in den Dünndarm befördert, wenn er bis zu einem Millimeter zerkleinert ist.
Abb. 2.4: Magen
Flüssigkeiten nehmen den kürzesten Weg über die Magenstraße und werden somit schneller transportiert als feste Bestandteile. Die Zusammensetzung der Nahrung bestimmt die Verweildauer im Magen. Es werden zuerst Kohlenhydrate, dann Eiweiße und zum Schluss Fette weitertransportiert.
Der Magen besteht aus mehreren Abschnitten:
- Kardia (Mageneingang): Übergang von der Speiseröhre in den Magen,
- Korpus (Magenkörper): größter Teil des Magens, hier wird die Nahrung aufgenommen,
- Fundus (Magengrund): oberhalb der Kardia gelegen, hier sammelt sich die beim Essen verschluckte Luft,
- Antrum (Pförtnerhöhle): Durch peristaltische Wellen wird der Nahrungsbrei durchmischt und in kleinen Portionen weitergegeben,
- Pylorus (Magenpförtner): verschließt den Magenausgang, Nahrungsbrei wird periodisch in den Dünndarm befördert.
Die Schleimhaut des Magens setzt sich aus verschiedenen Zellarten zusammen, denen unterschiedliche Aufgaben zukommen:
- Hauptzellen produzieren Pepsinogen: Pepsinogen wird in Pepsin umgewandelt und spaltet Nahrungseiweiße sowie einen Teil der Fette;
- Belegzellen bilden Salzsäure und den Intrinsic Factor: Die Salzsäure tötet Bakterien ab und wandelt Pepsinogen in Pepsin um, das zur Eiweißverdauung benötigt wird. Der Intrinsic Factor wird zur Resorption von Vitamin B 12 benötigt.
- Nebenzellen bilden einen alkalischen Schleim: Damit wird der Magen vor Selbstverdauung geschützt.
2.6 Dünndarm
In kleinen dünnlumigen Portionen wird der Nahrungsbrei durch den Pyloris in das Duodenum weitergegeben. Der Dünndarm besteht aus drei Abschnitten und dient als Resorptions- und Verdauungsorgan:
- Zwölffingerdarm (Duodenum): beginnt hinter dem Magenpförtner (Pylorus), hier münden Gallen- und Pankreasgang ein,
- Leerdarm (Jejunum)
- Krummdarm (Ileum): Mündet an der Dickdarmklappe (Ileozökalklappe) in den Dickdarm ein.
Der Dünndarm ist das Hauptverdauungsorgan. Um diese Aufgabe zu erfüllen, ist seine Oberfläche stark vergrößert. An der Oberflächenvergrößerung sind beteiligt:
- Kerckring-Falten: Ringförmig verlaufende Schleimhautfalten,
- Zotten: Ausstülpungen der Kerckring-Falten,
- Mikrovilli: winzige Ausstülpungen, die in der Gesamtheit als Bürstensaum bezeichnet werden.
Abb. 2.5: Dünndarmzotten
Abb. 2.6: Mikrovilli
Der Dünndarm dient nicht nur der Verdauung, sondern ist auch wichtiger Bestandteil des Immunsystems. Zahlreiche Lymphfollikel (Peyer-Plaques), sie sich hauptsächlich im Ileum und im Appendix vermiformis (Blinddarm) befinden, sorgen für die Immunabwehr. In den Brunner-Drüsen und den Becherzellen wird der Verdauungssaft produziert; darüber hinaus fließen die alkalischen Verdauungssäfte aus dem Pankreas, der Leber und der Galle in den Darm.
Rhythmische Bewegungen sorgen für eine gute Durchmischung der Nahrungsbestandteile. Peristaltische Bewegungen befördern den Speisebrei weiter in Dickdarm. Das Ileum kann grundsätzlich alle Nährstoffe resorbieren, übernimmt diese Aufgabe jedoch erst, wenn die oberen Abschnitte überlastet oder krankhaft verändert sind.
Die Resorption von Vitamin B12 und die Rückresorption von Gallensalzen kann nur über das terminale Ileum erfolgen. Bis der Speisebrei den Dünndarm endgültig passiert hat, können bis zu 10 Stunden vergehen.
2.7 Dickdarm
An der Ileozökalklappe mündet das Ileum in den Dickdarm. Der Dickdarm besteht aus fünf Teilen:
- Blinddarm (Caecum) mit Wurmfortsatz (Appendix vermiformis),
- aufsteigender Dickdarm (Colon ascendens),
- querverlaufender Dickdarm (Colon transversum),
- absteigender Dickdarm (Colon descendens),
- S-förmiger Dickdarm (Colon sigmoideum).
Im Dickdarm werden die unverdauten Nahrungsmittelreste durch Resorption von Wasser und Elektrolyten eingedickt. Bei genügender Füllung des Sigmas setzt der Defäkationsakt ein.
Abb. 2.7: Dickdarm
2.8 Bauchspeicheldrüse (Pankreas)
Die Bauchspeicheldrüse wird unterteilt in Kopf, Körper und Schwanz. Sie produziert verschiedene Hormone:
- Insulin,
- Glukagon,
- Somatostatin.
Der Pankreassaft erfüllt eine wichtige Aufgabe bei der Verdauung: Er neutralisiert den sauren Speisebrei und enthält verschiedene Verdauungsenzyme, die ihre Wirkung erst im alkalischen Milieu des Dünndarms entfalten.
2.9 Leber
Abb. 2.8: Leber
Die Leber ist das größte Stoffwechselorgan und setzt sich aus mehreren Läppchen zusammen:
- rechtem Leberlappen,
- linkem Leberlappen,
- geschwänztem Leberlappen,
- quadratischem Leberlappen.
Zwischen dem geschwänzten und dem quadratischem Leberlappen liegt die Leberpforte, an der die Leberarterie und die Pfortader eintreten. Der Gallengang verlässt an dieser Stelle die Leber. Verdauungsrelevante Aufgaben der Leber sind: