In einem YouTube-Video, das mittlerweile knapp zehn Millionen Mal aufgerufen wurde, charakterisiert Sir Ken Robinson divergentes Denken u.a. als die Fähigkeit, auf eine simple Frage wie „Was kann man mit einer Büroklammer anfangen?“ möglichst viele Antworten zu geben. Im Durchschnitt sind 10-15 Antworten zu erwarten. Werden 200 oder mehr erreicht, spricht man von einem Genie auf dem Gebiet des divergenten Denkens. Erstaunlicherweise gibt es eine Bevölkerungsgruppe, die fast nur aus solchen Genies besteht: die Kindergartenkinder. Vielleicht ist es die Unbefangenheit des kindlichen Denkens, das noch nicht in das Korsett schulischer Erwartungen gepresst wurde, die dafür sorgt, dass uns Kinder auch mit ihren Fragen immer wieder zum (Er)Staunen und zum Nachdenken und bestenfalls zum Philosophieren bringen. Denn das Wesen der Philosophie besteht bekanntlich – frei nach Jaspers – nicht in den Antworten, sondern in den Fragen. Das besondere Potenzial kindlichen Fragens, Staunens und Philosophierens bildet den Ausgangspunkt für die einzelnen Beiträge in diesem Heft. Bernhard Rank stellt philosophische Aspekte in der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur an Einzelbeispielen vor und rückt dabei vor allem die Rolle des Lesers in den Vordergrund. Dass auch das Fernsehen Anlass zu philosophischen Betrachtungen bieten kann, zeigt Christina Ulm in ihrem Beitrag: Denn aktuelle Serien wie Lost, Dexter oder Breaking Bad bieten sowohl in thematischer als auch ästhetischer Hinsicht zahlreiche Anknüpfungspunkte zur (philosophischen) Anschlusskommunikation. Die Muminbücher der finnlandschwedischen Autorin Tove Jansson, deren Übersetzungen in Deutschland vermehrt von Kindern und Erwachsenen gelesen werden, werfen Fragen existenzieller, aber auch alltäglicher Art auf, die den Lesern zum Nachdenken anregen. Mareike Jendis beleuchtet diese verschiedenen Fragen, indem sie mögliche Schwerpunkte innerhalb einzelner Muminbücher betont und, sowohl am Text als auch mit Bezug auf die Bilder, deren philosophisches Potenzial vorstellt. Im Beitrag von Swantje Rehfeld über Kitty Crowthers Bilderbuch Der kleine Mann und Gott werden die Bilder in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt und es wird der Frage nachgegangen, wie Bildverstehen (unter besonderer Berücksichtigung ihrer Selbstreferentialität) funktioniert. Florian Dietz wirft in seinem Beitrag einen didaktischen Blick auf (Sach)Bücher zum Philosophieren für Kinder der Primarstufe. Axel Krommer zeigt, wie sich im Philosophieunterricht mit einem innovativen Web-Tool Phasen analytisch-diskursiver und kreativ-produktiver Textarbeit verbinden lassen. Ein Unterrichtsmodell liefert Romy Brüggemann, die am Beispiel des (ambivalent diskutierten) Erfolgsroman Nichts. Was im Leben wichtig ist von Janne Teller vorstellt, welche Fragen der Roman für jugendliche Leser bereit hält und wie diese in einem angemessenen Unterricht thematisiert werden können. Den abschließenden Beitrag im Thementeil stellt ein praxisorientierter Werkstattbericht von Kristina Calvert dar. Im Spektrum liegt der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Leseförderung und Lesekultur. Ada Bieber bezieht ihre Überlegungen auf die Möglichkeiten der Schulbüchereien, während Barbara Knieling das Weiterbildungskonzept Lese- und Literaturpädagogik vorstellt. Editorial von Ricarda Dreier
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