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Erziehung und soziale Milieus

Elterliche Erziehungsstile in milieuspezifischer Differenzierung

AutorSylva Liebenwein
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl311 Seiten
ISBN9783531909240
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis69,99 EUR
Die Arbeit erfasst Erziehungserfahrungen und Erziehungsstile von Angehörigen aller sozialen Milieus auf Basis von qualitativen, problemzentrierten Interviews mit Müttern und Vätern von Kindern im Vorschulalter. Nach einem Blick auf Begrifflichkeiten und aktuelle Erkenntnisse der Erziehungsstilforschung hinsichtlich der Genese und der Auswirkungen von Erziehungsstilen widmet sich Sylva Liebenwein im empirischen Teil der Darstellung, Diskussion und Interpretation der milieuspezifischen Ergebnisse vor dem Hintergrund bereits vorliegender Befunde.

Sylva Liebenwein ist wissenschaftliche Assistentin an der LMU München.

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Leseprobe
2 Theoretische Zugänge (S. 23-24)

2.1 Zum Begriff „Erziehungsstil"

Der Begriff „Erziehung" ist, obwohl in aller Munde, weder in der Alltagssprache noch in der Wissenschaft klar definiert: „Der scheinbar eindeutige ‚Gegenstand’ Erziehung zerfließt, wann immer er eindeutig bestimmt werden soll" (Oelkers 1991b, 237). Auch ist die in pädagogischen Lehrbüchern (vgl. z.B. Gudjons 61999) teils so deutlich anmutende Abgrenzung zwischen den Begriffen Sozialisation, Enkulturation, Bildung und Erziehung bei genauerer Betrachtung unterschiedlicher Ansätze völlig unklar. Sie ist weder unumstritten möglich noch geschieht sie einheitlich (vgl. Brezinka 1989). Brezinka spricht in diesem Zusammenhang von einer „Begriffsverwirrung" (1989, 191), Oelkers von „bis zur Unkenntlichkeit verschiedenen Ansätze[n]" (2001, 255).

Diese „Verwirrung" hinsichtlich des Erziehungsbegriffes beeinträchtigt die Definierbarkeit von Erziehungszielen und Erziehungserfolgen: „Wenn aber immer unklar werden kann oder muß, was Erziehung ist, fällt es auf gleicher Linie schwer, anzugeben, wozu sie dienen soll oder zu was sie gut ist" (Oelkers 1991b, 237). Ziel dieses Kapitels kann es nicht sein, definitorische Ansätze erschöpfend darzustellen und zu diskutieren. Vielmehr sollen Gemeinsamkeiten, zentrale Unterschiede und kritische Überlegungen zu einigen exemplarisch ausgewählten Definitionen herausgearbeitet werden. Im Anschluss sei ein Erziehungsverständnis dargelegt, das für die vorliegende Arbeit Gültigkeit besitzt.

2.1.1 Metaphern von Erziehung

Es bestehen einige Ansätze, die das Grundverständnis von Erziehung verschiedenen Bildern zuordnen. So unterscheidet z.B. Kron sechs Bilder der Erziehung:

„1. Erziehung als Ziehen, 2. Erziehung als Führung, 3. Erziehung als Regierung und Zucht, 4. Erziehung als Wachsenlassen, 5. Erziehung als Anpassung, 6. Erziehung als Lebenhelfen" (1988, 173). Treml weist darauf hin, dass die unterschiedlichen Bilder von Erziehung sich letztlich zwei konträren Metaphern vom Erziehungsprozess zuordnen lassen (vgl. Treml 1991). 1. In einer Metapher gilt die erziehende Person als „Handwerker", der „einen angestrebten Zweck mit Hilfe bestimmter Mittel und Methoden handelnd anstrebt" (Treml 1991, 347, Hervorhebung im Original).

Sie wirkt intentional auf die Entwicklung des zu Erziehenden ein. Dieses Bild impliziert ein Machbarkeitsdenken hinsichtlich der Entwicklung des zu Erziehenden: Erziehung gilt als „herstellendes Machen" (ebd., Hervorbebung im Original). 2. Die andere bildliche Vorstellung begreift den Erzieher als Gärtner oder Bauern, der durch Pflege und Schutz, nicht aber durch Eingreifen das wachsen Lassen des Zöglings, das als natürlicher Entwicklungsprozess verstanden wird, begleitet – „Erziehung heißt hier begleitendes Wachsenlassen" (ebd., Hervorhebung im Original).

Diese Vorstellung geht davon aus, dass alle Anlagen zu einer positiven Entwicklung im Kinde selbst bestünden und die notwendige Zeit und Reifung diese bei möglichst wenig Eingriffen zum Wachsen brächten. Die Metapher des Erziehers als Handwerker rekurriert auf John Lockes Sensualismus, auch sind dieser Erziehungsvorstellung Schleiermacher und Herbart verhaftet. Das Bild vom Gärtner lässt sich bis zu Jean-Jacques Rousseau zurückverfolgen, auch sind ihm die Auffassungen Kierkegaards und Nietzsches nahe (vgl. Oelkers 2001). In seinem Werk „’Führen’ oder ‚Wachsenlassen’" hat Theodor Litt (1927) den Versuch vorgenommen, beide Konzepte zu verbinden – ausgehend von der Annahme, dass weder das reine Führen noch das Wachsen lassen allein den Erziehungsprozess erschöpfend beschreibe bzw. zielführend sei.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung8
Vorwort10
Inhalt14
Abbildungsverzeichnis16
Abstract18
1 Erziehungsforschung als vernachlässigte Disziplin der Erziehungswissenschaft?20
2 Theoretische Zugänge24
2.1 Zum Begriff „Erziehungsstil“24
2.2 Zum Konzept der Sozialen Milieus38
3 Einblicke in den Forschungsstand50
3.1 Einflussfaktoren auf den Erziehungsstil50
3.2 Auswirkungen von Erziehungsstilen52
4 Eigene Untersuchung56
4.1 Problemstellung56
4.2 Zielsetzung56
4.3 Fragestellung58
4.4 Methodische Herangehensweise59
4.5 Vorbereitung und Durchführung der Erhebungen65
4.6 Aufbereitungs- und Auswertungsverfahren67
4.7 Milieuspezifische Ergebnisse: Elterliche Erziehungsstile in den Sozialen Milieus69
5 Milieuvergleichende Synthese unter Einbeziehung vorliegender Befunde242
5.1 Einschränkungen der Vergleichbarkeit242
5.2 Erziehungsstile der Befragten vor dem Hintergrund ihrer Erziehungserfahrungen246
6 Prävention und Intervention in den sozialen Milieus286
6.1 Milieutypische Risikofaktoren zur Beeinträchtigung der Erziehungskompetenz286
6.2 Wandel des Erziehungsstils – Möglichkeiten und Grenzen289
6.3 Konsequenzen: Verpflichtende Prävention durch Elternkurse291
Literaturverzeichnis296

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