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Es ist MEIN Leben!

Wie junge Frauen sich von Erwartungsdruck und Perfektionswahn befreien

AutorLinda Papadopoulos
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783641164621
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Erfolg in Studium und Beruf, harmonische Beziehungen und ausreichend Zeit für Freunde, Familie und Hobbies - und dabei noch ein schönes und schlankes Profilbild auf Facebook. Klingt unmöglich ... ist es auch. Die Psychologin Linda Papadopoulos zeichnet ein treffendes Bild von den Erwartungen und Anforderungen, die heutzutage auf junge Frauen zukommen und gibt wertvolle Tipps, damit jede Frau zufrieden und selbstsicher ihren eigenen Weg findet.

Dr. Linda Papadopoulos ist eine renommierte britische Psychologin und als solche in der englischen Medienwelt als Fachkommentatorin sehr präsent. In ihrer beliebten Kolumne in der Cosmopolitan steht Linda Papadopoulos bereits seit zwölf Jahren jeden Monat vielen Leserinnen in wichtigen Lebensfragen beiseite.

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Leseprobe

Schlankheits- und Schönheitswahn

»Es ist immer da, egal wie viel du leistest,

egal wie gut du in etwas bist,

immer bleibt da diese Befürchtung,

dass letztendlich doch nur zählt,

wie hübsch oder wie schlank du bist …«

Camilla (26)

Meine Tochter Jessie kam 2002 zur Welt. Damals arbeitete ich sowohl wissenschaftlich als auch therapeutisch intensiv zum Thema Körperbild, und mir wurde zunehmend bewusst (noch mehr als bereits im Studium), auf welch gefährliche Weise der Wunsch nach körperlicher Perfektion sich in die Psyche junger Frauen schleicht. Daraufhin schrieb ich mein erstes Buch, Spieglein, Spieglein, und dachte beim Schreiben oft an Jessie. Wenn ich mein perfektes kleines Mädchen betrachtete, war mir der Gedanke unerträglich, sie könne eines Tages in den Spiegel blicken und ihr Spiegelbild hassen – so wie es mir die Frauen und Mädchen in meiner Praxis tagtäglich erzählten. Wenn ich heute auf jenes Buch zurückblicke, hat sich gar nicht so viel verändert. Das Körperbild besteht immer noch aus den Gedanken, der Wahrnehmung und den Gefühlen eines Menschen zum eigenen Körper, die Beschäftigung mit dem eigenen Körper führt nach wie vor zu allgemeiner Unzufriedenheit mit dem Leben, und die Werte der gegenwärtigen Gesellschaft betonen weiterhin, wie Frauen ihren Körper wahrnehmen und wertschätzen.

Einiges hat sich seither aber auch weiterentwickelt. Technische Fortschritte und die Verzahnung zwischen Medien und Gesellschaft führen dazu, dass wir nicht nur überall mehr Bilder von Perfektion sehen, sondern auch von uns selbst mehr Bilder machen als je zuvor. So gehen wir unbewusst zunehmend idealisierten Vorstellungen von Schönheit und Perfektion auf den Leim, während wir uns gleichzeitig bewusst bemühen, diese zu replizieren – zumeist erfolglos. Also fühlen wir uns am Ende immer unzulänglich.

Wichtig daran ist die Erkenntnis, dass das Körperbild weit über die Wahrnehmung unserer körperlichen Merkmale hinausgeht. Es ist das innere Bild, das wir von uns haben, das Bild, das wir verwenden, wenn wir darüber nachdenken, wer wir sind. Und damit ist es in der Lage, unsere Selbstachtung zu beeinflussen, unsere Entscheidungsfindung und sogar unsere Überzeugung, wer wir sind, wie wir in diese Welt passen und was wir von der Welt erwarten sollten.

Unser Körperkult, die Akzeptanz von chirurgischen Eingriffen allein zu Zwecken der »Perfektion« und die Vorstellung, dass schlanke Menschen bessere Menschen sind, haben uns in von sich selbst besessene Äußerlichkeiten-Junkies verwandelt. Wir planen, überdenken, erschaffen und optimieren unser Erscheinungsbild mit größter Hingabe und Ernsthaftigkeit. Doch je intensiver wir uns mit unserem Äußeren beschäftigen, desto leichter machen wir uns selbst zum Objekt. Wir sehen im Spiegel nicht mehr uns selbst, sondern prüfen unablässig, wie wir wohl auf andere wirken. Der amerikanische Psychologenverband APA beschreibt diese Selbstobjektifizierung als landesweite Epidemie1, und auf der europäischen Seite des Atlantiks ist dies nicht anders. Bei einer Umfrage für die britische Regierung zur Sexualisierung junger Menschen war die Selbstobjektifizierung ein zentrales Thema, das immer wieder aufkam.2

Selbstobjektifizierung bedeutet nicht nur, sich selbst aus der Perspektive eines Dritten zu betrachten und damit alle inneren Eigenschaften zu ignorieren, die die eigene Persönlichkeit ausmachen. Sie bringt auch eine chronische Überwachung des körperlichen Erscheinungsbildes mit sich – und dies geht auf Kosten dessen, womit man sich sonst beschäftigen könnte. Eine Untersuchung zu der Frage, ob Frauen mit einer besseren inneren Körperwahrnehmung ihren Körper weniger leicht als Objekt einstufen, kam zu interessanten Ergebnissen.3 Man bat dafür gesunde junge Frauen zwischen 19 und 26, »auf ihren Körper zu lauschen«, indem sie sich auf ihren Herzschlag konzentrierten und ihren Puls zählten. Die Genauigkeit dieser »Herzschlagsaufgabe« wurde mit dem Grad der Selbstobjektifizierung verglichen. Dabei zeigte sich: Je exakter die Frauen ihren eigenen Herzschlag beobachteten, desto weniger wahrscheinlich sahen sie ihren Körper als Objekt an.

Solche Befunde sind wichtig, weil sie bestätigen, dass eine ständige Selbstbetrachtung aus der Sicht Dritter die tatsächliche Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner Funktionen einschränkt. Gleichzeitig legen sie die Vermutung nahe, dass Frauen, die zu Selbstobjektifizierung neigen, verstärkt ihre körperliche Leistungsfähigkeit oder auch ihre Gesundheit abwerten.

Überlegen Sie einmal, wie sehr dies Ihre Fähigkeit einschränkt, sich auf gesunde Weise auf das Leben einzulassen. Stellen Sie sich vor, Sie spazieren am letzten Ferientag am Strand entlang. Eine Frau, die sich selbst zum Objekt macht, konzentriert sich darauf, wie die anderen Spaziergänger sie wahrnehmen, und ist so sehr mit ihren Haaren oder ihrem Sarong beschäftigt, dass sie gar nicht dazu kommt, die Sonne auf den Schultern oder den Sand zwischen den Zehen zu genießen. Es geht nicht mehr primär um das persönliche Erlebnis, sondern man überlegt unablässig, wie man dabei wohl auf andere wirkt. Die Erfahrung ist nicht mehr meine eigene, sondern hängt von dem ab, was andere Menschen meiner Meinung nach gerade über mich denken! Was bedeutet das in Bezug auf die Fähigkeit, das Beste aus dem eigenen Leben zu machen?

In dem amerikanischen Dokumentarfilm Miss Representation von 2011 (in meinen Augen Pflicht für alle, die den Einfluss der Medien auf das heutige Selbstbild von Frauen verstehen wollen) heißt es, dass Frauen, die sich selbst objektifizieren, verstärkt zu Depressionen, Essstörungen, schlechteren Noten, weniger Selbstvertrauen und Ehrgeiz und sogar rückläufigen kognitiven Leistungen tendieren. Diese Erkenntnisse, die durch diverse Studien untermauert werden,4 sind ausgesprochen beunruhigend. Überlegen Sie selbst, was dies in Bezug auf Gleichberechtigung, die Gesellschaft sowie das berufliche und häusliche Umfeld und sogar auf die politische Willensbildung bedeutet: Zunehmende Selbstobjektifizierung geht auch mit geringerer politischer Einflussnahme einher; das heißt, hier könnte eine ganze Generation Frauen heranwachsen, die weniger bereit ist, für ein politisches Amt zu kandidieren oder auch nur zu wählen!

Den Einfluss dieses Phänomens und den Schaden, den es anrichten kann, hat der französische Philosoph Michel Foucault 1977 sehr treffend formuliert:

»Waffen, körperliche Gewalt, materielle Zwänge, das alles ist nicht nötig. Es reicht ein Blick. Ein kritischer Blick, den jede Einzelne derart (verinnerlicht), dass (sie) am Ende [ihre] eigene Aufseher(in) ist und somit jede() Einzelne über und gegen sich selbst die Oberaufsicht ausübt.«5

Selbstobjektifizierung hat das Potenzial, den Fortschritt der Frauen in vielerlei Hinsicht auf fundamentale Weise zu behindern. Wir können mehr – so viel mehr! – als nur gut auszusehen, doch bis uns das klar ist, werden wir weiterhin nicht nur unser seelisches und körperliches Wohlbefinden beschneiden, sondern das menschliche Grundrecht, nicht perfekt zu sein.

Wer ist die Dünnste im ganzen Land?

Ab der Pubertät wird die Meinung der Peergroup, also von Gleichaltrigen und Gleichgestellten, sehr wichtig für uns, und unser Leben lang können wir uns nicht mehr gänzlich von ihr lösen. Mädchen und Frauen orientieren sich aneinander, um herauszufinden, was wichtig ist – wie man denken und was man tun sollte –, und vergleichen sich mit anderen, um festzustellen, wie gut sie sich schlagen. Die Theorie des sozialen Vergleichs besagt, dass wir uns deshalb an anderen Menschen und sozialen Standards allgemein messen, weil die meisten Meinungen und Einstellungen, denen wir begegnen, nicht objektiv auswertbar sind. Die Orientierung an Gleichaltrigen und sozialen Normen ist zumindest die zweitbeste Lösung.

Dabei ist zu bedenken, wie die heutige Welt strukturiert ist. Die Tage der Großfamilien, in denen wir mit mehreren Generationen Kontakt hielten und an der Weisheit einer Großtante oder Großmutter Anteil haben konnten, sind vorbei. Menschen bewegen sich heute vielfach vornehmlich in der eigenen Altersklasse (»Altersstratifizierung«), das heißt, wir werden ab der Adoleszenz mit Gleichaltrigen mit den gleichen Sorgen und Unsicherheiten zusammengetrieben. Das geht so weit, dass manche Theorien Berufsschulen, Hochschulen und Universitäten als »Brutstätten für Essstörungen« bezeichnen.6 Im Mittelpunkt dieser Theorie steht die Erkenntnis, dass die Normen der Gruppen, in denen wir leben, allgegenwärtig sind – man isst zusammen, lebt zusammen, arbeitet und feiert zusammen. Besonders einflussreich sind solche Normen in Zeiten, wo man neue Erfahrungen macht. Man möchte dazugehören, also versucht man, sich ein Bild davon zu machen, was als normal gilt, und passt sich so gut wie möglich an. Ab einem bestimmten Punkt verwandeln sich solche Vergleiche jedoch in einen Wettbewerb. Dann werden die Dinge problematisch.

Forschungen zufolge nehmen Fehlwahrnehmungen zur Selbsteinstufung mit der Zeit an Fahrt auf. Anfangs glaubt eine Frau vielleicht, sie hätte ungefähr das gleiche Gewicht wie alle Frauen um sie herum. Ein Jahr später hegt sie den Verdacht, alle anderen würden abnehmen, sie selbst hingegen hätte zugenommen7, und schon beginnt sie eine Diät, um den subjektiven Kontrollverlust auszugleichen. Dieser Ansatz schaukelt sich dann leicht hoch, bis nicht mehr die Person selbst...

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