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Essstörungen und Adipositas: Akzeptanz verkörpern

Formen körperorientierter Gruppentherapien

AutorSilvia Wiesmann, Thea Rytz
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl289 Seiten
ISBN9783456951980
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Der Lebensstil in westlichen Industrienationen ist dominiert von Zeit- und Leistungsdruck, Bewegungsmangel, Konsum- und Schönheitsidealen und der damit einhergehenden Entfremdung von einem schlichten Alltag mit sinnlich nährenden Bezügen. Immer mehr Menschen versuchen, emotionale Schwierigkeiten und konfliktreiche Beziehungen zu bewältigen, indem sie ihren Körper manipulieren oder versuchen, ihre körperliche Befindlichkeit zu ignorieren. Sie pendeln zwischen zu viel und zu wenig Kontrolle, werden ängstlich, zwanghaft oder süchtig. Essstörungen und Adipositas sowie subklinische Formen von Essverhaltensstörungen haben in allen westlichen Ländern zugenommen.
Hier sind Therapien gefragt, die sowohl auf der körperlichen als auch auf der emotionalen Ebene ansetzen und Betroffene wieder in achtsamen Bezug zu sich und ihrer Umwelt bringen. In diesem Buch schildern zehn erfahrene Therapeutinnen, wie sie in klinischen Gruppensettings Körperpsychotherapien in der Behandlung von Menschen mit Essstörungen und Adipositas anwenden. Sie vertreten die Vielfalt der aktuell wichtigsten körperorientierten Methoden. Darüber hinaus bieten sie Modelle an, wie Akzeptanz verkörpert wird. Ihre therapeutische Arbeit ist von Respekt für die PatientInnen und wohlwollender Präsenz getragen. Nicht zuletzt dadurch können psychisch und körperlich belastete Menschen neue Wahrnehmungs- und Handlungsspielräume entdecken, destruktive Bewältigungsmuster ablegen und sich Schritt für Schritt auf einen Weg der Selbstfürsorge begeben.

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Kapitelübersicht
  1. INHALTSVERZEICHNIS
  2. VORWORT
  3. AKZEPTANZ VERKÖRPERN – EINLEITUNG
  4. «ICH KONNTE WIEDER MAL LACHEN»
  5. HEILSAMES BERÜHREN UND BERÜHRTWERDEN
  6. WACHSEN UND GEDEIHEN IM MITEINANDER
  7. DA BIN ICH. ICH HABE EIN GEWICHT.
  8. EINEN TIEFEREN ZUGANG ZU SICH SELBST FINDEN
  9. BEWEGUNG BERÜHRT
  10. VERSÖHNUNG MIT PRALINÉ UND CO.
  11. ANKOMMEN DÜRFEN
  12. «WAS HAT DAS DENN MIT ABNEHMEN ZU TUN?»
  13. «ICH KANN ES JA MAL PROBIEREN» – SPIELRAUMIM UMGANG MIT AMBIVALENZ
  14. METHODENBESCHRIEB
  15. GLOSSAR
Leseprobe
Adipositas liegt gemäß der Definition der WHO (World Health Organization) ab einem Body-Mass-Index von 30 vor, wobei drei Schweregrade unterschieden werden, zu deren Abgrenzung ebenfalls der BMI herangezogen wird (siehe Seite 276). Adipositas wird mit somatischen und psychischen Begleitund Folgeerkrankungen in Verbindung gebracht. Zu den wichtigsten körperlichen Folgen gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Metabolisches Syndrom, Arteriosklerose, Schlaganfälle, Schlafapnoe-Syndrom, Arthrose und ein erhöhtes Risiko für Darmund Brustkrebs. Außerdem wird ein Body-Mass-Index über 33 mit einer erhöhten Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen assoziiert (Stevens et al., 1999; Carnethon et al., 2012). Psychische Komorbiditäten im Zusammenhang mit Adipositas sind noch wenig erforscht. Leiden PatientInnen an Adipositas in Verbindung mit einer Essstörung (z.B. Binge Eating), sind sie häufiger von psychischen Erkrankungen wie Angstund affektiven Störungen betroffen (Wonderlich et al., 2003). Zudem besteht ein erhöhtes Risiko für Suchtund Zwangsstörungen und Depressivität (Markowitz, 2008) und nicht zuletzt auch soziale Isolation aufgrund gesellschaftlicher Stigmatisierung (Hudson et al., 2007; Hilbert et al., 2008).

AKTUELLE VERBREITUNG VON ADIPOSITAS, ESSSTÖRUNGEN UND ESSVERHALTENSSTÖRUNGEN SOWIE KÖRPERUNZUFRIEDENHEIT

Adipositas stellt eine der größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheitsversorgung dar und wird von der WHO sogar als Epidemie des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Die WHO schätzt, dass im Jahre 2015 weltweit ca. 2,3 Milliarden Erwachsene übergewichtig und mehr als 700 Millionen adipös sein werden (Seidell, 2000). Von Übergewicht betroffen sind sowohl Erwachsene (Seidell & Rissanen, 2004) als auch Kinder und Jugendliche (Sherry & Dietz, 2004). In der Schweiz hat der Anteil der übergewichtigen Kinder zugenommen. In der Gruppe der 6bis 13-Jährigen ist ca. jedes zehnte Kind übergewichtig. Zwischen 1960/65 und 2007 stieg die Adipositasprävalenz in der Gruppe der 6bis 12/13-jährigen Kinder bei den Jungen von praktisch 0% auf 5,4% und bei den Mädchen von 0% auf 3,2%. Schätzungen zufolge wird der Anteil an adipösen Kindern 2022 bei den Jungen 4,3% und bei den Mädchen 3,4% betragen (Schneider et al., 2009). Laut Bundesamt für Gesundheit hat sich der Anteil der Schweizer Bevölkerung, der an Übergewicht leidet, in den letzten 15 Jahren von 24,9% auf 29,2% erhöht. Die Gruppe der adipösen Personen wuchs von 5,4% auf 8,1% an. Besonders ausgeprägt war die Gewichtszunahme bei der männlichen Bevölkerung, während der Anteil der übergewichtigen Frauen (29%) an der Bevölkerung der Schweiz schon etwa seit dem Jahr 2000 stabil ist und in den nächsten 15 Jahren auf diesem Niveau bleiben dürfte. Der rasche Anstieg des Übergewichts, der in den letzten zwei Jahrzehnten in der Schweiz zu beobachten war, hat sich verlangsamt (Schneider et al., 2009). Die Ernährungssituation in Deutschland wurde 2008 durch die Nationale Verzehrstudie erhoben (Wittig et al., 2008). Deren Daten zeigen, dass insgesamt 58,2% der TeilnehmerInnen übergewichtig (37,4%) oder adipös (20,8%) sind. In Bezug auf die Geschlechter konnte festgestellt werden, dass die Adipositasprävalenz bei Männern 20,5% und bei Frauen 21,1% beträgt. Die Entwicklung der Adipositasprävalenz zeigt in den letzten 20 Jahren bei Männern eine Zunahme um relative 39%, bei Frauen um 44%. Eine weitere Zunahme fand sich in den letzten Jahren vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, während die Zahlen bei älteren Erwachsenen eher stabil sind. Auch der Anteil an extrem Adipösen hat in Deutschland in den letzten Jahren weiter zugenommen. In Österreich ist die Prävalenz der Adipositas in den letzten Jahren stark angestiegen. Die Gesundheitsbefragung aus den Jahren 2006/2007 zeigt, dass dort mehr als die Hälfte der männlichen Bevölkerung als übergewichtig (43%) oder als adipös (12%) zu bezeichnen ist. Bei den Frauen sind 29% übergewichtig und 13% adipös. In ganz Europa sind Schätzungen zufolge über 50% der 35bis 65-Jährigen übergewichtig oder adipös. Die Rate der Adipositas liegt dabei zwischen 10–20% bei Männern und 10–25% bei Frauen. Im europaweiten Vergleich sind in der Schweiz die wenigsten Menschen von Adipositas betroffen. Dem European Nutrition and Health Report zufolge sind die höchsten Prävalenzen an Übergewicht und Adipositas sowohl bei Männern als auch bei Frauen in Griechenland vorzufinden. Auch in Finnland, Deutschland, Ungarn und Großbritannien sind hohe Raten an Übergewicht und Adipositas bei beiden Geschlechtern ermittelt worden (Loureiro & Nayga, 2005).

Gemäß der oben zitierten Zürcher Studie erkranken in der Schweiz 3,5% Menschen an einer Essstörung (Magersucht, Bulimie oder Binge Eating): 5,3% der Frauen und 1,5% der Männer. In Frankreich, Belgien und Italien sind die Werte und die Geschlechterverhältnisse ähnlich. In Deutschland und den Niederlanden hingegen erkranken nur 1–2% der Bevölkerung an Essstörungen. Der europäische Durchschnitt ist mit 2,5% niedriger als in der Schweiz, wobei die Schweizer Studie die bisher umfangreichste, methodisch sorgfältigste und damit aussagekräftigste ist (Schnyder et al., 2012). Ein Vergleich der verschiedenen Essstörungen zeigt Folgendes: Mit einem Wert von 0,7% hat die Schweiz eine ähnliche Lebenszeitprävalenz für Magersucht wie Europa mit 0,5% und Nordamerika mit 0,6%. Unterscheidet man nach Geschlechtern, dann liegt die Schweiz bei den Frauen mit 1,2% über dem europäischen (0,9%) und dem nordamerikanischen (0,9%) Durchschnitt. Auch bei Bulimie liegt der Schweizer Wert mit 1,7% höher als in Europa (0,5%) und den USA (1,0%) (Preti et al., 2009; Hudson et al., 2007). Wird bei Bulimie nach Geschlechtern unterschieden, dann übersteigt die schweizerische Lebenszeitprävalenz mit einem Wert von 2,4% bei Frauen den europäischen (0,9%) sowie den amerikanischen Wert (1,5%) (Schnyder et al., 2012, 49–55). An Magersucht erkranken fünfmal mehr Frauen als Männer, bei Bulimie ist das Verhältnis 10:1 (Bushnell et al., 1990).

Eine in den Vereinigten Staaten durchgeführte Studie ergab für Binge Eating eine Häufigkeit von 2% der Normalbevölkerung. 4–9% der adipösen Menschen sind davon betroffen, und in Therapiegruppen mit dem Ziel der Gewichtsreduktion waren 30% der TeilnehmerInnen an einer Binge-Eating-Störung erkrankt. In der Schweiz geht man in Bezug auf Binge Eating von einer Verbreitung von 1,6% aus, einem Wert, der niedriger ist als in den USA und etwas höher als in sechs anderen europäischen Ländern (1,1%) (Schnyder et al., 2012). Binge Eating tritt bei Frauen etwa 1,5-mal häufiger auf als bei Männern (De Zwaan, 2002).

Die Analyse der internationalen Literatur zur Prävalenz von Essstörungen zeigt, dass die Resultate der verschiedenen Studien Unterschiede aufweisen, beispielsweise gibt es eine Streuung hinsichtlich der Verbreitung von Magersucht von 0,4 bis 8,1% (Hoek & van Hoeken, 2003; Hudson et al., 2007). Der Grund dafür liegt in der relativ niedrigen Prävalenz der Essstörungen in der allgemeinen Bevölkerung und in methodologischen Schwierigkeiten. Betroffene nehmen das eigene Essverhalten oft nicht als pathologisch wahr oder schämen sich und vermeiden daher den Kontakt mit dem Gesundheitssystem» (Hoek, 2006; Schnyder et al., 2012, 11). Man könnte vermuten, dass die höhere Schweizer Essstörungsrate mit der im europäischen Vergleich niedrigeren Übergewichtsund Adipositasprävalenz zusammenhängt und zeigt, dass in der Schweiz intensiver auf ein Gewicht im Normbereich geachtet wird, vielleicht mit der Konsequenz eines erhöhten Risikos, an einer Essstörung zu erkranken.

Die Zahlen der subklinischen Formen von Essverhaltensstörungen sind alarmierend: 50% der neunbis zehnjährigen Mädchen gaben in einer deutschen Studie an, sie wären gerne dünner, und jede Fünfte unter ihnen hat bereits aktiv versucht abzunehmen (Berger et al., 2005). Wie das Robert Koch-Institut 2006 in seiner KiGGS-Studie zur Kinderund Jugendgesundheit ermittelte, der bisher größten Untersuchung auf diesem Gebiet, in der mehr als 17'000 Jugendliche befragt wurden, hat bereits jedes zweite Mädchen im Alter von 11 bis 13 Jahren Diäterfahrung, und zwischen 14 und 17 Jahren zeigt jede Dritte ein gestörtes Essverhalten (KiGGS, 2008). Auch internationale Studien, vor allem aus den USA, berichten von einer erschreckenden Verbreitung auffälligen Essverhaltens (Berger, 2008, 39). 12% der befragten weiblichen Jugendlichen und 6% der Frauen gaben 2006 in einer US-amerikanischen Studie an, regelmäßig extreme Praktiken der «Gewichtskontrolle» anzuwenden wie Erbrechen oder die Einnahme von Medikamenten: Diätpillen, Entwässerungsoder Abführmittel (Grilo, 2006). Dass die Unzufriedenheit mit der eigenen Figur unter deutschen Jugendlichen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, zeigt auch die «Dr.-Sommer-Studie 2009» der Jugendzeitschrift «Bravo», bei der 1200 repräsentativ ausgewählte Mädchen und Jungen befragt wurden: Nur noch jedes zweite Mädchen zwischen 11 und 17 Jahren ist mit seinem Aussehen grundsätzlich zufrieden; 2006 waren es noch zwei von drei Mädchen. Bei den Jungen finden nach wie vor 69% ihren Körper «vollkommen okay» (FrauenSicht, 3/2009, 4).
Inhaltsverzeichnis
INHALTSVERZEICHNIS6
VORWORT8
AKZEPTANZ VERKÖRPERN – EINLEITUNG12
«ICH KONNTE WIEDER MAL LACHEN»48
HEILSAMES BERÜHREN UND BERÜHRTWERDEN68
WACHSEN UND GEDEIHEN IM MITEINANDER84
DA BIN ICH. ICH HABE EIN GEWICHT.100
EINEN TIEFEREN ZUGANG ZU SICH SELBST FINDEN122
BEWEGUNG BERÜHRT152
VERSÖHNUNG MIT PRALINÉ UND CO.168
ANKOMMEN DÜRFEN186
«WAS HAT DAS DENN MIT ABNEHMEN ZU TUN?»216
«ICH KANN ES JA MAL PROBIEREN» – SPIELRAUMIM UMGANG MIT AMBIVALENZ242
METHODENBESCHRIEB270
GLOSSAR279

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