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Familie werden – Paar bleiben

Wie man einen wichtigen Lebensübergang meistert

AutorBettina Jellouschek-Otto, Hans Jellouschek
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783456753881
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Souverän erklären die Bestsellerautoren, was sich für Paare beim ersten Kind in ihrer Beziehung ändert und wie sie diese kritische Lebensphase gut gemeinsam bewältigen können. Alles ändert sich, wenn das erste Kind kommt. Nun plötzlich zu dritt zu sein, das ist bei aller Freude ein tiefer Einschnitt in die bisherige Zweisamkeit. Oft wird dies zur Bewährungsprobe für eine Paarbeziehung. Was sollten Paare wissen und was sollten sie lernen, damit dieser Übergang in eine neue Lebensphase gelingt und auch die lebendige Liebe der Partner nicht auf der Strecke bleibt? Wie können Paare mit ihren Unsicherheiten, mit den Erwartungen an den Partner, mit der neuen Mutter- und Vaterrolle sowie auch mit dem Einfluss alter Rollenbilder richtig umgehen? Wie lassen sich neu entstehende Konflikte, wie z. B. rund um die Sexualität, besser verstehen und lösen? Diese und viele andere Fragen behandeln die Autoren vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrung in der Paartherapie und Paarberatung. Anhand von Fallbeispielen sowie auch von Übungen zur Achtsamkeit, zur Stressbewältigung und zur Gesprächsführung geben sie konkrete Hilfestellungen. Ein Buch, das Mut macht und Paaren zeigt, dass diese großen Veränderungen die Chance beinhalten, persönlich zu reifen und darüber hinaus als Partner inniger zusammenzufinden.

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Leseprobe

[11]1. Kapitel:
Krisen und Übergänge im Leben des Paares

Kinder, die in der heutigen Zeit geboren werden, sind in aller Regel erwünschte Kinder. In Zeiten, als eine Geburtenregelung noch eine sehr unsichere Angelegenheit war, war dies wohl in vielen Fällen anders. Insofern sprechen wir mit Recht bei einer Geburt von einem «freudigen Ereignis». Aber wie schnell und unvorhergesehen das «freudige Ereignis» der Geburt, jedenfalls der Geburt des ersten Kindes, zu einer erheblichen Krise werden kann, wurde uns an der folgenden Erfahrung aus einer Paartherapie deutlich:

Jonas und Mara (in diesem und allen folgenden Fallbeispielen haben wir die Namen zum Schutz unserer Klienten geändert) hatten schon in der Schwangerschaft an einigen Paartherapie-Sitzungen teilgenommen, um sich auf die Zeit nach der Geburt vorzubereiten. Zuversichtlich hatten sie der Geburt entgegengesehen. Nun kamen sie zum ersten Mal – vier Wochen danach – wieder zum vereinbarten Termin. Und beide waren ziemlich aufgebracht! Nichts von dem, was sie sich vorgenommen hatten, funktionierte. Aus Maras Sicht zog sich Jonas viel zu oft aus der Verantwortung für den kleinen Samuel und hatte mit seinen Korrekturarbeiten als Lehrer immer eine gute Ausrede. Aus Sicht von Jonas war Mara viel zu perfektionistisch, sie wusste immer alles besser.

[12]Selbst im Therapieraum war es hauptsächlich Mara, die das unruhige Baby permanent herumtrug und alle Angebote von Jonas abwies, ihr den Kleinen auch einmal abzunehmen. Erst allmählich konnte die Therapeutin das Gespräch darauf lenken, was die beiden in den vergangenen Wochen alles miteinander Großartiges an Neuem erlebt hatten und auch an Umstellung, an individuellem und gemeinsamem Einsatz geleistet hatten. Als dadurch ein wenig Ruhe einkehrte, erklärte sie ihnen:

«Was Sie beide jetzt gerade erleben, ist normal! Es gehört zu diesem Übergang vom Paar zur Familie dazu. Und es ist auch gut, dass Sie mit Ihren Bedürfnissen nicht hinterm Berg halten. Sie werden nun miteinander immer wieder aushandeln müssen, wie sie diese aufeinander abstimmen, und das wird in den nächsten Monaten für Ihre Beziehung entscheidend sein. Im Geburtsvorbereitungskurs hat man Ihnen ja auch nicht gesagt: Wenn Sie alles, was Sie hier lernen, beherzigen, dann wird die Geburt nicht schmerzhaft sein, oder? Die Hebamme hat versucht, Sie auf den Schmerz vorzubereiten. Und schon das macht ihn besser erträglich.»

Schmerz ist besser zu ertragen, wenn er einen Sinn bekommt. Diesen Sinn in seinen unterschiedlichen Facetten auch in allen Schwierigkeiten der ersten Zeit des Eltern-Werdens zu finden, das wird auch Thema der folgenden Kapitel sein. Ein erster Schritt wird sein, den kritischen Übergang vom Paar zur Familie zunächst in einen größeren Zusammenhang zu stellen – und herauszuarbeiten, dass Krisen in Lebensübergängen der Partner etwas Normales, ja Notwendiges sind, damit es nicht zu Stagnation und Erstarrung kommt.

[13]Der Lebenszyklus des Paares

Wenn ein Kind geboren wird, verändert sich die Lebenssituation des Paares von Grund auf. Ein völlig neuer Lebensabschnitt beginnt. Doch das ist nicht der einzige Übergang, den es im Leben des Paares zu bewältigen gilt.

Unser Leben, auch unser Zusammenleben als Paar, ist gekennzeichnet von – mehr oder weniger einschneidenden – Übergängen. Ohne solche Übergänge gäbe es keine Entwicklung, und ohne Entwicklung würde unser Leben erstarren. Bevor wir deshalb auf die spezielle Situation des Paares im Übergang zur Elternschaft eingehen, wollen wir uns dieses allgemeine Gesetz des Lebens und des Zusammenlebens von Paaren anschauen. Folgendes Modell, das freilich nicht in allen Einzelheiten jedem Paar entspricht, gibt gute Orientierung über die Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung von Paaren über die Lebenszeit hin.

Abb. 1 Modell eines Paar-Lebenszyklus: Die «Jahreszeiten» der Liebe

[14]Wir unterscheiden nach diesem Modell vier Hauptphasen in der Entwicklung des Paares, sozusagen die «vier Jahreszeiten der Liebe»: den «Frühling», die Phase des jungen, verliebten Paares, den «Sommer», die Familienphase, den «Herbst», die Phase des Paares in der zweiten Lebenshälfte, und den «Winter», die Altersphase. Natürlich lassen sich diese Phasen nicht so streng voneinander abgrenzen, wie diese Einteilung es nahelegt. Denn – hoffentlich! – wird von der Liebe des Anfangs auch noch etwas in den weiteren Phasen fortbestehen, und die zweite Lebenshälfte des Paares ist ja am Übergang in die Altersphase noch nicht zu Ende. Die Übergänge sind im konkreten Leben fließender. «Familien»-Phase ist außerdem oft nicht im strengen, sondern in einem «weiteren» Sinn zu verstehen: Es ist die Zeit, wenn sich das Paar entschlossen hat, das Leben gemeinsam zu verbringen und auch den Alltag miteinander zu teilen, ob mit oder ohne Kinder. Es ist auch die Zeit, in der ein Elternteil allein mit dem Neugeborenen lebt, weil die beiden miteinander kein Paar sein wollen oder können.

Das vorgeschlagene Modell passt allerdings bei weitem nicht auf alle Arten von Paaren, zum Beispiel nicht auf Patchwork-Paare, bei denen – um nur ein Beispiel zu nennen – der Mann Kinder aus der ersten Ehe hat, die schon groß sind, die sehr viel jüngere neue Frau aber noch einen starken eigenen Kinderwunsch verspürt. Als Paar sind die beiden noch in der ersten, der Verliebtheitsphase, der Mann aber befindet sich mit seiner Geschichte zusätzlich und gleichzeitig bereits auch in der Phase der zweiten Lebenshälfte und hat vielleicht «von Kindern genug»… Auch wenn man unser Modell hier nicht eins zu eins übertragen kann, ermöglicht es auch in «abweichenden» Paar-Situationen eine gute Orientierung, um lebenszyklusbedingte Probleme zu erkennen und besser zu verstehen.

Wofür ist dieses Modell außerdem hilfreich? Es macht uns die wesentlichen Übergänge, die ein Paar in seinem Zusammenleben zu bewältigen hat, deutlich. Da ist zunächst der Übergang[15] vom verliebten Paar zum Paar, das auch den Alltag miteinander teilen wird (oft besiegelt durch eine formelle Eheschließung) und sich entscheidet, Kinder zu haben. Dieser Übergang wird uns in diesem Buch ausführlich beschäftigen. Dann folgt der Übergang in die zweite Lebenshälfte des Paares, oft auch «Nach-Familien-Phase» genannt, nicht weil die Kinder keine, sondern weil sie nicht mehr eine so zentrale Rolle spielen und weil das Paar sich oft in dieser Phase als Paar wieder neu finden muss. Schließlich der Übergang in die Altersphase, der oft angezeigt wird durch den Beginn des beruflichen Ruhestands des einen oder beider Partner und der das Paar noch stärker wieder aufeinander verweist, nicht zuletzt durch die allmählich einsetzenden physischen und geistigen Einschränkungen, die in den Lebensvollzug integriert werden wollen.

Die Lebensübergänge, die wir bisher genannt haben, sind wie Brücken in ein Land jenseits eines Tales oder Flusses, ein neues Land. Wir freuen uns meist auf das, was wir dort drüben haben werden, weil es uns bisher gefehlt hat: als junges Paar miteinander ein Kind zu bekommen oder in der Nach-Familien-Phase wieder mehr den eigenen Rhythmus zu leben und Eigenständigkeit pflegen zu können; oder auch in der Zeit des Ruhestands den Zwängen des Arbeitslebens entronnen zu sein und nun Zeit für Reisen und Genuss zu haben. Gleichzeitig bringen es solche Brücken-Überschreitungen aber auch mit sich, dass wir bekanntes Terrain verlassen, also liebgewordene Gewohnheiten aufgeben und bewährte Verhaltensweisen verändern müssen. Wir müssen uns dem Neuen öffnen, das vielleicht ganz anders daherkommt, als wir es erwartet haben. Das ist oft nicht leicht zu bewältigen.

In der Lebenszyklus-Forschung spricht man von «kritischen Lebensübergängen». Diese werden oft eingeleitet oder begleitet von typischen Einzel-Ereignissen, wie zum Beispiel der Geburt eines Kindes, dem Auszug der Kinder oder dem Beginn des Ruhestandes. Man spricht hier auch von «kritischen [16]Lebensereignissen», die es bei solchen Übergängen zu bewältigen gilt.

Außerdem wird hier zwischen vorhersehbaren und unvorhersehbaren kritischen Lebensereignissen unterschieden. Diese Unterscheidung von vorhersehbaren und nicht vorhersehbaren kritischen Lebensereignissen hat praktische Bedeutung: In aller Regel werden die vorhersehbaren Ereignisse im Denken und Reden des Paares bereits vorweggenommen. Man spricht darüber, man denkt für sich und gemeinsam darüber nach, was nötig sein wird, wie man sich verhalten wird, welche Maßnahmen jetzt schon getroffen werden können. Manche von diesen vorhersehbaren kritischen Lebensereignissen werden auch mit Ritualen vollzogen oder von solchen begleitet, wie zum Beispiel die Eheschließung mit der Hochzeit bzw. einem Freudenfest mit Freunden und Verwandten oder der Beginn des Ruhestands mit einer Verabschiedung durch die Firma. Das erleichtert zwar die Bewältigung in aller Regel, jedoch kann diese immer noch recht schwierig werden, wie besonders im Fall des Übergangs vom Paar zur Familie. Wie Forschungen zeigen, erleben Paare, auch wenn sie sich eingehend darauf vorbereitet und viel über die anstehenden Veränderungen gesprochen haben, die neue Situation mit dem kleinen Kind phasenweise als sehr stressvoll und belastend, weil sich auch vorhersehbare Veränderungen in ihrer Wirkung nie ganz realistisch einschätzen lassen.

Dazu kommt, dass auch die Reaktionen der Umwelt eine Rolle spielen können. Bei nicht vorhersehbaren kritischen Lebensereignissen, wie zum Beispiel der Krebserkrankung eines Partners, wird ein Paar sich eher vom Mitgefühl der Umwelt getragen fühlen als beim Eintreten...

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