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E-Book

Wolf packt La(h)ma

"Wie Sie die Dinge zügig anpacken und konsequent erledigen"

AutorJohannes Storch, Julia Weber
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl199 Seiten
ISBN9783456752105
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Mit dem Unbewussten gegen das ewige Aufschieben. Gegen Prokrastinieren und Aufschieben gibt es zahllose Strategien. Wie Sie vielleicht schon selbst gemerkt haben, helfen viele allerdings nur bedingt. Johannes Storch und Julia Weber zeigen einen völlig neuen Weg – abseits von Regeln, Listen und Ratschlägen. Entwickeln Sie mit diesem Buch Ihre ganz persönliche Strategie gegen das tägliche Hinausschieben. Die beiden Autoren und ZRM-Trainer zeigen Ihnen auf vergnügliche und leichte Art, wie Sie Ihr Unbewusstes nutzen können, um künftig souverän und motiviert mit Ihren Aufgaben umzugehen.

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Leseprobe

[15]Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Es war nichts zu hören außer dem entfernten Ticken einer Uhr. Ab und zu bewegten sich die Vorhänge, wenn ein schwacher Luftzug durch das geöffnete Fenster in den Raum strich. Rosenduft ließ sich erahnen, mitgebracht von dem warmen Wind, der durch den üppigen Rosenbusch vor dem Haus wehte. Staubkörner tanzten durch die Sonnenstrahlen, die in das Zimmer fielen.

Eigentlich duldete Evelyne keine Staubkörner in ihrer Wohnung, aber in diesem Moment, von dem sie nicht sagen konnte, wie lange er schon dauerte, waren sie ihr fast wie Freunde. So gern wäre sie jetzt auch ein Staubkorn, das im Sonnenlicht tanzt, bewegt durch die warme aufsteigende Luft, schwerelos, sorglos und frei. Frei von jeder Verpflichtung, von jeder Verantwortung, einfach nur in den Tag hinein leben, leicht und beschwingt, ausgelassen und fröhlich. Wie oft sehnte sie sich nach diesem Zustand.

Insgeheim hoffte sie, dass, wenn sie sich nur nicht bewegte, nur noch ganz flach atmete, die Zeit wirklich stehen bliebe und sie sich in diesem Moment von allen Gedanken befreien könnte, die sie durch den Tag trieben, ihr immer wieder ein schlechtes Gewissen machten, ihr das Gefühl gaben, nicht genug zu arbeiten, ihre Ziele nie zu erreichen, und die sie nie zur Ruhe kommen ließen.

Selbst jetzt in diesen entspannten Minuten konnte Evelyne die friedliche Stille nicht völlig genießen. Sie fürchtete schon den Moment des Erwachens, den Augenblick, in dem sie ihre Aufgabenliste vor sich auf dem Tisch liegen sah, auf dem die Gründe ihres schlechten Gewissens geschrieben standen, all die Aufgaben, die sie sich selbst vorgenommen [16]hatte oder die von ihr erwartet wurden. Wie oft hatte sie schon versucht, Ordnung und Struktur in ihre Listen und ihre Tage zu bringen, wie viele Bücher hat sie schon zu diesem Thema im Regal stehen? Sie wüsste es nicht einmal auswendig, müsste aufstehen und nachzählen, aber dazu war sie jetzt nicht in der Lage. Einfach nur sitzen bleiben, das war ihr sehnlichster Wunsch, nicht bewegen, nichts denken, nichts machen.

Für einige Sekunden gelang ihr das auch, hatte sie Freude daran, die Staubkörner bei ihrem Tanz zu beobachten, vorauszusagen, wohin sie schweben würden, sie, wenn sie auf dem Tisch landeten, durch leichtes Anpusten wieder auf die Reise zu schicken. Aber schon nach wenigen Augenblicken kamen ihr erneut ihre Aufgaben in den Sinn, die Steuererklärung vor allen anderen, die heute Abend noch beim Finanzamt eingeworfen werden müsste, wenn sie die Mahngebühr vermeiden wollte.

Und sie hörte jetzt schon ihren verärgerten Mann, der über ihre Unfähigkeit, irgendetwas pünktlich zu Ende zu bringen, schimpft und ihr vorwirft, den Tag sinnlos zu verbummeln und Wichtiges von Unwichtigem nicht unterscheiden zu können. Sie könnte es ihm noch nicht einmal verdenken. Sie wusste ja selbst, dass sie Probleme damit hatte, ihre Aufgaben anzupacken und am Stück abzuarbeiten.

Ja, ihr Mann, der konnte das, der packte immer alles sofort an. Wenn ihm etwas in den Sinn kam, wenn er etwas in der Zeitung las oder im Fernsehen sah, das ihn interessierte, hatte er schon am nächsten Tag alle wichtigen Informationen darüber gesammelt, und spätestens in der darauffolgenden Woche war er mittendrin in seiner neuen Aufgabe, seiner zehnten Sportart, seinem hundertsten Hobby. Allerdings währte nichts besonders lange bei ihm, verlor das Neue für ihn schnell seinen Reiz. Er hatte nicht ihre Ausdauer, nicht ihre Geduld und vor allem nicht ihre Genauigkeit. Darüber ärgerte sie sich immer wieder, über seine Nachlässigkeit und darüber, dass er schon bei den ersten Schwierigkeiten und Herausforderungen aufgab. Das gab es bei ihr nicht, wenn sie etwas anfing, blieb sie auch über lange Zeit hinweg mit Leidenschaft und der nötigen Hartnäckigkeit dabei. Ja, wenn sie doch bloß mal mit etwas anfinge, anfangen könnte, dann bliebe auch nicht immer so viel liegen, würde ihre Liste endlich kürzer. Aber zurzeit wurden die Posten nur immer mehr und türmten sich wie ein riesiger Berg vor ihr auf, der sie mutlos machte, ihr die letzte Energie für das Anfangen raubte und sie lähmte.

[17]Evelyne schickte die Staubkörner ein letztes Mal auf die Reise. Gleich nachdem sie den Kaffee getrunken und die Zigarette geraucht hätte, würde sie sie auf ihre allerletzte Reise in den Staubsaugerbeutel schicken. Sie stand mit einem Ruck von ihrem Stuhl auf und ging, noch in Gedanken an die letzten Minuten, in die Küche. So werden wie ihr Mann, das wollte sie nun wirklich nicht, er war ihr doch in vielen Dingen zu oberflächlich. Aber vielleicht eine Scheibe von seiner Art, Aufgaben sofort anzupacken, und vielleicht noch ein dünnes Scheibchen von seiner Fähigkeit, fünf grade sein zu lassen, und dann bitte noch ein Zipfelchen von seinem lockeren Umgang mit Misserfolgen und Ärgernissen, das hätte sie schon gern. Und auch nicht immer, nein, nur manchmal hätte sie diese Eigenschaften gern zur Hand, um ihren Alltag elegant und souverän zu bewältigen. Und dann würde sie sich auch den ungeliebten Aufgaben stellen können, ihrem Mann endlich sagen können, dass er seine Ablage gefälligst allein machen soll und der Familiensamstaggroßeinkauf ab sofort wieder seine Sache sei, so wie es ursprünglich verabredet war, bevor sie es ganz allmählich immer öfter ohne ihn gemacht hatte, weil er ja immer so viel zu tun hatte. Dann wären ihr auch die ewigen Vorwürfe und Einmischungen ihrer Mutter egal, der sie nie etwas recht machen konnte, die immer alles besser wusste. Sich ein dickeres Fell zuzulegen und öfter mal Nein zu sagen, damit wäre ihr schon sehr geholfen. Ihre Aufgaben könnte sie dann deutlich entspannter planen, weil ihr mehr Zeit am Stück bliebe, dann wäre auch die Angst, etwas zu vergessen, nicht mehr da, und das gute Gefühl, etwas wegzuschaffen, würde sich hoffentlich endlich einstellen. Die einzige Frage war, wie sie das schaffen könnte, denn obwohl sie sich über ihre Unzulänglichkeiten und ihre wunden Punkte im Klaren war, gelang es ihr nie, sich zu ändern.

Während Evelyne noch ihren Gedanken nachhing, blieb ihr Blick an einer Annonce in der Tageszeitung hängen.

[18]

[19]Evelyne las die Annonce mehrmals durch. Es klang verlockend, sie wäre die geeignete Kandidatin. Unangenehme Pflichten hätte sie genug, die Zeit könnte sie sich auch noch freischaufeln, und an einer wissenschaftlichen Studie wollte sie schon immer einmal teilnehmen. Aber würde es ihr wirklich nützen? Während der Seminartage wäre sicher alles toll, die Ratschläge der Trainer einleuchtend und scheinbar mühelos umzusetzen, alle wären euphorisch, jeder würde sein Leben umkrempeln wollen, alles anders machen. Aber was wäre dann zu Hause, im Alltag? Würden die guten Vorhaben nicht schnell wieder verpuffen? Wäre nicht bald wieder alles beim Alten? Hatte sie nicht schon oft versucht, etwas an ihrer Art zu verändern? Durchgehalten hatte sie die neuen Vorsätze nie lange. Auf die Unterstützung durch ihren Mann konnte sie auch nicht hoffen, er meinte immer nur, sie müsse hier gar nichts umkrempeln, sondern einfach spontaner werden, einfach anfangen, dann liefe alles wie von selbst. Das könne ja so schwer nicht sein.

Wenn sie ihm jetzt von dieser Studie erzählen würde, würde er bestimmt wieder die Augen verdrehen. Er war nicht so der wissenschaftliche Typ, sondern Handwerker durch und durch. Wahrscheinlich hatte er ja recht mit seinen Argumenten, auch wenn sie seine besserwisserische Art störte, aber der Erfolg gab ihm recht. Ihm gelang ja all das, was ihr nicht von der Hand gehen wollte.

Nachdem sie die Tasse in den Geschirrspüler gestellt hatte, ging sie mit der Zeitung in der Hand zum Arbeitszimmer, um sie zum Altpapier zu legen. Doch etwas ließ sie zögern. Was würde ihr Mann an ihrer Stelle wohl tun, würde er von einer Idee, die ihm so gut gefiel, ablassen? Niemals, jedenfalls hatte sie das noch nie erlebt. Und hätte sie nicht gern ein Scheibchen von seiner Tatkraft und Spontaneität? Warum es nicht einfach mal versuchen, was konnte schon passieren? Vielleicht haben sie ja auch schon genügend Teilnehmer gefunden, und das Seminar war bereits voll. Fragen kostet ja nichts, und wenn ihr Mann deswegen die Augen verdrehte, wäre es ihr auch egal, das tat er ja fünfmal am Tag, wenn sie ihm von ihren Sorgen erzählen wollte.

Fünfzehn Minuten später saß Evelyne mit einer frischen Tasse Kaffee und einer Zigarette in der Hand auf dem Balkon und konnte ihren Mut noch nicht ganz fassen. Sie hatte eine freundliche Dame am Telefon, die sich für ihre Bereitschaft, an der Studie teilzunehmen, bedankte und die [20]ihr heute noch einige Fragebögen mailen würde, die sie schnellstmöglich ausfüllen und zurücksenden sollte. Das Seminar selbst startete in vier Wochen, und auf ihre Frage, ob sie denn dann Ratschläge und Verhaltenstipps bekäme, damit sie zu Hause weiterüben könne, lachte die Frau und meinte, das gäbe es bei ihnen nicht, aber sie würde ganz sicher erfolgreich sein und sich ihre Tipps künftig selber geben. Schließlich wisse sie ja am besten, was sie benötige.

Deutlich beschwingter als zuvor ging Evelyne in ihr Arbeitszimmer. Die Staubkörner, die sie auf die letzte Reise schicken wollte, hatte sie darüber ganz vergessen.

Die Steuererklärung ging ihr leicht von der Hand, sie hatte direkt Freude daran. Der Umgang mit Zahlen hatte sie immer schon beruhigt, die Ordnung und Klarheit waren ihre Welt. Bis 24 Uhr musste sie die Steuererklärung beim Finanzamt einwerfen, dieses Jahr würde sie es schaffen, pünktlich abzugeben. Und ihr Mann sollte sich und den Kindern eine Pizza bestellen und ihr auch gleich eine mit, heute bleibt die Küche...

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