1 Vorwort der Herausgeberinnen
Die Forschung über die Verwendung und den Nutzen von Feedback im Unterricht hat eine lange Tradition. Vor mehr als hundert Jahren demonstrierte Gilchrist (1916) bereits, dass ein positives Lehrkraft-Feedback die Leistung der Schülerinnen und Schüler bei einem Test verbesserte. Mittlerweile sind eine Reihe an Untersuchungen zu Feedback im Klassenzimmer durchgeführt worden, wobei die Forschungsbemühungen seit dem Erscheinen von Hattie und Timperleys (2007) Synthese von 196 Studien aus 12 vorangegangenen Meta-Analysen über Lehrkraftfeedback mit Sicherheit intensiviert wurden.
John Hattie, einer der einflussreichsten Bildungsforscher der heutigen Zeit, definiert Feedback als »eine Information (…), die von einem Akteur (z. B. Lehrperson, Peer, Buch, Eltern oder die eigene Erfahrung) über Aspekte der eigenen Leistung oder das eigene Verstehen gegeben wird« (Hattie, 2013, S. 206). Die Erkenntnisse aus der zitierten Studie von Hattie und Timperley (2007) demonstrieren, dass positives Feedback, das sich auf bestimmte Aufgaben und Aktivitäten im Klassenzimmer konzentriert, ein wirksames Instrument ist, um den Erfolg der Schülerinnen und Schüler in akademischen und nicht-akademischen Bereichen zu fördern. Und spätestens seit Hattie (2009) Feedback als eine der »Top Ten« wirksamster Einflussgrößen auf die Lernleistung von Schülerinnen und Schüler identifizierte, wird Feedback auch von Akteurinnen und Akteuren aus Praxis und Forschung verstärkt als wichtige Steuergröße schulischen Lernens wahrgenommen.
Das vorliegende Buch versteht sich als wissenschaftlich fundierter Beitrag, in dem eine systematische und reflektierte Annäherung an die unterschiedlichen Ebenen und Bereiche von Feedback stattfindet, in denen Feedback als Steuerungsinstrument im Alltag des Lehrens und Lernens wirksam wird. Im schulischen Kontext besitzt Feedback eine hohe Relevanz, so dass in diesem Werk sowohl das Feedbackverhalten der Lehrkraft und seine Auswirkungen und Chancen im Unterricht thematisiert werden wie auch die Möglichkeiten einer gezielten Unterstützung und Förderung des Feedbackverhaltens von Lehrkräften.
In allen Kapiteln wird deutlich, dass gelingend eingesetztes Feedback nicht rein intuitiv umsetzbar ist, sondern ein gezieltes Training und Reflektion benötigt, da es sonst viel zu selten und nicht passgenau gegeben wird und damit wertvolles Entwicklungspotenzial verloren geht. Adäquat eingesetzt stellt Feedback eine Bereicherung sowohl für Lehrkräfte als auch für Schülerinnen und Schüler auf vielen Ebenen dar.
Aufbauend auf aktuellen Forschungserkenntnissen wird der Frage nach Gelingensbedingungen erfolgreichen Feedbacks im schulischen Kontext nachgegangen. Zentral geht es um Themen wie Feedback und eine gesunde »Fehlerkultur«, genderspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung von Feedback und Feedbackgeberkultur, wertschätzendes Feedback als Bestandteil einer gelungenen Beziehungsgestaltung und förderliches Instrument zur Unterstützung des sozialen Status’ von Schülerinnen und Schülern innerhalb der Klassengemeinschaft sowie als Steuerungsinstrument der Schulentwicklung, zur Einschätzung und Bewertung von Unterricht und Schulleben.
Übergreifend wird Feedback innerhalb des vorliegenden Buches als eine zentrale Unterstützungshilfe bei der Regulation von sozialen und akademischen Lernprozessen betrachtet, wenn es gelingend eingesetzt wird. Insbesondere Feedback und seine Auswirkungen auf individuelle und soziale Aspekte (z. B. Selbstkonzept oder soziale Anerkennung) ist aktuell mehr denn je ein bedeutsames Thema, in dem viele Gestaltungsmöglichkeiten liegen, gerade im Zuge des Prozesses inklusiver Schul- und Unterrichtsentwicklung. In einzelnen Beiträgen werden daher Handlungsmöglichkeiten für die Unterrichtspraxis skizziert, aber auch Grenzen aufgezeigt.
In den einzelnen Kapiteln werden unterschiedliche Perspektiven auf Feedback und seine Komponenten aufgezeigt. Die verwendeten Begrifflichkeiten werden in den jeweiligen Kapiteln detaillierter betrachtet. Es fließen dabei nationale und internationale Erkenntnisse von deutschen und internationalen Autorinnen und Autoren ein. Die Autorinnen und Autoren der Beiträge selbst stammen aus unterschiedlichen Disziplinen u. a. der Erziehungswissenschaft, der Grundschulpädagogik, der Psychologie und der Sonderpädagogik. Diese Vielfalt an unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht den Leserinnen und Lesern tiefere Einblicke in das Verständnis über Wirkweisen von Feedback aus Sicht der jeweiligen Forschungstradition. Die Beiträge weisen dabei zum Teil Unterschiede im Theorieverständnis auf, allen gemein ist jedoch ein fundierter theoretischer Ansatz. Je nach fachlicher Genese wird eher aus einer sozial-konstruktivistischen Perspektive oder behavioristisch orientierten Perspektive argumentiert. Neben gesellschaftlichen Entwicklungen (wie z. B. Inklusion) werden auch institutionelle und akteurspezifische Bedürfnisse in den Beiträgen in den Blick genommen. Es werden Entwicklungsperspektiven von Verstehensprozessen von Feedback im Primarstufenbereich aufgezeigt und die Bedeutung von Lob für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe dargelegt. Feedback als Thema in der Lehreraus- und -fortbildung bildet ein weiteres Feld, in dem Feedback an Bedeutung gewinnt und das daher in diesem Buch näher beleuchtet wird.
Das Buch richtet sich sowohl an angehende Lehrkräfte, Forscherinnen und Forscher, Lehrende an Hochschulen als auch an Lehrkräfte und andere professionelle Fachkräfte, die ihr Wissen über wirksames Feedback in der Unterrichtspraxis erweitern möchten. Es werden Forschungsergebnisse beleuchtet, aber auch praktische und ganz konkrete Tipps für den Unterrichtsalltag sowie für die Lehrkräftebildung gegeben.
Das Buch ist untergliedert in vier Themenbereiche.
Kapitel I: Feedback – Terminologie, Konzept und Bedeutung für die Praxis. Im ersten Teil des Buches findet eine Einführung in grundlegende Begrifflichkeiten und Konzepte von Feedback sowie der Bedeutung für die Unterrichtspraxis statt. In ihrem Beitrag »Ich gebe und fordere Rückmeldung. – Feedback in der Unterrichtspraxis« beschreiben Denise Weckend, Christina Schatz und Klaus Zierer erfolgreiches und lernförderliches Feedback. Hier wird Theorie und Forschung vor allem basierend auf »Visible Learning« von Hattie, mit Bezug zu seinem Feedbackmodell, beleuchtet. Einerseits geben sie einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Sie erläutern, wie systematisch und vollständig Feedback gegeben werden kann, damit es lernwirksam ist. Andererseits stellen sie in ihrem Beitrag die Fortbildung »Ich gebe und fordere Rückmeldung.« im Schulprojekt »Schulen zum Leben« in Mecklenburg-Vorpommern vor. Frederike Bartels, Vanessa Pieper und Julius Busch gehen in ihrem Beitrag » Feedback und Lob – Perspektiven auf den Umgang mit Lob und Kritik im Grundschulunterricht« aus grundschulpädagogischer Sicht auf einen lernförderlichen Umgang mit Lob und Kritik im Grundschulunterricht ein. Die Autoren stellen dar, wie Lob und Kritik aus der Perspektive von Schülerinnen und Schülern wahrgenommen wird. Nach einer terminologischen Verortung und Abgrenzung von Feedback werden – aus dynamisch-transaktionaler Perspektive – die Effekte von Lob thematisiert. Den Abschluss des Kapitels bildet die Betrachtung von pädagogischen Konsequenzen, die Lehrkräften Hinweise für einen wirkungsvollen Umgang mit Lob und Kritik im Grundschulalltag geben kann. Sarah Fefer und Marie-Christine Vierbuchen stellen in ihrem Beitrag » Lob als effektives Classroom Management in der Sekundarstufe – wissenschaftliche Befunde und praktische Hinweise« Lob als positives Feedback vor allem in seiner Relevanz für die Sekundarstufe dar und gehen hier spezifisch auch auf Lob für Schülerinnen und Schüler mit hohem Entwicklungsrisiko ein. Aktuelle internationale Forschungsergebnisse werden zusammengefasst und in einen Bezug zum Thema Classroom Management gesetzt. Es wird die Möglichkeit einer Umsetzung innerhalb eines dreistufigen Systems mit jeweils verschiedenen Implikationen für Lob angeregt und konkrete Handlungsstrategien gelingenden Einsatzes, aber auch Stolpersteine der Umsetzung von angemessenem Lob im Unterricht berichtet.
Kapitel II: Feedback – Soziale Integration und Inklusion. In dem Beitrag »Lehrkraftfeedback und soziale Integration: Ein Dreiebenenmodell zum integrationswirksamen Lehrkraftfeedback in Schule und Unterricht« von Christian Huber geht es um den Zusammenhang zwischen Lehrkraftfeedback und sozialer Integration. Dieser Zusammenhang wird auf Grundlage der sozialen...