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E-Book

Fehler in der Urologie

Fallbeispiele und Vermeidungswege

AutorVolkmar Lent
VerlagGeorg Thieme Verlag KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl152 Seiten
ISBN9783132002319
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Systematische Auswertung gutachterlicher Entscheidungen - Welche Fehler und Schadensfolgen gibt es bei den einzelnen Erkrankungen und Eingriffen? - Wie häufig sind sie? - zahlreiche Fallbeispiele zeigen die Entstehung der Fehler und wie man sie vermeiden kann Fehlerquellen in Diagnostik, Aufklärung, Indikation und Therapie: - mangelhafte Befunderhebung und Befundaufbewahrung - Diagnosefehler - fehlende und fehlerhafte Indikation, Kontraindikation - fehlerhafte Organisation (Geräte, Medizinprodukte, Hygiene...) - fehlerhafte Technik (Operationsverfahren...) - fehlerhafte Medikation (Auswahl, Dauer, Dosierung...)

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Leseprobe

1 Wann sind Komplikationen Behandlungsfehler?


J. Neu

1.1 Einführung


Die Bedeutung des Begriffs Komplikation ist je nach Sichtweise des Patienten oder des Arztes oftmals sehr unterschiedlich. Der Patient, geprägt durch Medienberichte über die Fortschritte der modernen Medizin, wertet die Komplikation eher als Ausdruck eines Behandlungsfehlers. Dem Arzt ist bewusst, dass das Behandlungsziel auch bei einer lege artis durchgeführten Behandlung nicht immer ohne gleichzeitige vorübergehende oder dauernde negative Veränderung erreicht werden kann und sieht die Komplikation daher eher als behandlungsimmanent an. Diese differenten Ausgangspositionen treten spätestens in einer Arzthaftungsauseinandersetzung zutage. Es erscheint daher geboten, dass sich alle Beteiligten um klare Definitionen der haftungsrechtlich relevanten Begriffe bemühen ▶ [16].

Komplikation und Behandlungsfehler sind keine Begriffe, die sich gegenseitig ausschließen. Zu unterscheiden sind:

  • vermeidbare Komplikationen, die auf unsorgfältigem Handeln beruhen, also Folge eines Behandlungsfehlers sind

  • bedingt vermeidbare Komplikationen, die auch bei sorgfältigem Handeln nicht immer vermeidbar sind (aber der Arzt muss es zumindest versucht haben)

  • unvermeidbare Komplikationen, die zwangsläufig mit der Grunderkrankung des Patienten einhergehen

Wenn die Rechtsprechung schon seit Jahrzehnten den zuvor gebräuchlichen Begriff des Kunstfehlers nicht mehr verwendet, ist dies auch Ausdruck des gewandelten Charakters des Arzt-Patienten-Verhältnisses. Die ärztliche Tätigkeit wird in der Öffentlichkeit nicht mehr als Heilkunst gesehen, sondern als Dienstleistung, bei welcher der Arzt – bei aller nach wie vor geltenden Kurierfreiheit – nicht in einem rechtsfreien Raum agiert, sondern in einem bestimmten Rechtsrahmen, der über viele Jahrzehnte hinweg allein durch die Rechtsprechung vorgegeben war und der jetzt durch das Patientenrechtegesetz zusätzlich in Eckpunkten umrissen wird. Auch wenn man durchaus von einer zunehmenden Verrechtlichung in der Medizin sprechen kann, bedeutet dies aber längst noch nicht, dass der Arzt stets mit einem Bein im Gefängnis steht, sobald er den Patienten begrüßt. Strafverfahren gegen Ärzte sind äußerst selten und sind mit ca. 40000 Behandlungsfehlerklagen pro Jahr in Deutschland angesichts von ca. 800 Millionen Arzt-Patienten-Kontakten im niedergelassenen Bereich und ca. 18 Millionen stationären Behandlungsfällen jeweils mit einer Vielzahl von einzelnen Behandlungsmaßnahmen für sich genommen auch keine hohe Zahl.

Der sorgfältig handelnde Arzt wird im Falle eines Haftungsprozesses erkennen, dass das Haftungsrecht durchaus der Tatsache Rechnung trägt, dass der Heilerfolg auch von der besonderen, vom Arzt nur beschränkt beeinflussbaren physischen und psychischen Konstitution des Patienten abhängt (so schon Bundesgerichtshof (BGH) NJW 1975, 305).

1.2 Informationen über bedingt vermeidbare und unvermeidbare Komplikationen


Das Patientenrechtegesetz schreibt in § 630 c Absatz 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unmissverständlich vor, dass der Arzt u.a. verpflichtet ist, dem Patienten in verständlicher Weise die für den Behandlungsverlauf wesentlichen Umstände zu erläutern. Diese Formulierung schließt ohne Zweifel unvermeidbar eingetretene Komplikationen, die Konsequenzen für den weiteren Behandlungsverlauf und die daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen ein.

1.3 Empfehlungen für den Fall bedingt vermeidbarer und unvermeidbarer Komplikationen


Viele Arzthaftungsverfahren beruhen auf der diskrepanten Wahrnehmung der „Komplikation“ durch Arzt und Patient. Ein Großteil dieser Auseinandersetzungen könnte vermutlich schon im Ansatz vermieden werden, wenn eine professionelle Kommunikation nach Eintreten einer Komplikation stattfinden würde ▶ [19].

Dabei geht es nicht um die Fälle, bei denen es sich um ein justiziables Kommunikationsdefizit (wie z.B. bei fehlender therapeutischer oder mangelhafter präoperativer Risikoaufklärung) handelt. Es sind die nicht justiziablen Kommunikationsprobleme zwischen Arzt und Patient, die in vielen Fällen zur Unzufriedenheit führen und Anlass für eine Auseinandersetzung werden. Der Anteil dieser auf Kommunikationsproblemen bestehenden Unzufriedenheit liegt bei etwa 30 %: Eine Auswertung von 1000 aufeinanderfolgend eingegangenen und damit nicht selektierten Schlichtungsanträgen an die Norddeutsche Schlichtungsstelle zeigt, dass in 332 Fällen mit unbefriedigendem Heilverlauf Kommunikationsdefizite von Patientenseite moniert wurden ▶ [21].

Die Initiative für ein Gespräch sollte stets von der Arztseite ausgehen, weil der Patient als medizinischer Laie möglicherweise das Eintreten einer Komplikation gar nicht erkannt hat, sondern sich lediglich über einen unerwartet langen Behandlungsverlauf oder über ein unerwartet schlechtes Heilungsergebnis wundert. Versteht ein Patient durch die Erläuterung des Arztes die medizinischen Zusammenhänge und kann er deshalb mit der Situation besser umgehen, bleibt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient in der Regel erhalten und Auseinandersetzungen kann damit der Nährboden für gewöhnlich entzogen werden.

Die Frage, ob eine Komplikation trotz lege artis erfolgter Behandlung nicht zu vermeiden war oder ob ein Behandlungsfehler zu einer vermeidbaren Komplikation geführt hat, ist bei kontroversen Standpunkten oftmals nur sehr schwer und selten ohne Einschaltung eines medizinischen Sachverständigen zu beantworten. In dieser Situation sollte die Empfehlung des Arztes stets lauten, diese Frage möglichst neutral und sachverständig klären zu lassen, am besten durch eine für den Patienten kostenlose Einschaltung einer ärztlichen Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle.

1.4 Informationen über vermeidbare Komplikationen


Das seit dem 26.02.2013 geltende Patientenrechtegesetz soll durch die in das BGB aufgenommenen Regelungen in § 630 c Absatz 2 sowohl Ärzten als auch Patienten Klarheit darüber verschaffen, unter welchen Voraussetzungen ein Arzt verpflichtet ist, über Behandlungsfehler zu informieren. Schon seit jeher bestimmte die Rechtsprechung, dass ein Arzt über eigene Behandlungsfehler informieren musste, wenn gesundheitliche Gefahren für den Patienten daraus zu resultieren drohten (eine entsprechende Regelung ist jetzt in § 630 c Absatz 2 Satz 2 BGB enthalten).

Zusätzlich zu dieser Rechtsprechung sieht das Gesetz jetzt entsprechende Informationspflichten auch dann vor, wenn der Patient gesundheitlich nicht gefährdet ist. Zwar ist der Arzt nicht verpflichtet, den Patienten unaufgefordert über eigene Behandlungsfehler zu unterrichten, soweit keine gesundheitlichen Gefahren für den Patienten bestehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers trifft den Arzt lediglich die Pflicht zur gesundheitlichen Betreuung des Patienten, nicht aber eine umfassende Fürsorgepflicht. Fragt aber der Patient ausdrücklich nach etwaigen Behandlungsfehlern, ist der Arzt verpflichtet, in dieser Situation wahrheitsgemäß zu antworten, wenn er Umstände erkennt, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen.

Der Gesetzgeber hat bei dieser Regelung bewusst die Formulierung „Umstände, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen“ gewählt. Dadurch wird dem Rechnung getragen, dass die Frage, ob ein Behandlungsfehler tatsächlich vorliegt, oftmals in verschiedenen Gerichtsinstanzen durch mehrere Gutachter völlig kontrovers beurteilt wird. Dem Arzt ist also nicht auferlegt, eine gutachterliche Würdigung abzugeben, sondern ausschließlich die Umstände darzulegen, die ihn veranlassen, das Vorliegen eines Behandlungsfehlers anzunehmen.

Diese Informationspflicht gilt nicht nur in Bezug auf die eigenen Behandlungsmaßnahmen des Arztes, sondern auch für diejenigen von vor- oder mitbehandelnden Ärzten. Gehört der Vor- oder Mitbehandler einer anderen Fachrichtung an, als der Arzt, der nach einem Behandlungsfehler gefragt wird, dürfte es angesichts der fremden Fachkompetenz oftmals problematisch sein, diese Frage des Patienten mit der gebotenen Sicherheit zu beantworten. Die Gefahr falsch positiver oder falsch negativer Informationen ist hier nicht zu unterschätzen. Es empfiehlt sich in solchen Fällen, auf die Grenzen des eigenen Fachgebiets hinzuweisen.

Soweit die Information durch den Behandelnden erfolgt, dem ein eigener Behandlungsfehler unterlaufen ist, darf sie nach § 630 c Absatz 2 Satz 3 BGB zu Beweiszwecken in einem gegen ihn geführten Straf- oder Bußgeldverfahren nur mit seiner Zustimmung verwendet werden. Dies gewährleistet, dass dem Behandelnden aus der Offenbarung eigener Fehler, die gegebenenfalls strafrechtlich oder auch aus der Sicht des Ordnungswidrigkeitenrechts relevant sein können, keine unmittelbaren strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Nachteile erwachsen.

1.5 Praxistipps für den Fall einer vermeidbaren Komplikation


Im Fall einer vermeidbaren Komplikation (Behandlungsfehler) kann folgende Vorgehensweise Kommunikationsdefizite vermeiden:

  • ...
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
0 Widmung6
0 Danksagung8
0 1. Geleitwort9
0 2. Geleitwort10
0 Vorwort11
1 Wann sind Komplikationen Behandlungsfehler?17
Einführung17
Informationen über bedingt vermeidbare und unvermeidbare Komplikationen17
Empfehlungen für den Fall bedingt vermeidbarer und unvermeidbarer Komplikationen18
Informationen über vermeidbare Komplikationen18
Praxistipps für den Fall einer vermeidbaren Komplikation19
2 Dokumentation gutachterlicher Entscheidungen21
3 Begutachtung von Behandlungsfehlern25
Einführung25
Voraussetzungen und Verfahrensabläufe der Begutachtung25
Aufklärung des „Sachverhalts25
Kriterien der Begutachtung26
Fehlerarten des „Behandlungsprozesses27
Unterlassene oder verzögerte Behandlung oder Hilfeleistung27
Fehler bei der Diagnostik27
Fehler bei der Indikation29
Fehler bei der Aufklärung29
Fehler bei der Durchführung ärztlicher Maßnahmen31
Fehler bei der Nachsorge32
Fehler bei der „Dokumentation32
Beweislast-Besonderheiten im Arzthaftungsverfahren33
4 Fehlerfeststellungen der Gutachterkommission37
Anomalien, Fehlbildungen und Missbildungen37
Nierenagenesie37
Alport-Syndrom37
Harnleiterabgangsstenose38
Harnleiterreflux38
Megazystis39
Harnröhrenklappen39
Hypospadie39
Epispadie40
Penisdeviation40
Hodenhochstand41
Phimose42
Infektionen und „Entzündungen43
Nephritis43
Niereninsuffizienz45
Zystitis und „Harnwegsinfektion47
Prostatitis49
Harnsteinerkrankungen51
Nierenstein und „Harnleiterstein52
Harnblasenstein56
Harnblasen„entleerungsstörungen und „Harnhaltestörungen57
Prostatahyperplasie58
Harnröhrenstenose und&thinspHarnröhrenstriktur61
Harnblasenfunktionsstörung62
Harninkontinenz65
Genitalerkrankungen73
Hodentorsion73
Varikozele79
Hydrozele und Spermatozele80
Testalgie81
Konzeptionsprophylaxe beim Mann82
Penisinduration84
Priapismus84
Erektionsstörung und Hypogonadismus85
Phimose85
Genitalinfektion87
Tumorerkrankungen89
Nierenzellkarzinom89
Nierenbeckenkarzinom und Harnleiterkarzinom96
Harnblasenkarzinom99
Prostatakarzinom108
Hodentumor124
Peniskarzinom126
Verletzungen127
Nierenverletzung und Nierenbeckenverletzung127
Harnleiterverletzung128
Harnblasenverletzung134
Harnröhrenverletzung134
Hodenverletzung135
5 Zusammenfassung und Schlussfolgerung139
6 Literatur143
7 Sachverzeichnis144

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