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E-Book

Feldpost

Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan

VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783644010017
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Seit zehn Jahren kämpfen deutsche Soldaten in Afghanistan in einem zermürbenden Krieg. Bis zum Jahr 2010 starben dort fast 50 deutsche Soldaten, und Hunderte leiden seit ihrer Rückkehr an dem, was sie dort erlebt haben. Politiker und die Führung der Bundeswehr haben es bis jetzt nicht verstanden, den Menschen in Deutschland zu erklären, warum deutsche Soldaten «am Hindukusch unsere Sicherheit verteidigen». Im Gegenteil: Als die Bundeswehr vom Vorhaben des «Magazins» der «Süddeutschen Zeitung» erfuhr, Feldpostbriefe von deutschen Soldaten zu veröffentlichen, versuchte sie, dieses Projekt zu verhindern. Denn in diesen Briefen, E-Mails und SMS-Botschaften kommen die Frauen und Männer zu Wort, die für uns in den Krieg ziehen müssen. Sie bieten einen bestürzenden Einblick in ihren beklemmenden Alltag und erzählen offen von der Wirklichkeit: von schrecklichen Anschlägen und quälender Langeweile, von gefährlichen Einsätzen und den Menschen vor Ort, von Wut, Rührung und Tod, von Lagerkoller und Liebe, von Sehnsucht nach Familie und Freunden, von dem, was sie vermissen und fürchten, und von wertvollen Augenblicken, die sie nie vergessen werden. Und davon, was sie von den deutschen Politikern halten, die sie in den Krieg geschickt haben. Ein Dokument deutscher Gegenwart für alle, die wissen wollen, wie der Krieg in Afghanistan wirklich ist, und die einen unzensierten Blick auf die Lage bekommen wollen.

Marc Baumann, geboren 1977 in Fürstenfeldbruck, ist Journalist und Absolvent der Deutschen Journalistenschule. Er arbeitet beim «Süddeutsche Zeitung Magazin». 2011 veröffentlichte er - gemeinsam mit Martin Langeder, Bastian Obermayer, Franziska Storz und Mauritius Much - «Feldpost. Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan» im Rowohlt Verlag. Franziska Storz, Martin Langeder und Mauritius Much arbeiten als freie Journalisten in München, Marc Baumann und Bastian Obermayer sind Redakteure beim SZ-Magazin. Sie haben Briefe, E-Mails und SMS von Soldaten aus Afghanistan gesammelt und im SZ-Magazin zusammengestellt. Dafür wurden sie 2010 mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung begleitet das Buchprojekt. Bastian Obermayer, Jg. 1977, ist Redakteur im Ressort Investigative Recherche der Süddeutschen Zeitung. Er hat in München Politik, Amerikanistik und Neuere und Neueste Geschichte studiert und die Deutsche Journalistenschule besucht. Für seine Reportagen erhielt er unter anderem den Henri-Nannen-Preis und den Theodor-Wolff-Preis. Neben anderen Büchern veröffentlichte er bei Rowohlt «Feldpost - Briefe deutscher Soldaten aus Afghanistan». Franziska Storz, Martin Langeder und Mauritius Much arbeiten als freie Journalisten in München, Marc Baumann und Bastian Obermayer sind Redakteure beim SZ-Magazin. Sie haben Briefe, E-Mails und SMS von Soldaten aus Afghanistan gesammelt und im SZ-Magazin zusammengestellt. Dafür wurden sie 2010 mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung begleitet das Buchprojekt. Franziska Storz, Martin Langeder und Mauritius Much arbeiten als freie Journalisten in München, Marc Baumann und Bastian Obermayer sind Redakteure beim SZ-Magazin. Sie haben Briefe, E-Mails und SMS von Soldaten aus Afghanistan gesammelt und im SZ-Magazin zusammengestellt. Dafür wurden sie 2010 mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung begleitet das Buchprojekt.

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Leseprobe

Feldpost – Briefe von der Front


1. Ankunft


Gestern Abend mit einem komischen Gefühl meine Ausrüstung fertig gemacht. Es geht nach Kundus. In den Krieg? Jedenfalls sterben dort Menschen.

Oberstleutnant Boris Barschow, 43, Masar-i-Scharif 2009.

 

Hallo, mein Liebling, ich bin kaum aus der Tür und vermisse Euch jetzt schon so sehr. Wir fliegen in einer halben Stunde ab, und Du kannst Dir nicht vorstellen, was es für ein Gefühl ist, von Euch getrennt zu sein. Ich melde mich, sobald ich die Möglichkeit habe. Mach Dir keine Sorgen. Ich liebe Dich.

Oberstleutnant Markus Mossert*, 36, Masar-i-Scharif 2009.

(*Name von der Redaktion geändert)

 

Mich nervt, dass ich mich um meinen Auslandseinsatz selbst kümmern muss. Da es der dritte ist und ich Arzt bin, kriege ich das auch hin, aber gottverdammtnochmal, ich will doch nicht an den Hindukusch. Ich habe mich selbst um meine Tauglichkeitsuntersuchung, meine Impfungen und die Malariatabletten gekümmert. Wenn ich meine Tropenuniform nach meinen bisherigen Einsätzen nicht illegalerweise einfach behalten hätte, könnte ich Afghanistan in Unterhosen bereisen. Falls die ankommen. Hinzu kommt noch: Für den Militärflug nach Afghanistan gelten doch echt dieselben bescheuerten Regeln wie für zivile Flüge. Ich darf also Shampoo und Duschgel in 100-ml-Fläschchen kaufen und diese in eine durchsichtige Plastiktüte packen.

Oberstabsarzt Jens Weimer*, 35, Faisabad 2007.

 

Es geht los: Check-in schon um 07 : 30 Uhr, keine Probleme mit der Maschine, freie Platzwahl und Start nach Hannover. Dort Zwischenlandung, um den Flieger voll zu machen, und endlich gegen 14 : 00 Uhr Abflug Richtung Termez. Sechs Stunden später im Luftraum über Usbekistan dann die nächste Meldung: In Termez ist schlechtes Wetter, wir weichen aus nach Uschgant. Uschgant liegt an der turkmenischen Grenze, in Reichweite des Aral-Sees, wir erreichten es dann auch gegen 24 : 00 Uhr Ortszeit. Nachdem die Behörden und die Botschaft dann einige Deals ausgehandelt hatten, wurden wir in Wartehallen gebracht, um dort die Nacht zu verbringen. Außentemperatur –15° C, Innentemperatur 10° C. So wurde es ohne Kälteschutz doch etwas ungemütlich, aber ich kam mit vielen Soldaten ins Gespräch. Am Morgen, nach geschätzten 30 Minuten Schlaf, gab es Frühstück: Plow oder so. Ein Reisgericht mit Paprikastreifen und etwas Rindfleisch. Dass unser Essen auf der zuvor gesehenen Holztonne gegart wurde, fiel uns erst hinterher auf. Es war aber warm, schmackhaft und sowieso das einzige, was da war. Nach einer weiteren Mahlzeit Plow ging es gegen 15 : 00 Uhr Ortszeit endlich Richtung Termez. Der Flieger war kaum in der Luft, da schlief schon alles, sogar die Landung wurde verschlafen. In Termez wurden wir in einem Zelt untergebracht, geheizt, mit Decken und Feldbetten. Ich glaube, die Soldaten in Termez haben noch keine Ankömmlinge gesehen, die sich so über ein kühles Zelt mit Feldbetten gefreut haben wie wir und die so früh ins Bett gefallen sind.

Leutnant Lars Stock*, 30, Masar-i-Scharif 2006.

 

 

Abflugort ist Köln-Wahn, der militärische Teil des Flughafens Köln-Bonn. Diesmal werde ich komfortabel von meiner Einheit hingefahren. Einchecken und Boarden laufen fast wie auf einem zivilen Flughafen. Flugtag ist jeden Dienstag und Freitag; mittwochs und samstags fliegen die Airbusse von Termez dann wieder zurück. Abflug ist um 12 : 30 Uhr, nach 6 Stunden Flug ohne Video landen wir gegen 22 : 30 Uhr örtlicher Zeit in Termez. Als Begrüßungsessen gibt es eine Bulette, ansonsten ist die Transitzone wie immer wenig einladend. Mein Handy hat Empfang, Telefonieren klappt allerdings nicht. Jedoch kann ich eine SMS verschicken, ich hoffe, sie kommt an. Angeblich kostet das Einloggen ins usbekische Netz 8 Euro, ich bin auf die Rechnung gespannt. Um 23 : 00 Uhr müssen wir unser Gepäck nach Zielort sortieren, so bin ich wenigstens sicher, dass meine Kiste da ist und auf der richtigen Palette landet. Als Unterkunft dienen noch die gleichen Großzelte mit Feldliegen. Die Transall C-160 ist das Transportflugzeug der Bundeswehr. Die Propellermaschine ist seit 1968 im Einsatz und soll 2014 vom Airbus A400M abgelöst werden.Am nächsten Morgen geht es dann weiter, endlich mal wieder Transall fliegen. Dieser Lastesel der Bundeswehr fliegt seit knapp 40 Jahre und bis der Airbus A400M kommt, wenn er denn kommt, dauert es noch einige Jahre. Unser Flug führt uns diesmal über Kundus, wo wir eine Gepäckpalette und einige Kameraden ausladen. Ich frage, ob wir uns in der Wartezeit mal die Füße vertreten dürfen, aber Aussteigen ist nur mit schusssicherer Weste erlaubt, Passagiere nach Kundus ausgenommen. Zum Pinkeln dürfte ich eine Klappe im Flugzeugheck, immerhin mit Anstandsvorhang, benutzen – da verzichte ich doch dankend.

Oberstabsarzt Jens Weimer, 35, Kabul 2006.

 

Mit der Transall ging es anschließend über den Hindukusch nach Masar-i-Scharif und dann nach Kabul. Die Blicke über die Berge waren spektakulär, dieses Land ist wunderschön, einsam, rau und in den Bergen völlig menschenleer. C-130: Die Lockheed C-130 Hercules ist ein militärisches Transportflugzeug der US-Army mit Propellerantrieb. Sie ist seit 1956 im Einsatz und eines der meistverbreiteten Transportflugzeuge der Welt.Der Landeanflug auf Kabul war wie eine Achterbahnfahrt, der amerikanische Pilot hat die C-130 quasi senkrecht auf die Piste fallen gelassen, um möglichst wenig Angriffsfläche für Raketen zu bieten. Ich saß zum Glück im Cockpit, sonst wär’ mir noch schlechter geworden. Überhaupt ist die Fliegerei hier spektakulär. Neulich ging es im US-Heli zu einer Besprechung in ein anderes Camp, mit offenen Türen – wie bei Apocalypse Now.

Oberstleutnant Hermann West*, 41, Kabul 2008.

 

 

Um 20.15 Ortszeit sitze ich hier in der Nähe von Kabul vor einem Rechner, nachdem die Reise heute um 11.25 Ortszeit (07.55 in Deutschland) mit der Landung auf dem Kabul International Airport nach drei Tagen zu Ende gegangen ist. Gestern wurde ein Flug nach Kabul von Termez aus wegen schlechter Sicht über dem Hindukusch abgebrochen, heute Morgen war dann schönes Wetter. Der 6-Stunden-Flug Köln/​Wahn nach Termez in Usbekistan hat mir keinerlei Probleme gemacht. Die Landung mit der deutschen Transall war eine wirklich spannende Sache, sie landete mit einem so genannten «Gleitflug», manche nennen es auch «kontrollierten Absturz». Eine wirkliche Erfahrung, die mir als beständigem Nichtflieger doch etwas Grummeln im Magen erzeugte. Zeitgleich war übrigens der amerikanische Verteidigungsminister Rumsfeld dort, den wir live zu Gesicht bekamen. Ich durfte unmittelbar nach ihm ins selbe Klohäuschen verschwinden!!

Hauptmann Marc Jötten*, 54, Kabul 2004.

 

Anfang Dezember 2002 wählte der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck die Formulierung von der Verteidigung der deutschen Sicherheit am Hindukusch, um einen Strategiewechsel der Bundeswehr zu verkünden. Dadurch sollte die Bundeswehr in allen Krisen auf der Welt einsatzfähig werden.Nachdem ich jetzt Internetzugang habe, möchte ich liebe Grüße vom A … der Welt in dieselbige senden. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich das heute in Form einer Sammelmail tue, aber die Verteidigung der deutschen Sicherheit am Hindukusch (Danksagungen nehme ich gerne entgegen …) erfordert meinen ganzen Einsatz.

Oberstabsarzt Jens Weimer, 35, Faisabad 2004.

 

Hier ist alles 100-Mal schlimmer, als es mir in meinen kühnsten Träumen erschien. Wenn Albanien schon schlimm war, was Armut betrifft, und Bosnien, was Zerstörung betrifft, so kann das alles hier mühelos getoppt werden. Der Dreck, der Staub ist unbeschreiblich. Waschen in der Früh bei minus 8 Grad aus der Flasche, weil der Wassercontainer meist eingefroren ist. Die Toilette ist ein Donnerbalken. Von einem Wasserhahn träumen hier alle, von einer Dusche gar nicht zu reden. Kannst du mir etwas zum Kleideraufhängen besorgen? Aber bitte nur, wenn kein Stress damit verbunden ist. Jetzt ist das Licht wieder weg, die Kerze zu schwach, ich ende jetzt. 

Oberstleutnant Bertram Hacker, 62, Kabul 2002.

 

 

Morgen bin ich wieder in Kabul und werde versuchen, Dich, mein Schatz, per Telefon zu erreichen. Es ist mir hier möglich, Nachrichten per Netz (wie Ihr seht) zu senden und empfangen. Allerdings habe ich nicht unbegrenzte Zugriffszeiten. Deshalb nur die kurze...

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