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Football Leaks 2

Neue Enthüllungen aus der Welt des Profifußballs - Ein SPIEGEL-Buch

AutorMichael Wulzinger, Rafael Buschmann
VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl576 Seiten
ISBN9783641232528
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Geld, Lügen und geheime Deals - die Enthüllungen gehen weiter! Mit umfangreichen Recherchen zur Entstehung der Super League
Ob es um die dubiosen Geschäftspraktiken von internationalen Spitzenklubs wie dem FC Barcelona, Manchester City oder Paris Saint-Germain geht, um die Ausbeutung von Jugendspielern oder die Vertuschung von Straftaten: Die Gier im Fußball kennt kaum noch Grenzen. Die SPIEGEL-Journalisten Rafael Buschmann und Michael Wulzinger geben neue, exklusive Einblicke in die zunehmend mafiösen Strukturen im Spitzenfußball und erzählen dabei auch die Geschichte des Mannes, der durch seinen Mut die spektakulären Enthüllungen erst möglich gemacht hat - und dafür nun im Gefängnis sitzt. Das Schicksal von Whistleblower »John« zeigt, wie gnadenlos die Branche gegen jeden vorgeht, der ihr gefährlich werden kann...

Rafael Buschmann, geboren 1982, arbeitet seit 2010 für den SPIEGEL, zunächst im Sportressort und nun als Reporter für investigative Themen. Für die Enthüllungsgeschichte über die mutmaßlich gekaufte Weltmeisterschaft 2006 gewann er mit seinen Kollegen 2016 den Henri-Nannen-Preis, im gleichen Jahr wurde er vom »Medium Magazin« zum Sportjournalisten des Jahres gekürt. Gemeinsam mit Michael Wulzinger hat er in seinem Bestseller »Football Leaks« die schmutzigen Geschäfte im Profifußball enthüllt. Für diese Recherchen wurden die beiden 2018 als »Wirtschaftsjournalisten des Jahres« ausgezeichnet.

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Leseprobe

PROLOG


»Der Fußball ist längst nicht nur ein Spiel. Es geht um so viel mehr. Das müssen die Menschen da draußen endlich verstehen. Wir werden ihnen dabei helfen.«

Es war Anfang 2016, als uns John – den man heute unter seinem Geburtsnamen Rui Pinto kennt – diese Sätze schrieb. Damals klangen sie etwas großspurig. Aus heutiger Sicht lesen sie sich wie eine Vorahnung. Denn in den folgenden dreieinhalb Jahren, die so turbulent, so anstrengend und faszinierend werden sollten, hat dieser junge Mann der Öffentlichkeit Einblicke in die Schattenwelt der Fußballbranche ermöglicht, wie es sie zuvor noch nicht gegeben hat.

Wir hatten John, der unser exklusiver Informant wurde, zum damaligen Zeitpunkt noch nicht persönlich kennengelernt. Erst seit wenigen Wochen tauschten wir uns mit ihm über eine Mailadresse aus. John lebte in der Anonymität und wollte uns noch nicht verraten, wer er ist oder wo genau er sich gerade aufhielt. Aber John erklärte uns, was die Football Leaks sein würden: ein Datenleck von ungeahntem Ausmaß, ein ständig anschwellender Strom hoch vertraulicher und sensibler Informationen, die aus seiner Sicht an die Oberfläche gehörten. Er erklärte uns, warum dieses Projekt für ihn so wichtig sei, was ihn antreibe, und warum er immer weiter daran arbeiten müsse – ungeachtet der Tatsache, dass der Druck auf ihn mit der Zeit fast ins Unermessliche ansteigen würde.

John ist ein junger Portugiese, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Hochglanzfassade der milliardenschweren Fußballbranche zu zertrümmern. Er sagt, es gehe ihm um Transparenz. Seine Waffe sind seine Dokumente: Mails, Kontoauszüge, Verträge, Nebenabsprachen, Gründungsurkunden, Chats und viele weitere, teilweise sehr brenzlige Papiere. Sie gewähren Inneneinsichten in eine Welt, die sich für unangreifbar hielt und die sich fast jeder Kontrolle entzog – und die sich nun, nach Hunderten von Enthüllungsgeschichten, nicht nur herausgefordert, sondern bedroht fühlt. Die Dokumente von Football Leaks sind für viele Kriminelle, Betrüger, Steuerhinterzieher oder Kleinganoven, die sich im Profifußball eingenistet haben, so brandgefährlich, weil sie authentisch und belastbar sind. Johns Daten erlauben es uns Journalisten, Vorgänge, die für immer geheim bleiben sollten, gerichtsfest zu rekonstruieren und zu beschreiben. Und sie machen auch vor den Weltstars dieses Sports nicht halt.

John übergab dem SPIEGEL und dem Recherchenetzwerk European Investigative Collaborations (EIC) weit über 70 Millionen Dokumente, mehr als 3,4 Terabyte, eine Größenordnung, die uns im wahrsten Sinne des Wortes unfassbar schien. Die Arbeit an und mit diesem Material hat uns Reporter und Rechercheure in den vergangenen Jahren immer wieder an unsere Grenzen gebracht.

Wir beschreiben in diesem Buch die Geschichte dieses Datensatzes. Es ist zugleich die Geschichte von John, dem Whistleblower hinter den Football Leaks, der ein Leben zwischen den Extremen führt, geprägt von Mut wie von Angst, angetrieben von einer tiefen Überzeugung, durchsetzt von Zweifeln. John ist ein schillernder Charakter. Sein Kampf gegen die Mächtigen des Fußballs wird auch zu einem Kampf gegen die Justiz und gegen die Einflussnahme der Politik.

Wir stellen diese inneren Auseinandersetzungen unseres Whistleblowers genauso dar wie seinen Wunsch, einfach auszusteigen und ein normales Familienleben führen zu wollen. Seine persönliche Geschichte wird uns auch tief in die großen Fragestellungen einer digitalen Welt führen, in der die Möglichkeiten der freien Rede und manche moralische Grenze neu justiert werden müssen. Dabei liefert uns Johns Fall am Ende dieser langen Recherche mehr Fragen als Antworten. Diese Erkenntnis ist nicht einfach zu formulieren, weil sie dem Aufklärungsgedanken des Journalismus widerspricht. Und trotzdem halten wir sie für wichtig. Denn manchmal sind richtige Fragen der wertvollere Debattenbeitrag als scheinbar klare Erkenntnisse, weil die Zeit noch nicht reif ist für abschließende Antworten. So werden wir im gesamten Buch immer wieder zwei Punkte aufgreifen, die uns bis heute nicht loslassen: Darf ein Whistleblower auch ein Hacker sein? Und wie müssen Whistleblower, die als Aufklärer einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag geleistet haben, geschützt werden?

John, der immer bestritten hat, ein Hacker zu sein, aber gleichzeitig nicht verraten will, woher seine Dokumente stammen, ist aus unserer Sicht ein Whistleblower. Für uns erfüllt er das wichtigste Kriterium für diesen besonderen Typus des Informanten: Er ist ein Mensch, der unter hohen persönlichen Risiken entscheidend daran mitwirkte, Missstände und Fehlverhalten zu enthüllen. Ohne seine Dokumente hätten wir zahlreiche Beiträge nicht publizieren können, die nicht nur von überragendem öffentlichen Interesse gewesen sind, sondern die weltweit Debatten über die Entwicklung des Fußballs angestoßen haben – und die bis heute sport- oder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Wir diskutieren in diesem Buch aber auch die andere Sichtweise auf John. Seine Gegner und Kritiker werfen ihm Datendiebstahl vor, sie sagen, er sei ein Hacker, der sich an den Football Leaks bereichern wolle. John bestreitet das.

Wir beschreiben unseren Umgang mit unserem Informanten so transparent, wie es uns unter der Prämisse des Quellenschutzes nur möglich ist. Manche der Dialoge, die wir mit John geführt haben und die wir hier wiedergeben, haben wir im Anschluss an unsere Treffen nach bestem Wissen und Gewissen rekonstruiert. Andere stammen aus unseren verschlüsselten Chats und Mails. Johns Regel bei seiner wörtlichen Wiedergabe war immer recht simpel und für uns jederzeit tragbar: »Schreibt das, was ich gesagt habe. Außer, ich sage vorher, dass es vertraulich ist.«

Normalerweise nehmen Journalisten die Gespräche mit ihren Protagonisten auf Tonband auf und legen ihnen die anschließend verwendeten Zitate vor Drucklegung noch einmal zur Autorisierung vor – mit der Bitte, diese zu prüfen. Dies war in unserem Fall nicht möglich. John wurde im Januar 2019 verhaftet, seit März sitzt er in Untersuchungshaft in Lissabon. Wir haben zahlreiche Anfragen an die portugiesische Justiz gestellt und darum gebeten, mit John sprechen zu können. Dies wurde ohne Begründung abgelehnt, obwohl John sich für ein solches Treffen ausgesprochen hat. Dabei haben natürlich auch Häftlinge ein Recht auf Meinungsäußerung.

John hat sich bislang nie gegen Passagen oder Zitate gewandt, die wir unter Berücksichtigung seiner oben genannten Regel in unseren SPIEGEL-Artikeln und in unserem ersten Football-Leaks-Buch beschrieben haben. Im Gegenteil: John war mit seiner Darstellung durchweg einverstanden, das meldete er uns mehrfach zurück. Wir hoffen nun, dass wir ihn und seine Worte auch diesmal so wiedergeben, dass er sich darin wiederfinden kann.

Die langen Gespräche mit ihm, die wir in diesem Buch wiedergeben, sind oft verkürzte, geraffte Versionen unserer zahlreichen Treffen. Wir präsentieren sie zum Zweck der besseren Lesbarkeit in Dialogform und versuchen sie jeweils auf den Gesprächskern zu reduzieren – diese Stilform wählten wir durchweg in den erzählenden Passagen dieses Buches.

Dabei standen wir insbesondere im Umgang mit John vor zwei zentralen Problemen journalistischer Arbeit: Wir konnten in den vergangenen dreieinhalb Jahren kaum Audiomitschnitte von Gesprächen mit John anfertigen, er selbst hat das abgelehnt. John lebte in der Anonymität, und jedes aufgezeichnete Wort hätte diese – und dadurch ihn – gefährden können. Wir rekonstruieren seine Dialoge also mithilfe unserer Protokolle, Aufzeichnungen und Erinnerungen. Wir sind uns dabei der Gefahr bewusst, dass John möglicherweise während seines Prozesses erklären könnte, dass er manche Dinge, die in diesem Buch stehen, nie gesagt hat. Niemand muss sich in einem Rechtsstaat selbst belasten, das gilt selbstverständlich auch für Whistleblower. Aus journalistischer Überzeugung bewerten wir es trotzdem als wichtig, unseren Blick auf ihn und das Football-Leaks-Projekt so wiederzugeben, wie wir es hier und seit dreieinhalb Jahren tun. Aber es ist eben unser Blick, möglicherweise hat John einen anderen – auch, weil sich seine Lebenssituation mittlerweile verändert hat.

Eine Autorisierung seiner Zitate war auch über seine Anwälte nicht möglich. Sie werden von einer Stiftung finanziert, eine Autorisierung eines über 500 Seiten starken Buchs war in den vergangenen Monaten verständlicherweise nicht ihre oberste Priorität. Zumal auch sie vor dem Problem standen, dass es für Beschuldigte im Vorfeld eines Prozesses nur selten klug ist, sich öffentlich zu äußern. Dieses Buch ist nicht Johns Autobiografie, sondern unsere Beschreibung eines dreieinhalb Jahre andauernden Projekts.

Für den Umgang mit den Football-Leaks-Dokumenten waren die Regeln eindeutiger. John erklärte uns immer wieder, dass er die Papiere – woher und wie auch immer er sie erhalten hat – unbearbeitet und nicht vorsortiert an uns weitergegeben habe. Wir sind in den mehr als drei Jahren bei den tausendfachen Prüfungen und Gegenprüfungen nicht auf ein einziges Dokument gestoßen, das gefälscht oder manipuliert war. Vielmehr bilden die Daten die Fußballwelt so ab, wie sie ist. Dieses Bild kann entlarvend sein, erklärend, verstörend. Es ist der Gegenentwurf zu dem heroischen Bild, das die Fußballbranche von sich zeichnet.

Wir haben in den Football-Leaks-Daten eine breit gefächerte Auswahl an Belegen gefunden, die es uns erlaubt, Fehlentwicklungen dieser...

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