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Frühe Dialoge

(Mit Begleittexten vom Philosophie Magazin)

AutorPlaton
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783104036922
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Edition Philosophie Magazin: Eine exklusive Auswahl zentraler philosophischer Texte durch das »Philosophie Magazin«. Mit den ungekürzten Dialogen in der klassischen Übersetzung von Schleiermacher sowie - einer sachkundigen Einführung von Rafael Ferber - einer Zeitleiste zu Leben und historischem Kontext - Erläuterungen der Grundbegriffe Platons - mit Beiträgen von Michael Hampe, Ekkehard Martens sowie Jochen Schmidt zur bleibenden Bedeutung des Werks Platon ist Beginn der Philosophie. Seine Figur des Sokrates ist der exemplarische Philosoph, den Platon in seinen frühen Dialogen im Gespräch mit der Athener Jugend porträtiert, Sokrates' zentraler Satz lautet: »Ich weiß, dass ich nichts weiß.« Die Gespräche drehen sich um wichtige philosophische Themen wie z.B. ?Schönheit?, ?Rhetorik und Gerechtigkeit? sowie um Sokrates' Einstellung zu seiner Verurteilung. Folgende Dialoge sind enthalten: Apologie / Kriton / Protagoras / Gorgias / Hippias I

Der griechische Philosoph Platon (428 v. Chr. bis 348 v. Chr.) war Schüler des Sokrates und übte als Begründer der objektiv-idealistischen Philosophie auf die gesamte Entwicklung der Philosophie großen Einfluss aus. Er setzte Maßstäbe in der Erkenntnistheorie, der Ethik, der Anthropologie, der Staatstheorie, der Kosmologie, der Kunsttheorie und der Sprachphilosophie. Den Kern seiner Philosophie stellt die Ideenlehre dar. Zu Platons berühmtestem Schüler zählt Aristoteles, der ihm in zentralen Fragen widersprach.

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Leseprobe

Platon

Frühe Dialoge


Apologie des Sokrates


1. Begründung und Kriterium der Verteidigungsweise

Was wohl euch, ihr Athener, meine Ankläger angetan haben17a, weiß ich nicht: ich meines Teils aber hätte ja selbst beinahe über sie meiner selbst vergessen; so überredend haben sie gesprochen. Wiewohl Wahres, daß ich das Wort heraussage, haben sie gar nichts gesagt. Am meisten aber habe ich eins von ihnen bewundert unter dem vielen, was sie gelogen, dieses, wo sie sagten, ihr müßtet euch wohl hüten, daß ihr nicht von mir getäuscht würdet, weil ich gar gewaltig wäre im Reden. Denn daß sie sich nicht schämenb, sogleich von mir widerlegt zu werden durch die Tat, wenn ich mich nun auch im geringsten nicht gewaltig zeige im Reden, dieses dünkte mich ihr Unverschämtestes zu sein; wofern diese nicht etwa den gewaltig im Reden nennen, der die Wahrheit redet. Denn wenn sie dies meinen, möchte ich mich wohl dazu bekennen, ein Redner zu sein, der sich nicht mit ihnen vergleicht. Diese nämlich, wie ich behaupte, haben gar nichts Wahres geredet; ihr aber sollt von mir die ganze Wahrheit hören. Jedoch, ihr Athener, beim Zeus, Reden aus zierlich erlesenen Worten gefällig zusammengeschmückt und aufgeputzt, wie dieser ihre waren, keineswegsc, sondern ganz schlicht werdet ihr mich reden hören in ungewählten Worten. Denn ich glaube, was ich sage, ist gerecht, und niemand unter euch erwarte noch sonst etwas. Auch würde es sich ja schlecht ziemen, ihr Männer, in solchem Alter gleich einem Knaben, der Reden ausarbeitet, vor euch hinzutreten.

Indes bitte ich euch darum auch noch sehr, ihr Athener, und bedinge es mir aus, wenn ihr mich hört mit ähnlichen Reden meine Verteidigung führen, wie ich gewohnt bin auch auf dem Markt zu reden bei den Wechslertischen, wo viele unter euch mich gehört haben, und anderwärtsd, daß ihr euch nicht verwundert noch mir Getümmel erregt deshalb. Denn so verhält sich die Sache. Jetzt zum erstenmal trete ich vor Gericht, da ich siebzig Jahre alt bin; ganz ordentlich also bin ich ein Fremdling in der hier üblichen Art zu reden. So wie ihr nun, wenn ich wirklich ein Fremder wäre, mir es nachsehen würdet, daß ich in jener Mundart und Weise redete, worin ich erzogen worden18a: eben so erbitte ich mir auch nun dieses Billige, wie mich dünkt, von euch, daß ihr nämlich die Art zu reden überseht – vielleicht ist sie schlechter, vielleicht auch wohl gar besser – und nur dies erwägt und acht darauf habt, ob das recht ist oder nicht, was ich sage. Denn dies ist des Richters Tüchtigkeit, des Redners aber, die Wahrheit zu reden.

2. Ursprung und Gefährlichkeit der Verleumdung

Zuerst nun, ihr Athener, muß ich mich wohl verteidigen gegen das, dessen ich zuerst fälschlich angeklagt bin, und gegen meine ersten Ankläger, und hernach gegen der späteren Späteresb. Denn viele Ankläger habe ich längst bei euch gehabt und schon vor vielen Jahren, und die nichts Wahres sagten, welche ich mehr fürchte als den Anytos, obgleich auch der furchtbar ist. Allein jene sind furchtbarer, ihr Männer, welche viele von euch schon als Kinder an sich gelockt und überredet, mich aber beschuldigt haben ohne Grund, als gäbe es einen Sokrates, einen weisen Mann, der den Dingen am Himmel nachgrüble und auch das Unterirdische alles erforscht habe und Unrecht zu Recht mache. Diese, ihr Athenerc, welche solche Gerüchte verbreitet haben, sind meine furchtbaren Ankläger. Denn die Hörer meinen gar leicht, wer solche Dinge untersuche, glaube auch nicht einmal Götter. Ferner sind auch dieser Ankläger viele, und viele Zeit hindurch haben sie mich verklagt und in dem Alter zu euch geredet, wo ihr wohl sehr leicht glauben mußtet, weil ihr Kinder wart, einige von euch wohl auch Knaben, und offenbar an leerer Stätte klagten sie, wo sich keiner verteidigted. Das übelste aber ist, daß man nicht einmal ihre Namen wissen und angeben kann, außer etwa, wenn ein Komödienschreiber darunter ist. Die übrigen aber, welche euch gehässig und verleumderisch aufgeredet und auch die, selbst nur überredet, andre Überredenden, in Absicht dieser aller bin ich ganz ratlos. Denn weder hierher zur Stelle bringen noch ausfragen kann ich irgendeinen von ihnen: sondern muß ordentlich wie mit Schatten kämpfen in meiner Verteidigung und ausfragen, ohne daß einer antwortet. Nehmt also auch ihr an, wie ich sage, daß ich zweierlei Ankläger gehabt habe, die einen, die mich eben erst verklagt haben, die andern, die von ehedem, die ich meine; und glaubte, daß ich mich gegen diese zuerst verteidigen muß. Denn auch ihr habt jenen, als sie klagten, zuerst Gehör gegeben, und weit mehr als diesen späteren.

Wohl! Verteidigen muß ich mich also, ihr Athener, und den Versuch machen, die verkehrte Meinung19a, die ihr in langer Zeit bekommen habt, euch in so sehr kurzer Zeit zu benehmen. Ich wünschte nun zwar wohl, daß dieses so erfolgte, wenn es so besser ist für euch sowohl als für mich, und daß ich etwas gewönne durch meine Verteidigung. Ich glaube aber, dieses ist schwer, und keineswegs entgeht mir, wie es damit steht. Doch dieses gehe nun, wie es dem Gott genehm ist, mir gebührt, dem Gesetz zu gehorchen und mich zu verteidigen.

3. a) Sokrates, der übermenschliche Weise

Rufen wir uns also zurück von Anfang her, was für eine Anschuldigung es ist, aus welcher mein übler Ruf entstanden ist, worauf bauend auch Meletos diese Klage gegen mich eingegeben hatb. Wohl! Mit was für Reden also verleumdeten mich meine Verleumder? Als wären sie ordentliche Kläger, so muß ich ihre beschworene Klage ablesen: »Sokrates frevelt und treibt Torheit, indem er unterirdische und himmlische Dinge untersucht und Unrecht zu Recht macht und dies auch andere lehrtc.« Solcherart ist sie etwa: denn solcherlei habt ihr selbst gesehen in des Aristophanes Komödie, wo ein Sokrates vorgestellt wird, der sich rühmt, in der Luft zu gehen, und viel andere Albernheiten vorbringt, wovon ich weder viel noch wenig verstehe. Und nicht sage ich dies, um eine solche Wissenschaft zu schmähen, sofern jemand in diesen Dingen weise ist – möchte ich mich doch nicht solcher Anklagen von Meletos zu erwehren haben! –, sondern nur, ihr Athener, weil ich eben an diesen Dingen keinen Teil habed. Und zu Zeugen rufe ich einen großen Teil von euch selbst und fordere euch auf, einander zu berichten und zu erzählen, so viele euer jemals mich reden gehört haben. Deren aber gibt es viele unter euch. So erzählt euch nun, ob jemals einer unter euch mich viel oder wenig über dergleichen Dinge hat reden gehört. Und hieraus könnt ihr ersehen, daß es ebenso auch mit allem übrigen steht, was die Leute von mir sagen.

3. b) Sokrates, der Menschenerzieher

Aber es ist eben weder hieran etwas, noch auch wenn ihr etwa von einem gehört habt, ich unternähme es, Menschen zu erziehen, und verdiente Geld damite; auch das ist nicht wahr. Denn auch das scheint mir meines Teils wohl etwas Schönes zu sein, wenn jemand imstande wäre, Menschen zu erziehen, wie Gorgias der Leontiner und Prodikos der Keier und auch Hippias von Elis. Denn diese alle, ihr Männer, verstehen es, in allen Städten umherziehend die Jünglinge – die dort unter ihren Mitbürgern zu wem sie wollten sich unentgeltlich halten könnten – diese also überreden sie20a, mit Hintansetzung jenes Umgangs sich Geld bezahlend zu ihnen zu halten und ihnen noch Dank dazu zu wissen. Ja es gibt auch hier noch einen andern Mann, einen Parier, von dessen Aufenthalt ich erfuhr. Ich traf nämlich auf einen Mann, der den Sophisten mehr Geld gezahlt hat als alle übrigen zusammen, Kallias, den Sohn des Hipponikos. Diesen fragte ich also, denn er hat zwei Söhne: Wenn deine Söhne, Kallias, sprach ich, Füllen oder Kälber wären, wüßten wir wohl einen Aufseher für sie zu finden oder zu dingenb, der sie gut und tüchtig machen würde in der ihnen angemessenen Tugend, es würde nämlich ein Zureiter sein oder ein Landmann: nun sie aber Menschen sind, was für einen Aufseher bist du gesonnen ihnen zu geben? Wer ist wohl in dieser menschlichen und bürgerlichen Tugend ein Sachverständiger? Denn ich glaube doch, du hast darüber nachgedacht, da du Söhne hast. Gibt es einen, sprach ich, oder nicht? O freilich, sagte er. Wer doch, sprach ich, und woher ist er und um welchen Preis lehrt er? Euenos der Parier, antwortete er, für fünf Minen. Da pries ich den Euenos glücklich, wenn er wirklich diese Kunst besäßec und so vortrefflich lehrte. Ich also würde gewiß mich recht damit rühmen und großtun, wenn ich dies verstände: aber ich verstehe es eben nicht, ihr Athener.

4. a) Der Orakelspruch von der Weisheit des Sokrates

Vielleicht nun möchte jemand von euch einwenden: Aber Sokrates, was ist denn also dein Geschäft? Woher sind diese Verleumdungen dir entstanden? Denn gewiß, wenn du nichts Besonderes betriebest vor andern, es würde nicht solcher Ruf und Gerede entstanden seind, wenn du nicht ganz etwas anderes tätest als andere Leute. So sage uns doch, was es ist, damit wir uns nicht aufs Geratewohl unsere eigenen Gedanken machen über dich. Dies dünkt mich mit Recht zu sagen, wer es sagt, und ich will versuchen, euch zu zeigen, was dasjenige ist, was mir den...

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