In diesem Kapitel wird ein kurzer Abriss über die Historie der Rohstoffmärkte gegeben und auf die gestiegene Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung hingewiesen.
Die Rohstoffmärkte stellen den Ursprung des Handels dar, sie sind und waren seit jeher auf der ganzen Welt zu finden. Bereits die Sumerer haben vor vielen Jahrtausenden Schafe und Ziegen gegen besondere Muscheln getauscht und dabei Standards festgelegt, die Qualität und Menge bestimmten. Im Altertum waren es Griechen und Phönizier, die rund um das Mittelmeer in großen Mengen mit Weizen, Holz, Feldfrüchten und Gewürzen handelten.[1]
Termingeschäfte oder der Handel mit Futures in ihrer heutigen Form traten in Europa allerdings erst in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts auf. Den Anfang machte Edward Lloyd, Kaffeehausbesitzer und Importeur von Kaffee. Er garantierte den Schiffseignern einen festen Preis für Kaffee, noch bevor sie die Ware erhielten. Übrigens entwickelte sich aus diesem Unternehmen später das weltberühmte Versicherungs-unternehmen Lloyd´s of London. Zur gleichen Zeit erkannte man auch in Japan den Nutzen von Termingeschäften, hier wurde hauptsächlich mit Reisfutures gehandelt.[2] Die eigentliche Geburtsstätte des Effektenhandels ist Amsterdam mit der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Hier wurden erstmals Aktien für die Finanzierung des Transports von Waren aus dem fernen Osten aufgelegt.[3] In den USA entstand der Terminhandel aufgrund des stark schwankenden Weizenpreises. Bis dahin gab es mangels längerfristiger Lagerungsmöglichkeiten ausschließlich den Kassamarkt. In Chicago löste man dann das Problem , indem man Silos baute, um im Herbst einen Teil der Ernte einlagern zu können und diese im Frühjahr zu verkaufen. Der Preis und die Menge wurden im vorhinein vertraglich vereinbart. Diese Verträge stellen somit die ersten Forwardkontrakte dar. Im Jahr 1851 gründeten einige Kaufleute, die die Notwendigkeit eines zentralen Marktplatzes erkannt hatten, in einem ehemaligen Mehllagerhaus die erste Rohstoffbörse der Welt - das Chicago Board of Trade.[4]
Heute finden sich auf der ganzen Welt Rohstoffbörsen, an denen die verschiedenste Waren gehandelt werden. Neben der eben genannten, die mittlerweile in die Chicago Mercantile Exchange Group übergegangen ist, sind die bedeutendsten die NYMEX in New York, die LME für Metalle in London und die EURONEXT, einem Verbund aus mehreren europäischen Börsen, die sich seit einiger Zeit mit der New York Stock Exchange zusammengeschlossen hat. Insgesamt haben die landwirtschaftlichen Rohstoffe im Vergleich zu den Anfängen des Terminhandels stark an Bedeutung verloren, während Industrie- und Edelmetalle sowie insbesondere Energieträger stark an Marktpräsenz gewonnen haben.
Bis vor ca. 20 Jahren galten Rohstoffe lediglich als Ressourcen, die von der Industrie genutzt wurden und jederzeit zu günstigen Preisen zur Verfügung standen. Es gab keine großen Engpässe und daher nur äußerst selten große Preisexplosionen. So wurden sie von der Öffentlichkeit kaum als wertvolles Gut wahrge-nommen mit Ausnahme der beiden Ölpreisschocks 1973 und 1979, die in der Öffentlichkeit für großes Aufsehen sorgten.
Dies änderte sich in den letzten Jahren grundlegend. In den folgenden Kapiteln wird beschrieben, wie und wodurch die Rohstoffe in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt sind und wie sehr nicht nur die Unternehmen sondern jeder einzelne Verbraucher von der Preisentwicklung betroffen ist, z.B. bei Benzinpreis oder Heizkosten. Im wesentlichen wird auf die Verknappung der Rohstoffe, die verstärkte Vermarktung als Assetklasse und geopolitische Ereignisse eingegangen.
Die Ursachen sind in erster Linie das Wachstum der Schwellenländer, Kriege und andere politische Konflikte, sowie die Klimaveränderung.
2.2.1.1 Wirtschaftswachstum in Schwellenländern
Grundsätzlich gilt: Je stärker die Wirtschaft eines Landes wächst, desto mehr Rohstoffe werden für Industrie und Konsum benötigt. Wenn es sich dabei um Länder handelt, die zu den größten der Welt zählen, macht sich dies naturgemäß viel stärker bemerkbar. In vielen Schwellenländern gibt es schon seit geraumer Zeit ein Wirtschaftswachstum, das weit über das der Industriestaaten hinausgeht und in Zukunft weiter zunehmen wird. Zur Veranschaulichung sollen folgende Graphik und Tabelle beisteuern:
Quelle: o.V. (2009a), S. 9.
Abb. 1: Entwicklung des BIP in % von 1970 bis 2010
Quelle: eigene Darstellung
Tab. 1: BIP-Wachstumsraten i.V. zum Vorjahr
Aus Abbildung 1 wird deutlich, dass spätestens seit Mitte der 90er Jahre das Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer (gemessen am BIP) um vieles stärker ist als das der Industrieländer und damit in Summe stark zum globalen Wachstum beiträgt. In Tabelle 1 zeigen die absoluten BIP-Wachstumsraten der letzten drei Jahre, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer im Schnitt um ca. 5 %-Punkte p.a. stärker gewachsen sind als die Industrieländer. Das größte Augenmerk muss hierbei auf die bevölkerungsreichsten Länder China und Indien fallen, bei denen jährliche Wachstumsraten von ca. 10 % schon fast als „normal“ gelten. Selbst die aktuelle Wirtschaftskrise hat diesen beiden Ländern nicht so sehr zusetzen können wie den Industrieländern, so dass auch für 2009 ein Wachstum für China von 6,5 % und für Indien von 4,5 % prognostiziert wird.[5]
Im weiteren soll beispielhaft für die Schwellenländer die Rohstoffentwicklung in China betrachtet werden: Die hohe Nachfrage nach Hard Commodities[6] hat sich im Wachstum des BIP niedergeschlagen. So ist in nur wenigen Jahren ein dichtes Verkehrsnetz von Autobahnen, Eisenbahnen und Flughäfen entstanden, das noch lange nicht ausreicht für den Transport der jährlich zunehmenden Massen an Rohstoffen, die für die chinesische Industrie benötigt werden. Der Ausbau der modernen Logistik wird also weitergehen. Allein in Shanghai werden pro Jahr mehr Wohn- und Bürotürme gebaut als in Europa in zehn Jahren. Der Wunsch von immer mehr besser verdienenden Chinesen, Wohneigentum zu besitzen, wird diese Entwicklung noch beschleunigen.[7] Dies wird zu einem enormen Rohstoffverbrauch , insbesondere von Industriemetallen und Energie führen.
Bereits seit einigen Jahren ist China der weltweit größter Nachfrager von allen bedeutenden Industriemetallen und steht beim Erdölverbrauch an zweiter Stelle hinter den USA. Der Boom ist fast schon erschreckend. Bei einigen Rohstoffen scheint es kaum noch andere Nachfrager zu geben, obwohl bspw. die Produktionsmenge von Stahl über der von den USA, Russland und Deutschland zusammen liegt (2004: 280 Mio. Tonnen, 2008: 500 Mio. Tonnen). Trotz dieser riesigen Produktionszahlen ist China immer noch ein Stahl-IMPORTLAND.[8]
Die Prägung des weltweiten Rohstoffverbrauchs durch China zeigt folgende Auflistung für 2008:
10 % der Erdölproduktion
40 % der Produktion von Kohle und Koks
25 % der Aluminiumherstellung
30 % der Zinkproduktion
40 % der Stahlproduktion
40 % der Zementproduktion[9]
Aggregierte Zahlen aus dem Jahr 2005 belegen, dass China 30 % aller weltweit produzierten Rohstoffe verbraucht hat[10], die Wirtschaftsleistung aber unter 10 % gelegen hat. Aus diesem Missverhältnis wird klar, dass die Weltrohstoffnachfrage bei zukünftig weiter wachsender Wirtschaft in China extrem steigen wird.[11]
Die anderen Emerging Market - Länder, wie Vietnam, Thailand und Brasilien wachsen fast ebenso stark, sind aber kleiner und deshalb in der Öffentlichkeit nicht so gegenwärtig. In Indien hingegen leben ebenfalls mehr als eine Mrd. Menschen. Da dort die Infrastruktur noch nicht so gut entwickelt ist wie in China und Entscheidungen wegen der politischen Situation oftmals in die Länge gezogen werden, ist die Nachfrage nach Industrierohstoffen geringer. Im Bereich der Informationstechnologie, zunehmend auch in der Raumfahrt, der Medizin, der Genforschung und anderen Bereichen der Wissenschaft hat ebenfalls ein starkes Wachstum stattgefunden.[12]
Insgesamt kurbeln sich die Wirtschaften der einzelnen Emerging Markets gegenseitig stark an, was Abbildung 2 verdeutlichen soll.
Abb. 2: Wirtschaftskreislauf der Rohstoffländer
In den...