2. Neun Schritte zum Fundraising-Erfolg
Wer kennt nicht die Schlagzeilen in den Tageszeitungen „Der Staat muss sparen“, „Kommunale Mittel werden knapp“, „Einsparungen bei Sozialausgaben unvermeidbar“, „Talentschuppen am Ende“, „Studiengebühren als ultima ratio“, „Das Theater muss schließen“? Und dabei wachsen die Anforderungen, die an das Sozial-, Bildungs- und Erziehungswesen gestellt werden, aber auch an kulturelle, sportliche, ökologische, wissenschaftliche und kirchliche Einrichtungen.
Die Träger und die verantwortlichen Mitarbeiter von gemeinnützigen Initiativen fragen sich immer öfter, wie sie ihre Aufgaben künftig erfüllen wollen, wenn staatliche und kommunale Gelder nicht mehr oder nicht mehr in dem Maße wie bislang zur Verfügung gestellt werden sollten – ganz zu schweigen von der Bewältigung neuer Herausforderungen, wie sie sich durch den Klimawandel oder das Altern unserer Gesellschaft ergeben. So wird im Jahre 2030 jeder dritte Einwohner Deutschlands 60 Jahre oder älter sein.
Diese kurz beschriebene Situation sollte allerdings nicht zur Mutlosigkeit oder Lethargie Anlass geben, bietet sich doch bei allen Risiken auch die Chance, neue ordnungspolitische Weichenstellungen vorzunehmen. Denn die Leistungsfähigkeit des Staates, dies zeigt sich immer mehr, ist beschränkt. Er ist in der Lage, eine Grundversorgung für die Bürger im Sozialen, in der Erziehung, der Wissenschaft oder der Kultur halbwegs sicherzustellen, aber auch nicht mehr.
Damit eröffnet der Staat heute, oftmals ungewollt, Raum für Privatinitiativen. Seit der Entstehung der modernen Territorialstaaten im Europa des 16./17. Jahrhunderts hatte er diese zurückgedrängt. Der öffentliche Bereich, eingebettet zwischen dem staatlichen und privaten Lebensraum, verkümmerte dabei zu einem von Bürokratien organisierten, anonymen System von privaten Rechtsansprüchen und staatlichen Leistungen.
Es waren insbesondere der Philosoph Georg W.F. Hegel und seine Schüler, denen im 19. Jahrhundert der preußische Staat als „das vorhandene wirklich sittliche Leben“ galt. Sein Monopol auf die „objektive Vernunft“ sollte möglichst nicht leichtfertig zugunsten privater, d.h. nur schwer kontrollierbarer Einflüsse aufgegeben werden. Als bestes mäzenatisches Tun galt folglich das Steuerzahlen – eine Vorstellung, die auch heute noch bei manchem fortlebt in der Hoffnung: Die Obrigkeit bzw. der Wohlfahrtsstaat werden es schon richten.
Die Bismarcksche Sozialgesetzgebung und ihre Vervollkommnung im Industriezeitalter, der Staat als Förderer der Wissenschaft, seine quasi Monopolstellung im Schul- und Bildungswesen, die Kommunalisierung von Kunst und Kultur in der Weimarer Republik haben – bei aller unleugbaren historischen Notwendigkeit und vorteilhaften Wirkung für die Bürger – die Privatinitiative immer mehr zugunsten des staatlichen Handelns verdrängt. Totalitäre Systeme in Deutschland taten schließlich ein Übriges, die öffentliche Sphäre zu verstaatlichen.
Erst in den letzten Jahren, angesichts einer zu beobachtenden gesellschaftlichen Orientierungskrise, zunehmender Parteienverdrossenheit und leerer Staatskassen, erhält der einzelne Bürger wieder die Chance und zugleich Verpflichtung, die lange Zeit scheinbar geltende Gleichung „öffentliches Handeln gleich staatliches Handeln“ durch eigenes Tun zu widerlegen. Eine Voraussetzung hierfür dürfte freilich das Bewusstsein sein: Der Staat ist nicht (mehr) für alles da!
2.1. Bewusstsein schaffen
Bernhard Freiherr von Loeffelholz, langjähriges Vorstandsmitglied der Kulturstiftung Dresden, beschreibt die Wiederentdeckung des Kunstförderers in unserer Zeit: „Man hat ihn lange für entbehrlich gehalten, bisweilen auch für störend wie einen Maulwurf, der in die mit öffentlichen Mitteln gepflegte Kulturlandschaft einen Haufen setzte, wo ihn der Gärtner eigentlich nicht haben wollte.“
Folglich beobachten Bund, Länder und Gemeinden das Engagement der Stifter, Spender und Sponsoren in gemeinnützigen Aufgabenfeldern nicht nur freudig, sondern bisweilen auch eifersüchtig und skeptisch. Der Wohlfahrtsstaat und die ihn tragenden politischen Parteien haben nun einmal die Tendenz, selbst aktiv zu sein, den Bürgern hingegen eine eher passive Rolle zuzuweisen.
Gleichwohl sind Privatpersonen und Unternehmen zu persönlichem Engagement und freiwilligen Leistungen für das Gemeinwohl bereit, wenn sie die Überzeugung gewonnen haben, besser und schneller als der Staat neue gesellschaftliche Aufgaben zu erkennen und zu ihrer Lösung beizutragen. Man erinnert sich traditioneller Bürgertugenden, stellt sich selbst wieder bewusst den Problemen der Zeit, beschränkt sein Handeln nicht auf den Ruf nach „mehr Staat“ und sichert so eigene Freiheitsräume ebenso wie die Pluralität unserer Gesellschaftsordnung.
Der Weg vom Wohlfahrtsstaat zu einer von möglichst vielen Bürgern gestalteten Wohlfahrtsgesellschaft ist weit, aber das Leitbild hierfür lässt sich leicht beschreiben: Je mehr Menschen sich freiwillig für das Gemeinwohl engagieren, desto mehr steigt die Produktivität der Gesellschaft insgesamt, umso ökonomischer und mit umso größerem persönlichen Engagement werden Dienste und Leistungen für Kunst und Kultur, Sport und Ökologie, soziale und wissenschaftliche Anliegen erbracht.
Die Vergesellschaftung des Wohlfahrtsstaates müssen Bürger, wollen sie die öffentliche Sphäre mitgestalten, selbst in die Hand nehmen. Dabei darf man sich nicht auf den Staat verlassen oder gar Hilfen erwarten. Die Schaffung einer Wohlstandsgesellschaft führt über Freundschaften, die Nachbarschaft und über die Ortsgemeinde. Das neue, alte Schlagwort lautet: Charity begins at home! (Nächstenliebe fängt zu Hause an!)
Die Nachbarschaftsinitiativen, die in den USA auch als Community Foundations organisiert sind, bieten sich den kommunalen Verwaltungen als selbstbewusste Partner an. „Give Five“ fordert United Way, ein mehr oder weniger lockerer Zusammenschluss von zahlreichen regionalen und lokalen gemeinnützigen Einrichtungen. Fünf Dollar pro Tag oder fünf Stunden ehrenamtliche Tätigkeit pro Woche lautet das angestrebte Ziel.
Abb. 2. Eine Forderung an die Bürgergesellschaft – kurz, einprägsam, hoffnungsfroh
Auch in Deutschland wollen neue Initiativen, wie die in bislang über 225 Städten gegründeten Bürgerstiftungen, ideelles wie materielles Engagement für die Gemeinschaft verbinden und den kommunalen Behörden als selbstbewusste Partner begegnen. Dazu gehört die Ergänzungsfunktion zu staatlichem Handeln – sei es, dass bestimmte Projekte in einem kommunalen Haushalt nicht vorgesehen sind, aber dringend unterstützt werden müssen, sei es, dass ein Bundesland aus rechtlichen, technischen oder organisatorischen Gründen keine oder keine hinreichenden Mittel für Sportvereine, Seniorentreffs, Theater, literarische Klubs, Naturschutzprojekte, soziale Brennpunkte bereitstellen kann. Hier haben private Fördereinrichtungen eine legitime Hilfs- und Feuerwehrfunktion. Ihre Trümpfe sind die Flexibilität und die unbürokratische, auch kurzfristige Entscheidungsfindung.
Die Ergänzungsfunktion der privaten Fördermittel wird seitens des Staates und der Kommunen gern dazu missbraucht, sie lediglich als Lückenbüßer für fehlende oder gekürzte Haushaltsmittel zu betrachten, weniger im Sinne einer Partnerschaft. Aber nicht schon die Feststellung, dass bestehende Bedürfnisse auf den verschiedenen gemeinnützigen Feldern nicht durch den Staat befriedigt werden, legitimiert eine private Hilfestellung hinreichend.
Die wirkliche Aufgabe und Verpflichtung, aber auch die Chancen für private Fördervorhaben liegen denn auch in ihrer Korrektivfunktion. In einer Zeit, in der im politischen und gesellschaftlichen Leben der Einfluss von Interessengruppen dominiert, ist die Erhaltung von Freiräumen, die sich dem Staats- und Parteieneinfluss bewusst entziehen, von besonderer Wichtigkeit. Dazu Alt-Bundespräsident Walter Scheel: „Wo private Initiative fehlt, tritt der Staat ein. Wo der Staat aber einmal ist, wird private Initiative eingeengt, geht ein wesentliches Stück Bürgerfreiheit verloren.“
Spender, Stifter und Sponsoren können unabhängig von den großen Interessengruppen Modelle entwickeln und Lösungsvorschläge gerade auch dann machen, wenn sich verschiedene Positionen kompromisslos gegenüberstehen. Sie können tun, was Regierungen und Kommunalparlamente nicht tun können oder wollen, was nicht populär und damit für Politiker (noch) zu riskant ist.
Mit unkonventionellen Projekten sind sie imstande, Anstöße zu geben. Selbst mit begrenzten Mitteln, gezielt eingesetzt, sind sie in der Lage, als „Salz in der Suppe“ staatliche Förderschwerpunkte zu...