„Dysphonie bedeutet gestörte Stimme und umfasst als Oberbegriff alle Formen der Störung des Stimmklangs und der Leistungsfähigkeit der Stimme“ (Braun 1999, 70).
„Die funktionell bedingten Abweichungen des Muskeltonus treten entweder im Sinne eines ‚zuviel‘ oder ‚zuwenig‘ auf“ (Wirth 1987, 199). Die Aktivität des Atemapparates, die Spannung der Stimmlippen bzw. der gesamten Kehlkopfmuskulatur und die muskuläre Einstellung des Ansatzrohres und des ganzen Körpers sind davon tangiert. Die Stimmstörung kann bis zur Stimmlosigkeit, der Aphonie, führen. Diese Art von Störung ist gekennzeichnet durch ein verhauchtes oder flüsterndes Sprechen. Eine weitere Form der Dysphonie ist die Dysodie. Sie bezeichnet jegliche Störungen der Singstimme (vgl. Braun 1999, Wirth 1987).
Bei der Betrachtung des Menschen als eine bio-psycho-soziale Einheit und der Stimmfunktion als ein multifaktorielles Gefüge, handelt es sich allgemein bei Stimmstörungen um komplexe Ursachen- und Wirkzusammenhänge mit einer großen Anzahl von sozialen, psychischen und organischen Aspekten, die sich ständig wechselseitig beeinflussen. Erst eine Vielzahl von inneren und äußeren Belastungsfaktoren führt zu Funktionsdefiziten. Bei Kindern spielen die gesellschaftlichen Umweltfaktoren eine große Rolle. Mehrere Elemente werden als Ursache für eine funktionelle Stimmstörung angenommen (Abb. 1) (vgl. Spiecker-Henke 1997, Schulze/ Schroeder 1991a).
Eine funktionelle Stimmstörung kann (vgl. Bauer 1994):
als Folge einer organischen Erkrankung des Kehlkopfes auftreten. Die Störung kann sich parallel oder nach Abnehmen der organischen Veränderung bilden.
durch konstitutionelle Faktoren entstehen. Die anlagebedingten Störungen können verursacht werden durch eine eingeschränkte stimmliche Leistungsfähigkeit, durch morphologische Faktoren (z.B. Größe und Form des Kehlkopfes, Masse der Kehlkopfmuskulatur, Hypoplasien der Stimmlippenmuskulatur) und durch eingeschränkte auditive Wahrnehmungsleistungen (Unmusikalität).
durch einen übermäßigen und unzweckmäßigen Stimmgebrauch verursacht werden. Durch bewusstes oder unbewusstes Lernen werden funktionelle Abläufe unphysiologisch eingesetzt. Dies zeigt sich z.B. durch Überschreitung des Stimmumfangs, inadäquate Indifferenzlage, falsche Atemführung und fehlerhafte Stimmtechniken. Auch Verspannungen, welche z.B. von der Wirbelsäule weitergeleitet werden, können zu Störungen der Stimme führen.
verursacht werden durch chronisch körperliche Erschöpfung mit einem zu schwachen Stimmgebrauch. Eine herabgesetzte Leistung ist oft die Folge von z.B. Hypotonie, Anämie, chronischen Lebererkrankungen, nach Gewichtsverlusten. Ein Gefühl der Erschöpfung und wenig Leistungsfähigkeit sind die Hauptsymptome dieser Art von Störung.
aufgrund psychogener Faktoren auftreten. Dazu zählen z.B. psychosozialer Stress, seelische Konflikte, herabgesetzte psychophysische Leistungsfähigkeit, Depressionen u.a..
ausgelöst werden durch primär-organische Veränderungen im Bereich des Stimmapparates und durch Erkrankungen außerhalb des Stimmapparates.
Abbildung 1 Mögliche ätiologische Faktoren bei Stimmerkrankungen (aus: Spiecker-Henke 1997, 66)
Hierbei handelt es sich, so Wirth (1987), um Störungen der Stimme durch Überlastung oder fehlerhafte Stimmgebung. Dabei sind psychische Einflüsse kaum von Bedeutung. Bei der eingehenden Untersuchung müssen Schwerhörigkeit oder eine Infektion der oberen Luftwege ausgeschlossen werden.
Bei den hyperfunktionellen Dysphonien handelt es „sich um eine unabsichtliche, übertriebene Kontraktion der Phonationsmuskulatur einschließlich der Atem-, Artikulations- und Halsmuskulatur. Ein Übergang in eine sekundäre hypofunktionelle Dysphonie im Sinne eines Erschöpfungszustandes ist möglich“ (Wirth 1987, 200). Bei lauten Kindern kann diese Stimmstörung infolge eines unökonomischen Gebrauchs der Stimme auftreten. Konstitutionelle Faktoren, wie Nachahmung von Stimmen oder Gaumenspalten, wirken begünstigend. Durch die Kraftanstrengung beim Sprechen wird die Stimme überlastet und klingt gepresst, rau, klangarm, belegt und diplophon (vgl. Wirth 1987).
Die juvenile hyperfunktionelle Dysphonie ist bei Kindern die häufigste Stimmstörung. Die Jungen sind gegenüber den Mädchen in einem Verhältnis von 3:1 mehr betroffen. Oft entsteht die Störung schon im Vorschulalter. Die Entwicklung von Stimmlippenknötchen geschieht häufig in einem Alter von 5 bis 10 Jahren (vgl. Wirth 1987). Wirth (1987) nennt einige Faktoren, die als Ursache für diese Störung verantwortlich sein können:
Konstitutionelle und habituelle Faktoren
Fehlerhafte Stimmgewohnheiten der Umgebung (familiäre Dysphonie)
Übermäßiger Gebrauch der Stimme durch zu lautes Sprechen und Singen oder schrilles Schreien
Dominantes oder aggressives Spielverhalten
Weitere begünstigende Faktoren:
Obere und untere Atemwegsinfekte
Kehlkopfasymmetrien
Schlussinsuffizienz des Gaumensegels als prädisponierender Faktor für die Bildung von Stimmlippenknötchen
Die Stimme der betroffenen Kinder klingt rau, heiser und oft verhaucht. Die mittlere Sprechstimmlage ist zu tief. Der Zwang sich zu räuspern und zu husten kann zum Automatismus werden (vgl. Wirth 1987).
Bei dieser Störung handelt es sich um eine extreme Form der hyperfunktionellen Dysphonie. Die Taschenfalten, welche bei der normalen Stimmbildung nicht benutzt werden, können durch Schwingungen im pathologischen Fall, Stimme erzeugen. Es liegen keine organischen Veränderungen der Stimmlippen vor. Die Stimme wird infolge der Überanstrengung immer schlechter, und kann nur noch mit großer Anstrengung erzwungen werden. Durch andauernde Fehlbelastung des Stimmapparates werden die Taschenfalten mit in die Stimmerzeugung innerviert. Eine tiefe, raue, heisere und gepresste Stimme ist die Folge.
Im Falle von z.B. Kehlkopfoperationen, doppelseitiger Stimmlippenlähmung in Intermediärstellung, chronischer Laryngitis u.a., wird die Taschenfaltenstimme als Ersatzphonation angebildet (vgl. Wirth 1987).
Es handelt sich hierbei um eine verminderte Muskelspannung der Larynxmuskulatur. Dadurch ist die Stimme leise bis flüsternd, matt, heiser, belegt, monoton, resonanz- und intensitätsarm und verhaucht durch unvollständigen Stimmlippenschluss. Die Artikulation ist schlecht infolge einer geringen Kieferöffnung. Die betroffene Person hat eine schlaffe Körperhaltung und die Gesichtsmuskulatur, Artikulations- und Halsmuskulatur sind kompensatorisch verspannt (vgl. Wirth 1987).
Die Symptome der hyperfunktionellen und hypofunktionellen Dysphonie treten, je nach psychischer und vegetativer Gleichgewichtslage, abwechselnd auf (vgl. Wirth 1987).
Man versteht unter dieser Form der Störung eine „abnorme Stimmermüdung auf hypofunktioneller Basis ohne Heiserkeit und ohne objektivierbare laryngostroboskopische Symptomatik“ (Wirth 1987, 214).
Die Berufsdysphonie tritt vorwiegend bei Personen mit Sprechfunktionen auf. Die Stimmstörung drückt sich aus durch Heiserkeit, anstrengendem Sprechen, schneller Sprech- und Stimmermüdung und schneller Erkältungsanfälligkeit. Häufig kommt es zu organischen Veränderungen an den Stimmlippen (vgl. Wirth 1987).
Es handelt sich um Dysphonien, welche durch akute oder chronische psychogene Faktoren verursacht werden. Meist liegt nur ein geringer pathologischer Befund vor, die Störung kann aber erheblich sein und bis zur Aphonie führen (vgl. Wirth 1987).
Durch Stresssituationen, psychische Belastungen, Depressionen und Neurosen kann diese Störung hervorgerufen werden. Hauptsymptom ist eine ständige Heiserkeit, die mit einer Hypo- oder Hyperfunktion der Larynxmotilität einhergehen kann. Weitere Anzeichen für diese Störung können eine hauchige Stimme, wechselnde Stimmsymptome, Pressen beim Sprechen und neurovegetative Symptome sein (vgl. Wirth 1987).
Die betroffene Person...