Der Schulanfang stellt eine große Veränderung für die ganze Familie dar. Spürbar wird dies am klar vorgegebenen Tagesablauf mit den täglichen Hausaufgaben und am steten Wechsel fester Schul- und Ferienzeiten. Bei den zeitlichen Vorgaben drückt niemand mehr ein Auge zu, hier gibt es keine Ausnahmen mehr. Für manche Familien wird die Betreuung in den Ferien schwierig, für andere sind die schulischen Vorgaben und Pflichten gewöhnungsbedürftig. In jedem Fall wird die Schule für Sie und Ihr Kind über viele Jahre hinweg zu einem bestimmenden Thema, dem Sie nicht entfliehen können. Geht Ihr Kind gerne in die Schule und lernt es leicht, so ist der Übergang in der Regel problemlos zu bewältigen. Kommt Ihr Kind mit den Anforderungen der Schule hingegen nicht gut klar und fühlt es sich dort nicht wohl, so kann die Veränderung zu einer Belastung werden.
Was ändert sich in unserer Familie bei Schulbeginn?
Die Schule bestimmt in hohem Maße das Familienleben. Sie verlangt eine Neuorganisation des Morgens und bedeutet letztlich einen neuen Umgang mit Zeit. So legt sie die Zeiten für das Frühstück und oft auch das Mittagessen fest und bestimmt, wann Ihr Familientag beginnt und endet. Vielleicht wird es schwierig für Sie, Ihrem Kind genügend Schlaf zu ermöglichen. Diesen braucht es jedoch unbedingt, um sich gesund zu entwickeln und gut lernen zu können.
Merksatz
Erst- und Zweitklässler benötigen durchschnittlich
zehn bis zwölf Stunden Schlaf, während Dritt- und Viertklässler mit etwa neun bis elf Stunden auskommen.
Wenn ein Schulanfänger um sechs Uhr morgens aufstehen muss, um ausreichend Zeit für ein Frühstück und die Morgenhygiene zu haben und pünktlich den Schulbus zu erreichen, dann muss er abends zwischen 18 und 20 Uhr im Bett sein. Dies kann für eine Familie eine echte Herausforderung bedeuten, wenn sie ihren Tag bislang anders eingeteilt hat. Auch verträgt es sich unter Umständen schlecht mit Angeboten von Sportvereinen, die Ihr Kind möglicherweise interessieren. Sie könnten deshalb Ihr Kind vielleicht erst im zweiten oder dritten Schuljahr für ein abendliches Training im Verein anmelden und so auch eine gewisse Entzerrung der neuen Aufgaben für Ihr Kind erreichen. Schließlich kann es leicht überfordern, gleichzeitig mit der Schule, dem Vereinssport und eventuell dem Erlernen eines Musikinstruments zu beginnen.
Je nach Bundesland und Stadt oder Gemeinde sowie Schule kann es außerdem passieren, dass der Unterricht Ihres Kindes manchmal kurzfristig später beginnt oder früher endet, ausfällt oder verlegt wird. Auch Wandertage, Ausflüge oder Projekte verlangen von Ihnen unter Umständen eine hohe Flexibilität. Nicht immer wird überlegt, ob diese für berufstätige Eltern überhaupt möglich ist. Besonders Alleinerziehende stehen hier oft an der Grenze des Möglichen.
Beispiel
Es ist sieben Uhr morgens. Familie Thaler richtet sich für Schule und Arbeit. Da fragt der achtjährige Hannes seine Mutter: »Mama, hast du eine Häkelnadel für mich, so Stärke 4,5 oder so?« Hannes’ Mutter ist entgeistert: »Du meinst im Ernst, ich soll jetzt eine Häkelnadel suchen?« Hannes nickt, seine Mutter sucht. Um 7.30 Uhr muss sie los zum Zug. Sie findet schließlich eine Häkelnadel, sogar in der richtigen Stärke, und gibt sie ihrem Sohn. Dieser bedankt sich erleichtert. Da fragt die Mutter ihren Sohn: »Brauchst du nicht auch Wolle?« Hannes reagiert begeistert: »Oh ja, gute Idee! Gerne verschiedene Farben!«
Am Nachmittag bespricht Hannes Mutter den morgendlichen Vorfall mit ihrem Kind. Hannes’ gelobt Besserung. Doch nur wenige Wochen später, wieder um sieben Uhr morgens, fragt Hannes: »Mama, hast du ein ausgeblasenes Ei für mich oder vielleicht zwei?«
Mit dem Schuleintritt Ihres Kindes kommen also von außen neue Herausforderungen auf Sie zu. Nicht immer erfahren Sie von diesen so kurzfristig wie Frau Thaler, deren Sohn wohl vergaß, die Notiz der Lehrkraft rechtzeitig abzugeben.
Manches haben Sie auch selbst in der Hand. Insbesondere die Frage, wie häufig und in welcher Weise Sie die Schule thematisieren, liegt bei Ihnen. Da Familienmitglieder oftmals wenig Zeit füreinander haben, ist zu überlegen, ob das Thema Schule wirklich eine so herausragende Bedeutung erhalten soll. Vielleicht gelingt es Ihnen, die wenige gemeinsame Zeit nicht ständig für schulbezogene Fragen und Aktivitäten aufzuwenden. Wochenende und Ferien sollten mindestens in der Grundschulzeit schulfrei bleiben und der Erholung dienen. Spiel, Spaß und Bewegung an freien Tagen helfen Ihrem Kind letztlich dabei, an Schultagen leistungsbereit und leistungsfähig zu sein. Vor allem aber machen sie Freude und tun gut.
Wie entwickelt sich unser Kind als Schulkind?
Maxi-Kinder sind in der Kindertagesstätte die Großen. In der Schule sind sie dann wieder die Jüngsten. Dies ist keine leichte, aber eine wichtige Erfahrung. Sie wird sich auf die eine oder andere Art im Leben noch mehrfach wiederholen. Vielleicht bekommt Ihr Kind in der Schule einen Paten oder eine Patin aus einer höheren Klasse zur Seite gestellt, damit der Übergang leichter gelingt. Hilfreich kann für Ihr Kind auch eine jahrgangsgemischte Klasse sein, in der sich die Zweitklässler um die Schulanfängerinnen und Schulanfänger kümmern und die Kinder voneinander lernen. Diese kennen sich vielleicht auch noch aus der Kita-Zeit.
Lernen in jahrgangsgemischten und inklusiven Klassen
Jahrgangsgemischte Klassen haben den Vorteil, dass die Kinder sehr einfach, also ohne ein Wiederholen oder Überspringen, ein bis drei Jahre darin verbringen können. Danach treten sie in die dritte Klassenstufe ein. Dieses flexible Verweilen in der sogenannten Schuleingangsstufe kann auch für jene Kinder eine gute Lösung sein, die besonders früh (mit fünf Jahren) oder spät (mit sieben Jahren) eingeschult wurden. Gleichwohl bleiben die meisten Kinder zwei Jahre in dieser Klasse.
Untersuchungen (vgl. zum Beispiel Übersicht in Wagener, 2014) zeigen:
Merksatz
Für die Leistungsentwicklung ist es unerheblich, ob
Grundschulkinder Jahrgangsklassen oder jahrgangsgemischte Klassen besuchen.
Im sozialen Bereich scheinen jahrgangsgemischte Klassen aber leichte Vorteile zu bieten. Ähnlich uneindeutig sehen die Befunde für inklusive Klassen aus, wobei letztlich die konkreten Bedingungen bedeutsam sind: Wie viele Kinder in der Klasse haben welchen sonderpädagogischen Förderbedarf? Welche Qualifikation hat die fördernde Kraft? Wie viele Stunden ist sie da und für wie viele Kinder ist sie zuständig? Traut sich die Klassenlehrkraft die Arbeit zu? (Vgl. zum Beispiel Merz-Atalik, 2013)
Einschulung mit fünf, sechs oder sieben Jahren?
Manche Eltern machen sich Gedanken darüber, ob sie ihr Kind passend zur sogenannten Stichtagsregelung einschulen sollen. Damit ist gemeint, dass jene Kinder im Herbst in die Schule kommen, die – je nach Bundesland – bis Ende Juni bzw. bis Ende September sechs Jahre alt geworden sind bzw. werden. Vielleicht überlegen Sie, ob Sie Ihr Kind vorzeitig einschulen oder aber zurückstellen lassen wollen. Eine Entscheidung ist hier in vielen Fällen schwierig, weil Sie im Frühjahr zur Zeit der Schulanmeldung nur schwer die weitere Entwicklung absehen können. Hilfreich ist es, sich Rat und Einschätzung von außen zu holen, also von der Kita, der Schule, dem Kinderarzt und eventuell einer Beratungsstelle. Die frühere Idee, ein einziger Schulreifetest könne Klarheit verschaffen, hat sich allerdings als nicht haltbar herausgestellt. Auch der Zahnwechsel oder die Körpergröße sind kein Kriterium mehr. Heute weiß man, dass verschiedene Bereiche (kognitiv, sozial, emotional, motivational) bedeutsam sind. Entscheidend ...