3 Anforderungen an den Trainer für eine effektive methodische Arbeit im Gerätturnen
Ausgehend von der Zielstellung des Trainings, müssen die Anforderungen abgeleitet werden, die an den Trainer zu stellen sind, um die anspruchsvollen Aufgaben in guter Qualität zu erfüllen. Der Trainer ist in erster Linie Pädagoge und benötigt entsprechende pädagogisch-erzieherische Fähigkeiten und wertvolle Verhaltenseigenschaften, um mit den Mitteln des Gerätturnens die allseitige und harmonische Entwicklung der Persönlichkeit nachhaltig zu unterstützen. Berufung zur Trainertätigkeit und Freude an der pädagogischen Arbeit, Liebe zum Turnen, Gerechtigkeitsempfinden und Einfühlungsvermögen sowie moralische Qualitäten bilden die wesentlichen Voraussetzungen, die alle Bereiche der trainingsmethodischen Tätigkeit beeinflussen. Weitere Fähigkeiten und Kenntnisse, die ein Trainer benötigt, enthält Tabelle 11.
Tab. 11: Erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten des Trainers für eine effektive methodische Arbeit
- Trainingsziele, -mittel und -methoden:
- Trainings- und Wettkampfprogramme.
- Wertungsbestimmungen und Wettkampfregeln.
- Methoden und Organisationsformen der Fähigkeits- und Fertigkeitsentwicklung (allgemeine Grundsätze).
| - Pädagogisch-methodische Fähigkeiten:
- Fähigkeit zur effektiven Informationsgestaltung:
- Demonstrationsfähigkeit grundlegender turnerischer Fertigkeiten.
- Fähigkeit des Fehlererkennens, -analysierens und -korrigierens und der Leistungsbewertung (einschließlich Kampfrichtertätigkeit).
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- Technische Leitbilder der Elemente und Technik der Übungen zur Fähigkeitsentwicklung.
- Lehr- und Lernmethodik der zu vermittelnden Elemente (Leistungsvoraussetzungen, Lernschritte, Möglichkeiten des Erleichterns und Erschwerens der Bewegungsaufgaben, Orientierungshilfen, Varianten und Verbindungen der Elemente sowie Hauptfehler und Korrekturmöglichkeiten).
- Kurz-, mittel- und langfristige Trainingsplanung.
- Faktoren, die die Belastbarkeit des Stütz-und Bewegungssystems beeinflussen.
- Grundlegende Kenntnisse zu biomechanischen Vorgängen beim Turnen von Elementen.
- Unfallschutz, erste Hilfe, Grundregeln beim Helfen.
| - Fähigkeit zum differenzierten Helfen und Sichern.
- Fähigkeit zum zielgerichteten Anwenden der didaktischen Prinzipien, zur Anregung der Selbstständigkeit und zur freudvollen Trainingsgestaltung.
- Fähigkeit zur altersgemäßen Vermittlung von Trainingskenntnissen.
- Fähigkeit, Trainingsmittel und -methoden zur Schaffung koordinativer und konditioneller Leistungsvoraussetzungen sowie zur Kompensation hoher Belastungen effektiv anzuwenden.
- Fähigkeit zur Trainings- und Leistungsanalyse.
- Fähigkeit zur Betreuung der Aktiven im Wettkampf.
- Fähigkeit zur ersten Hilfe bei Unfällen.
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3.1 Wesentliche Kenntnisse des Trainers
3.1.1 Technikkenntnisse
Eine Besonderheit des Gerätturnens (normierter bzw. formgebundener Bereich) besteht darin, dass die Technik („die Art und Weise des Lösens einer Bewegungsaufgabe”, Thieß & Schnabel, 1986, Hier) der zu erarbeitenden Elemente (Zielelemente) bzw. Verbindungen gleichzeitig die Leistung darstellt, die der Kampfrichter auf der Grundlage von Wertungsvorschriften bewertet. Die Technik ist das direkte Ziel des motorischen Lernprozesses und bestimmt demzufolge die anzuwendenden Methoden. Bei falschen oder unvollkommenen technischen Leitbildern verfolgt auch die angewendete Lehr- und Lernmethodik dieses fehlerhafte Technikmodell und prägt es aus.
Die Technik eines Elements ist durch räumlich-zeitliche, zeitliche und dynamische Bewegungsmerkmale gekennzeichnet. Die räumlich-zeitlichen Merkmale umfassen Aussagen zur Stellung der Gelenkwinkel, zur Bewegungsamplitude, Bewegungsrichtung, -weite, -ebene und zur Abfolge der Teilbewegungen. Die zeitlichen Merkmale beschreiben das Tempo, den Rhythmus, die Dauer und den Zeitpunkt in Bezug auf die Teilbewegungen oder auf die Gesamtbewegung. Die dynamischen Komponenten der Bewegung beziehen sich vor allem auf die Akzente und Stärke der Krafteinsätze, auf das Spannungsverhalten und die Impulsfolge. Für die Arbeit des Trainers ist es von besonderer Bedeutung zu wissen, wie sich der Lernende verhalten muss, was er wann und wie tun muss, um dem technischen Leitbild gerecht zu werden.
Kapitel 6 enthält für ausgewählte Elemente wesentliche Informationen zu den technischen Merkmalen (in Form eines Reihenbildes bzw. verbaler Beschreibung) und Hinweise zur Ausführung (zum Bewegungsverhalten). Typische Fehlerbilder und ihnen zu Grunde liegende Ursachen im Bewegungsverhalten sind ebenfalls dort aufgeführt. Sie basieren auf langjährigen praktischen Erfahrungen und ermöglichen eine gezieltere und bewusstere Bewegungsanalyse und -korrektur, ohne die ein Turntrainer in den meisten Fällen nicht auskommt. Wird ein Element auf niedrigem technischen Niveau gefestigt, ist später ein mühevolles, zeitaufwändiges Umlernen erforderlich.
Die Technik der Elemente bildet den Ausgangspunkt für weitere methodische Überlegungen, die die motorischen Leistungsvoraussetzungen als Grundlage für das Lösen der Bewegungsaufgabe sowie die als zweckmäßig erachteten und größtenteils erprobten Lernschrittfolgen für das Erlernen des Elements umfassen. Im folgenden Prozess ihrer Vervollkommnung ist es zweckmäßig, vielfältige Bewegungsaufgaben zu stellen, die koordinativ und konditionell erhöhte Anforderungen stellen. Das Turnen in Verbindungen mit ungewohnten vor- oder nachgeschalteten Elementen, das gezielte Variieren des Elements durch neuartige Teilbewegungen bzw. die Integration von Drehungen bietet Möglichkeiten, um die Qualität und Anwendbarkeit des Elements nachhaltig zu verbessern.
3.1.2 Kenntnisse biomechanischer Vorgänge
Die turnerischen Elemente und Übungen weisen vielfältige Bewegungsstrukturen auf. Die Bearbeitung der Bewegungsabläufe nimmt einen erheblichen Zeitanteil des Ausbildungsprozesses ein. Hier unterscheidet sich das Gerätturnen als Sportart mit hohem technischen Anteil z. B. von den Ausdauersportarten. Dementsprechend spielt es eine große Rolle, dass der Lehrende – und im Verlauf der Ausbildung auch die Aktiven – über gründliche Kenntnisse der mechanischen, und darauf aufbauend, der biomechanischen Gesetzmäßigkeiten verfügen, unter deren Einfluss und Wirken die zu erlernenden Bewegungen ablaufen.
Die genaue Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten der Bewegungen ermöglicht es, ihre Resultate unter verschiedenen Bedingungen vorauszusehen, die Fehlerquellen im Bewegungsablauf aufzudecken, die Wirksamkeit der Bewegungen richtig einzuschätzen, Wege zu ihrer Vervollkommnung zu finden und im Endergebnis den Bewegungsablauf so zu koordinieren, dass er am besten den durch die Bewegungen beabsichtigten Zielen entspricht (Donskoj, 1975).
Um das zu verdeutlichen, lässt sich der Begriff Biomechanik folgendermaßen darstellen: Die Biomechanik beschäftigt sich mit der Funktion, mit dem Verhalten eines biologischen Systems – des menschlichen Körpers – unter den Bedingungen der Mechanik. Oder – auf die Lehrarbeit bezogen: Der Lehrer hat die Aufgabe, die Funktion des biologischen Systems durch Training den Gesetzmäßigkeiten der Mechanik so weit wie möglich anzupassen und diese zu beachten. Daraus geht zugleich hervor, dass die individuellen Fähigkeiten und Besonderheiten jedes einzelnen Sportlers – wie Kraft, Gewicht, Hebelverhältnisse, neurologisch-physiologische Bedingungen – in das Training einbezogen und beachtet werden müssen. Die folgenden Hinweise enthalten einige wichtige Angaben aus der Biomechanik, angewandt auf das Gerätturnen. Umfassendes, grundlegendes Wissen ist der einschlägigen Literatur zu entnehmen (z. B. Donskoj, 1975; Hochmuth, 1982).
Im Großen und Ganzen betreffen die Überlegungen das Wirken der äußeren Kräfte, vor allem der Schwerkraft in Verbindung mit der Muskelkraft, sowie die durch die Rotation des Körpers um verschiedene Drehachsen auftretenden Kräfte – z. B. die Zentrifugalkraft, die Massenträgheit und das Massenträgheitsmoment. Die äußeren Kräfte stehen dabei jeweils im Zusammenhang mit den zur Verfügung stehenden inneren Kräften – z. B. der Muskelkraft. Es ist entscheidend für das Gelingen eines Elements zu wissen, in welcher Stärke und in welcher Zeitdauer an einem bestimmten Abschnitt des Bewegungsablaufs Kraftimpulse gesetzt werden müssen. Gut koordinierter Krafteinsatz in der richtigen Zeitdauer und Stärke gibt den Ausschlag für den Erfolg einer Übung. Der Grad der Beugung und der Streckung in den Gelenken im Zusammenhang mit der zur Verfügung stehenden Zeitdauer dieser Bewegung (z. B. bei schnellen Rotationen um annähernd feste Drehachsen) und der Ausprägung konditioneller Fähigkeiten des Aktiven (z. B. Schnellkraftfähigkeit) bestimmt die optimale Länge des Beschleunigungswegs. Demzufolge ist das Optimum veränderbar, also...