Kapitel 1
Einfach machen
„Umsetzung ist ein großes Thema, mit dem sich die Geschäftswelt heute zu wenig befasst. Das Fehlen von Umsetzung ist das größte Hindernis zum Erfolg und die Ursache der meisten Enttäuschungen, die oft anderen Gründen zugeschrieben werden.“
Larry Bossidy & Ram Charan
Was ist die wichtigste Aufgabe einer Führungskraft? Visionen und Strategien entwickeln? Mitarbeiter coachen und entwickeln? Prozesse und Systeme eines Unternehmens oder einer Abteilung ausrichten? Vorbildfunktion übernehmen? Alles richtig. Aber was letztendlich zählt, ist nur eins: Ergebnisse erreichen. Das, was man angekündigt hat, auch in die Tat umsetzen. Seine Versprechen halten. Geschäftspläne erfüllen. Erfolg haben. Und zwar genau den Erfolg, den man sich vorgenommen hat. Konsistent und dauerhaft. Zusammen mit anderen.
Doch wie sieht es in Wirklichkeit aus? Sehr oft ist „gesagt“ nicht „getan“. Wenn die Fusion zweier Automobilunternehmen nicht die gewünschte Synergie bringt, neue Flugzeuge nicht rechtzeitig fertiggebaut werden oder sich die ehrgeizigen Markenstrategien von Handelskonzernen nicht in höheren Umsätzen niederschlagen – dann liegt das meist nicht an einem unfähigen Vorstandsvorsitzenden oder einer falschen Strategie, sondern vielmehr an mangelnder Umsetzungskraft der Organisation.
Erfolgreiche Führungskräfte setzen genau bei dieser Umsetzungskraft an und entwickeln gemeinsam mit ihren Teams die dafür nötigen Managementpraktiken: die Disziplinen erfolgreicher Umsetzung. Umsetzungskraft ist einer der wesentlichen, oft der entscheidende Stellhebel für den Erfolg eines Unternehmens. Es sind die Menschen – die Führungskräfte und die Mitarbeiter –, die den Unterschied zwischen „gesagt“ und „getan“ ausmachen. Und doch wird dieser Stellhebel viel zu wenig systematisch genutzt. Nur selten weiß jemand, wie man ihn meisterhaft bedient.
Und Sie? Können Sie aus dem Stegreif aufzählen, was wichtig ist, damit jemand gut Strategien umsetzen kann? Welche Methoden es dafür in der Literatur gibt? Welche Fähigkeiten eine Führungskraft dafür mitbringen muss? Auf was Sie diesbezüglich bei der Einstellung eines neuen Managers achten? Wie in Ihrem Unternehmen Umsetzung gemessen und verbessert wird? Das fällt Ihnen nicht so leicht? So geht es vielen. Die „Disziplin der Umsetzung“ wird selten gelehrt. Die wenigsten Unternehmen haben ein Rahmenmodell für ihre Umsetzungsstärke oder einen klaren Prozess für Umsetzung. „Das kann man schließlich.“ Dass dem leider nicht so ist, sieht man allenthalben.
Die Diskrepanz zwischen Planung und Umsetzung
Unternehmen investieren jedes Jahr sehr viel Geld in die Entwicklung von Strategien und Geschäftsplänen, um ihren Unternehmenserfolg weiter auszubauen und ihre Marktposition zu verbessern. Dabei entstehen ihnen hohe Aufwendungen und Kosten. Dreimonatige Planungs- und Budgetierungszyklen, die in signifikantem Umfang Ressourcen binden, sind in größeren Unternehmen durchaus nicht ungewöhnlich. Fachabteilungen erarbeiten detaillierte Vorschläge, Finanz- und Controllingabteilungen konsolidieren die Pläne, Geschäftsleitungen führen Budget-Meetings mit ihren verschiedenen Bereichen durch, oft über mehrere Runden. Die damit beschäftigten Mitarbeiter sind hoch qualifiziert und werden entsprechend bezahlt. Somit ist eine jede solche Planung oder Entwicklung eine erhebliche Investition.
Häufig werden die Unternehmen dabei auch von externen Beratern unterstützt. Die drei größten Strategieberatungen Deutschlands hatten im Jahr 2005 zusammen einen Gesamtumsatz von rund 1,15 Milliarden Euro.1 Insgesamt schätzt der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater das Gesamtvolumen des Marktes für Strategie- und Managementberatung auf rund 9,9 Milliarden Euro. Jedes externe Beratungsprojekt bindet wiederum in großem Ausmaß auch interne Ressourcen in den Projekten, den Präsentationen, den Managementgremien. Wir reden also über durchaus beträchtliche Summen, die jedes Jahr für die Erarbeitung lang-, mittel- und kurzfristiger Strategien ausgegeben werden. Und das alles geschieht, um den Unternehmenserfolg zu steigern.
Und doch bleibt genau dieser Erfolg oft aus! Am Geschäftsjahresende sind die hochgesteckten Ziele nicht erreicht worden. Nur unter großem Aufwand und mit einiger Fantasie können die tatsächlichen Geschäftsresultate als „Treffer“ verbucht werden. Nicht selten sind die Umsätze, Marktanteilsentwicklungen oder neuen strategischen Initiativen im Ergebnis weit von den gesteckten Zielen entfernt. Und was macht man dann? Dann wird eben der Plan für das neue Geschäftsjahr entsprechend angepasst. In den börsennotierten Unternehmen sorgt zwar ein rigides Finanzmanagement dafür, dass die Erwartungen der Analysten mit den veröffentlichten Zahlen erfüllt werden. Aber auch dort findet man zahlreiche Innovationsprojekte, die beträchtlich hinter den ursprünglichen Absichten hinterherhinken. Oder 3-Jahres-Pläne, die stillschweigend begraben und durch neue Varianten ersetzt werden. Im Ergebnis führt das dazu, dass es für die meisten Unternehmen sehr schwierig ist, im Kerngeschäft nachhaltig und profitabel zu wachsen. Untersuchungen haben zum Beispiel ergeben, dass dies in den 90er Jahren weltweit nur 13 Prozent der Unternehmen gelang.2
Seit 18 Jahren bin ich als Unternehmensberaterin tätig, zunächst bei Accenture (früher Andersen Consulting) und nun im Leadership Institut, und habe dabei viele strategische Initiativen in großen Unternehmen entwickelt und begleitet. Alle wurden mit viel Elan und Aufwand gestartet – aber nur ein Teil davon hat tatsächlich den Geschäftsnutzen erbracht, der im sorgfältig durchdachten Business-Plan vorhergesagt wurde. Und das nicht etwa, weil die vereinbarten Projektergebnisse nicht „on time and on budget“ von den Externen abgeliefert worden wären. Nein: Die Kundenmanagementstrategie war „world-class“; die Kernprozessmodelle entsprachen Best Practices; das neue Geschäftscenter war rechtzeitig mit allen Systemen, Prozessen und Mitarbeitern aufgebaut; die Backoffice- und Frontoffice-Technologien liefen einwandfrei, die interne Kommunikationsstrategie stand, der Human-Resource-Plan war optimal angepasst. Und trotzdem: Wenn wir nach ein, zwei oder drei Jahren wieder mit den Unternehmen sprachen und unser Projekt als Erfolgsgeschichte auch mit entsprechenden Nutzen-Zahlen belegen wollten, dann war die Realität oft ernüchternd. Von den hochfliegenden Plänen waren längst nicht alle in die Praxis umgesetzt worden. Und nicht einmal alles das, was umgesetzt wurde, brachte auf Dauer den projizierten Geschäftsnutzen. Woran lag es? Waren die Strategien, Prozesse und Systeme nicht gut genug gewesen? Waren die externen Berater schuld, weil sie am Bedarf des Unternehmens vorbeigearbeitet hatten?
In den letzten Jahren haben die Unternehmensberater viel Schelte dafür einstecken müssen, dass ihr Einsatz so wenig konkreten Geschäftsnutzen erbringt. Viele Unternehmen sind seit 2001 dazu übergegangen, externe Berater-Budgets drastisch zu reduzieren beziehungsweise ganz zu kappen. Interne Kompetenz sollte aufgebaut und genutzt werden, um die strategischen Initiativen in Eigenverantwortung voranzubringen. Nach nun rund fünf Jahren ist auch hierbei Ernüchterung eingekehrt. In vielen Gesprächen höre ich die Erkenntnis: „Das klappt auch nicht so toll, wir kommen nicht so richtig voran. Uns fehlt dafür einfach das Know-how.“ Bei kaum einem anderen Thema geben die Verantwortlichen so offen zu, dass sie großen Nachholbedarf haben und wirklich dankbar für konkrete Unterstützung wären.
Selten sind die Misserfolge bei der Umsetzung in der Qualität der Strategien, Business-Pläne und Projekte begründet. Meist liegt es nicht an einem Erkenntnisdefizit, sondern es liegt vielmehr an einem Handlungsdefizit. Das entscheidende Problem liegt in der Kompetenz, Nachhaltigkeit, Disziplin und Konsequenz der Umsetzung. Diese Umsetzungskompetenz, Umsetzungskraft oder Umsetzungsintelligenz ist zuallererst eine Frage der Führung und der Menschen im Unternehmen, weniger der Strategien, Prozesse, Systeme und Technologien.
Deshalb konzentrieren wir uns im Leadership Institut nun auf diesen bedeutendsten Produktivfaktor von Unternehmen: die Führungs- und Umsetzungskraft. Nach über 16 Jahren Management-und Technologieberatung bei Accenture habe ich zusammen mit einem Geschäftspartner 2004 dieses Institut gegründet und statt mit Technologien und Strategien beschäftigen wir uns nun in erster Linie mit dem Erfolgsfaktor „Mensch“. Dabei stützen wir uns auch auf die umfangreichen Forschungen und bewährten Methoden der internationalen Managementberatung FranklinCovey, die wir im deutschsprachigen Raum exklusiv als Lizenznehmer vertreten.
Die Diskrepanz zwischen Führungskräfteentwicklung und Geschäftsergebnissen
FranklinCovey trainiert und berät seit über 20 Jahren Unternehmen und Organisationen aller Größenordnungen rund um die Themen „Individuelle Effektivität“ und „Effektive Führung“. FranklinCovey wurde mitbegründet von Stephen R. Covey, der Ihnen vielleicht bekannt ist als der Autor des Management-Klassikers Die 7 Wege zur Effektivität (The 7 Habits of Highly Effective People).
Ein Schwerpunkt der Tätigkeit von FranklinCovey sind Trainingsprogramme rund um die „7 Wege zur Effektivität“ und die „4 Rollen effektiver Führung“. Diese Programme waren und sind sehr erfolgreich und tragen anerkanntermaßen dazu bei, Mitarbeiter auf der persönlichen Ebene und als Führungskräfte höchst effektiv werden zu lassen. Viele Unternehmen haben sämtliche Manager und/oder Mitarbeiter nach diesen Methoden schulen lassen, über...