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Geschichte Roms

Von der Antike bis zur Gegenwart

AutorVolker Reinhardt
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2014
ReiheBeck'sche Reihe 2325
Seitenanzahl130 Seiten
ISBN9783406622830
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Rom: Keine andere Stadt war so lange, so mächtig und so glanzvoll Mittelpunkt der Welt. Volker Reinhardt erzählt die Geschichte Roms von der Hirtensiedlung der Bronzezeit bis zur quirligen Metropole des 21.Jahrhunderts. Er erklärt, wie es zu dem einmaligen Aufstieg kam, geht dem Niedergang der antiken Metropole nach und schildert ihren erneuten Aufstieg als prachtvolles Zentrum der Christenheit. Dabei macht er eindrucksvoll deutlich, wie sich die politischen Auf- und Abschwünge in Architektur und Kunst der Stadt eingeschrieben haben - und dort bis heute sichtbar sind.

Volker Reinhardt, geb. 1954, ist Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg. Für seine Machiavelli-Biographie wurde er mit dem Golo-Mann-Preis für Geschichtsschreibung ausgezeichnet.

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Leseprobe

1. Legenden und Ursprünge


Roms Gründungsmythos erzählt der Dichter Vergil (70–19 v. Chr.) in seinem Versepos «Aeneis». Nach der Zerstörung seiner Heimatstadt Troja durch die Griechen und mancherlei Irrfahrten lässt sich der vertriebene Königssohn Aeneas in Italien nieder und begründet dort eine Dynastie, die sich nicht nur Städte baut, sondern sich auch in mancherlei Verbrechen verstrickt. Als Folge dieser Wirren werden die vornehmen Zwillinge Romulus und Remus, Söhne des Kriegsgottes Mars und einer Priesterin, in einer Wanne auf dem Tiber ausgesetzt und von einer Wölfin aufgezogen, doch nach einem erneuten Umsturz wieder in ihre Rechte eingesetzt. Romulus gründet Rom und tötet seinen Bruder, weil der sich über das niedrige Mäuerchen der Siedlung lustig macht. Da die meisten Einwohner Männer sind – Flüchtlinge und Verbannte – müssen sie sich Frauen aus der benachbarten Stadt Sabina rauben. Die Anfänge der späteren Weltmetropole sind ehrenvoll und gewalttätig zugleich.

Die legendäre Einkleidung der eigenen Gründungsgeschichte zeigt, dass die Römer selbst, was die Ursprünge ihrer Stadt und ihres Staatswesen anging, vor Rätseln standen, die sie mit bedeutungsschweren Erzählungen aufzufüllen versuchten. Dabei gingen sie von dem Grundsatz aus, dass alles so gewesen sein musste, wie es in der Gegenwart war: Die Unveränderlichkeit der Grundwerte und Wesenszüge ist die Hauptaussage des römischen Mythos. Er kann selbst das Urteil der Wissenschaft trüben. So galt die Bronzewölfin auf dem Kapitol bis vor wenigen Jahren als ein antikes Bildwerk; in Wirklichkeit dürfte sie, wie sich bei Restaurierungsarbeiten zeigte, aus karolingischer Zeit stammen. Rom arbeitet permanent an seiner eigenen Vergangenheit, gestaltet und gruppiert sich und damit seine Geschichte um. Auch das ist ein Leitmotiv der Ewigen Stadt bis heute. Gerade weil ihr Raum zu allen Zeiten für Propagandainszenierungen neuer Regime und neuer Familien benötigt wurde, sind ihre Kulissen immer wieder verschoben, Baulichkeiten und Kunstwerke aller Art immer wieder ergänzt und verwandelt worden.

Die berühmte Bronzewölfin galt lange als eine etruskische Skulptur aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. Tatsächlich stammt sie wohl aus der Karolingerzeit. Die Zwillinge Romulus und Remus wurden im 15. Jahrhundert ergänzt.

Die Fülle an Namen und Ereignissen, die der Mythos zur Frühgeschichte Roms bietet, steht in krassem Gegensatz zur geringen Zahl der gesicherten Fakten. Die Zweifel, die sich in jüngster Zeit an scheinbar gesicherten Tatbeständen breit gemacht haben, nähren sich nicht zuletzt daraus, dass die älteste schriftliche Überlieferung und die archäologischen Befunde nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. Phantasievolle Erfindung ist auch die Gründung der Stadt am 21. April 753 v. Chr., nach der sich der spätere römische Kalender ausrichtete. Erste Spuren menschlicher Siedlung stammen aus der Bronzezeit und sind auf etwa 1500 v. Chr. datierbar. Sie stammen von Halbnomaden, die ihre Herden während des Sommers in höhere Lagen trieben; offen bleibt, ob sie im heutigen Stadtgebiet fest oder nur vorübergehend ansässig waren. Dauerhafte Siedlungsformen lassen sich erst siebenhundert Jahre später am Beginn der Eisenzeit nachweisen. Ausgedehnte Gräberfelder in der römischen Peripherie lassen auf ausgeprägte soziale Hierarchien schließen. Aufwendig bestattet wurden nämlich nur wenige Männer, deren herausragende Stellung zu Lebzeiten durch kostbare Beigaben dokumentiert und dadurch im Jenseits fortgesetzt werden sollte. Im Lichte der späteren römischen Gesellschaftsordnung, die durch ausgeprägt patriarchalische und klienteläre Elemente gekennzeichnet ist, liegt es nahe, in den hier Beigesetzten Anführer weit gespannter Geschlechterverbände zu sehen, die ihre Führungsstellung über das reine Verwandtschaftsumfeld hinaus auf die mittleren und unteren Schichten ausdehnen konnten. Die künftigen gentes des Patriziats scheinen in diesen Grabstätten erste Umrisse zu gewinnen.

Der Prozess, durch den aus einer Hirtensiedlung eine Stadt wurde, zog sich in Rom lange hin, bis um 500 v. Chr. Erste Ansätze eines öffentlichen Raumes lassen sich in der Gegend des späteren Forum Romanum ab der Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. nachweisen. Ein Jahrhundert jünger ist die dort gefundene Stele unter dem legendenumwobenen lapis niger, dem «schwarzen Stein» eines Kultorts, die die älteste Inschrift in lateinischer Sprache aufweist. Kurz darauf sollen der Überlieferung nach monumentale Tempel das sakrale und politische Zentrum der «fertigen» Stadt komplettiert haben; ob man dem frühen Rom solche technisch anspruchsvollen Großbauten zutrauen kann, ist heute allerdings umstritten.

Auch die Beschreibung der sieben etruskischen Königsherrschaften, die 509 mit der Vertreibung des letzten, tyrannischen Stadtoberhaupts Tarquinius Superbus nach knapp zweieinhalb Jahrhunderten geendet haben soll, hält einer kritischen Überprüfung nicht stand. Vollends ins Reich der Legenden zu verweisen ist der Gegensatz zwischen der «fremdstämmigen», da etruskischen Dynastie und ihren römischen Untertanen. Vielmehr scheint das durchgehend eher schwache Wahlkönigtum von innen, nämlich durch die Unzufriedenheit der Elite, gestürzt worden zu sein. Nutznießer der kurz vor 500 v. Chr. eingerichteten Republik waren jedenfalls führende Familienverbände, die in den ersten Jahrzehnten nach dem Ende der Monarchie nahezu vier Fünftel der Spitzenämter innehatten und diese Quote in der Folgezeit fast bis zu einem Monopol auszubauen wussten. Ihre Angehörigen nannten sich Patrizier und rechtfertigten ihre Führungsposition vor allem religiös, durch die Nähe zu den Göttern, von denen sie später durch die Konstruktion phantasievoller Genealogien abzustammen behaupteten, aber auch durch vornehme Abstammung, Ehre, militärisches Ethos, Ämtertraditionen, Aufopferung für die res publica, Wertschätzung der Standesgenossen und Größe der Gefolgschaft. Ob sich dieses Patriziat bereits während der Königsherrschaft als geschlossene Gruppierung herausgebildet hatte oder erst danach in Abgrenzung von der großen Mehrheit der «niedrig geborenen» Plebejer entstand, ist ungewiss. Der mentale Habitus dieser Elite war und blieb durch Jahrhunderte hindurch zutiefst konservativ geprägt. Der Brauch der Vorfahren (mos maiorum) galt als geheiligt, pietas, die Ehrfurcht vor den Göttern und den Traditionen, als höchste Tugend. Die Ordnung der Familie war streng patriarchalisch. Das männliche Oberhaupt hatte, zumindest in der Theorie, unumschränkte Rechte über Frau, Kinder und Gesinde. Dieser «Urzustand» der römischen Gesellschaft wurde in der Folgezeit immer wieder als Idealzustand beschworen und durch restaurative Sittengesetze wiederherzustellen versucht.

Nicht minder hierarchisch geschichtet waren die politischen Einrichtungen untereinander und in ihrem Inneren. Diese Institutionen zeichneten sich im 5. Jahrhundert v. Chr. erst schemenhaft ab. Die wohl schon beim Übergang zur Republik vorhandenen Volksversammlungen traten unter der Vorherrschaft des Patriziats einstweilen zurück. Der später so dominante Senat bildete vorerst nur ein lockeres Gremium der gentes-Chefs, das nur bei Bedarf einberufen wurde. Auch die Doppelbesetzung der höchsten Amtsträger, der Konsulen und Prätoren, setzte sich erst mit der Zeit durch. Früh hingegen begannen die Auseinandersetzungen darüber, wer diese Positionen bekleiden durfte. Ihre Führungsstellung zementierten die Patrizier 450 durch ein Gesetz, das Eheschließungen zwischen ihnen und Plebejern untersagte, die Geburtselite also zur geschlossenen Kaste machen sollte. Doch dazu fehlte ihnen die sozioökonomische Exklusivität. Unter den Nicht-Patriziern hatte sich nämlich eine Sekundärelite herausgebildet, die sich mit ausgedehntem Grundbesitz dem Lebensstil des Patriziats angeglichen hatte. Zudem stand sie in der Militärordnung, die die Bürger nach ihrem Vermögen in fünf Klassen aufteilte, an dessen Seite. Ihren Kampf um politische Gleichberechtigung führten die großen plebejischen Familien mit Unerstützung der kleinen Leute erfolgreich. So erzwangen sie früh die Einrichtung des Volkstribunats, einer sakrosankten Parallelbehörde zum Schutz der Volksrechte. Doch auch die alten Spitzenpositionen der Republik öffneten sich ihnen im Laufe des 4. Jahrhunderts, so dass patrizische und plebejische gentes an dessen Ende zu einer einheitlichen Führungsschicht, der Nobilität, verschmolzen.

In der Entwicklung der politischen Ordnung spiegelt sich neben dem konservativen Grundzug auch eine bemerkenswerte Anpassungsfähigkeit wider. Bei allem Beharren auf der mos maiorum war die herrschende Klasse flexibel genug, um unumgängliche Prozesse wie die Erweiterung der Elite und des Institutionengefüges zu akzeptieren, um ihren Einfluss unter veränderten Verhältnissen zu sichern. Patrizisch initiiert und dominiert war auch die erste Niederschrift der...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
1. Legenden und Ursprünge6
2. Die Krise der Republik12
3. Der Prinzipat18
4. Von Kaisern zu Päpsten24
5. Dunkle Jahrhunderte30
6. Mittelpunkt der Christenheit36
7. Die verlassene Stadt46
8. Geburt einer Hauptstadt50
9. Renaissance: Kulturglanz, Krise und Kritik55
10. Neues Jerusalem – Garten der Lüste63
11. Sacco di Roma und Neuanfang67
12. Konzil und Reform71
13. Die barocke Metropole: Pracht und Abstieg81
14. Freiheit und Spiele – das 18. Jahrhundert90
15. Napoleon und der Reigen der Regime98
16. Rom und das Risorgimento105
17. Unter neuen Herren111
18. Stadt ohne Hüter?117
Zeittafel120
Karte des heutigen Rom124
Literaturhinweise126
Personenregister127
Karte129

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