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Gewalt in der Schule: Symptome, Bedingungen, Möglichkeiten der Prävention

AutorBritta Arndt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2003
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783638204101
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, Note: sehr gut, Universität Hamburg (Erziehungswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Zunächst findet eine Begriffsklärung der Termini 'Gewalt'' 'Aggression' und 'Aggressivität' statt. Zudem werde ich eine Übersicht über die verschiedenen Arten von Aggression liefern und zeigen, wo es zu Überschneidungen der Begriffe 'Gewalt' und 'Aggression' kommt. Symptome und Ausmaß der Gewalt und Aggression an Schulen werden exemplarisch anhand einer empirischen Studie der ehemaligen Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung an Hamburger Schulen verdeutlicht. Im Anschluss werde ich versuchen einen Überblick über die vorhandenen Theorien zur Erklärung von Aggression und Gewalt zu liefern. Ich werde mich dabei auf ausgewählte psychologische und soziologische Theorien beschränken. Für die jeweiligen Theorien wird eine Bewertung vorgenommen und Folgerungen bzw. Forderungen für den Bereich der Schule, die sich aus den meisten Theorien ergeben, dargelegt. Zum Abschluss dieses Abschnittes werde ich Schlussfolgerungen aus den Theorien zur Erklärung von Aggression und Gewalt ziehen und Ziele für die schulische Aggressionsprävention und -intervention nennen. Hiernach folgt eine Definition der Begriffe Aggressionsprävention und -intervention. Im nachfolgenden werde ich dann schulische Präventions- und Interventionsmaßnahmen vorstellen, die ich nach Maßnahmen für Schüler und/oder Lehrer und nach schulumfassenden Maßnahmen geordnet habe. Am Ende der Arbeit steht ein Resümee und ein Ausblick.

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2. Begriffsklärungen


 

Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch hat sich durchgesetzt, die Begriffe Gewalt und Aggression zu unterscheiden, so dass ich in vorliegender Arbeit auch so verfahren möchte.

 

2.1. Was ist Gewalt?


 

Für den Begriff der Gewalt existieren im deutschen Sprachraum viele verschiedene Bedeutungen. Im Alltagsverständnis erfährt der Gewaltbegriff eher eine negativ bewertete Nuancierung und es wird keine Abgrenzung zum Begriff der Aggression vorgenommen. Vor allem unter dem Einfluss der Medien wird Gewalt zunehmend als ein Verhalten verstanden, dass besonders brutal ist (z.B. Mord) oder von besonders abgelehnten Menschen (z.B. Geiselnehmern ) ausgeübt wird.

 

Wenn von Gewalt gesprochen wird, dann werden häufig schwere, körperliche Formen der Aggression als Gewalt bezeichnet.

 

Es finden sich aber auch positive Konnotationen im Zusammenhang mit dem Begriff der Gewalt. So geht der Begriff der Gewalt auf das Wort ‚walten’ zurück, was auf die Tätigkeit einer Macht hinweist, der man eine gestaltende und ordnende Funktion zuschrieb. Reste dieses Sprachgebrauchs lassen sich finden in Begriffen wie ‚Verwaltung’, ‚Anwalt’, ‚Gewaltenteilung’ oder auch dem ‚Walten der Natur’.

 

Der wissenschaftliche Sprachgebrauch indessen unterscheidet sich stark von dem alltagssprachlichen Gebrauch:

 

Die unabhängige Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission) hat 1990 in ihrem Gutachten folgenden Gewaltbegriff zugrunde gelegt, der Gewalt als „zielgerichtete, direkte psychische Schädigung von Menschen durch Menschen erfasst.[5] Zudem wird ergänzend auch „der körperliche Angriff auf Sachen[6] in den Gewaltbegriff einbezogen. Die Gewaltkommission geht bei ihrem Begriff von Gewalt also vornehmlich von Gewalt im Sinne von physischen Handlungen gegen einen anderen Menschen oder einen Gegenstand aus.

 

In der Regel wird in der gegenwärtigen Wissenschaftssprache unter dem Begriff der Gewalt strukturelle Gewalt verstanden. Die Definition der Gewaltkommission würde dann eher unter dem Begriff der Aggression zu subsumieren sein.

 

GALTUNG[7],als ein Vertreter des gewaltstrukturellen Ansatzes, versteht unter Gewalt einen Gegenbegriff zum Begriff des Friedens. Nach GALTUNG liegt dann Gewalt vor,

 

„wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung.“[8]

 

Gewalt wird nach dieser Definition als die Ursache für den Unterschied zwischen dem Potentiellen und dem Aktuellen, also zwischen dem, was sein könnte und dem, was ist, definiert. Gewalt ist folglich das, was den Abstand zwischen dem Potentiellen und dem Aktuellen vergrößert oder die Verringerung des Abstandes erschwert.

 

Ergo würde im Sinne GALTUNGs Gewalt vorliegen, wenn Schüler durch die institutionellen Gegebenheiten von Schule (z.B. zu große Schulklassen) und damit einhergehender mangelnder individueller Förderung, sich nicht gemäß ihren potentiellen geistigen Fähigkeiten verwirklichen können.

 

Gewalt ist nach GALTUNG nicht zwingend ein interpersonales Einflussverhältnis wie bei personaler bzw. direkter Gewalt, sondern wird ebenfalls durch nicht – personale Subjekte (so z.B. gesellschaftliche Ordnungsgewalt) mit ihren Mitteln der Einflussnahme ausgeübt. Diese Gewalt ohne einen direkten Akteur bezeichnet GALTUNG als strukturelle oder indirekte Gewalt. Die Gewalt ist demnach

 

„im System eingebaut und äußert sich in ungleichen Machtverhältnissen und folglich in ungleichen Lebenschancen.“[9]

 

Die gesellschaftlichen Ressourcen (so z.B. Einkommen, Arbeit, Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnung, Nahrungsmittel, Mitbestimmung etc.) und die Entscheidungsgewalt über die Ressourcen sind nach GALTUNG ungleich verteilt. Die ungleiche Verteilung der Ressourcen wird u.a. aufrechterhalten durch eine lineare Rangordnung (hierarchische Ordnung der Akteure in Oben und Unten), durch Konkordanz der Ränge (steht ein Akteur in einem System auf hoher Ebene, so besteht die Tendenz, dass er auch in einem anderen System, in dem er partizipiert, auf hoher Ebene steht), durch Korrelation zwischen Rang und Stellung (je höher der Rang eines Akteurs im System, desto zentraler ist auch seine Position im Interaktionsnetz) etc. .

 

Nach GALTUNG sind personale und strukturelle Gewalt aufeinander bezogen, so dass diese beiden Erscheinungen nicht getrennt voneinander betrachtet werden können.

 

SANER[10] ist der Auffassung, dass die verbreitetste Form der strukturellen Gewalt, die ethologische ist. Der Begriff ‚ethologisch’ meint nach SANER das durchschnittliche, gewohnheitsmäßige Handeln. Ethologisches Handeln ist demnach

 

„das zur Gewohnheit, im Grenzfall zu Brauch und Sitte fixierte Handeln im Rahmen einer Gesellschaft.“[11]

 

Von ethologischer Gewalt spricht SANER dann, wenn das gewohnheitsmäßige Handeln zu messbaren Schädigungen führt. Gewohnheit, Sitte und Brauch entlasten unser Handeln von fortwährender Unsicherheit, aber sie können auch schädigen:

 

Die Subjekte der Handlung werden anonymisiert. Es sind nicht mehr konkrete Menschen, die miteinander in Interaktion treten, sondern Neutra, reduziert auf das unbestimmte Objekt ‚man’. Objekte werden klassifiziert: „Man handelt Ausländern, Frauen, Kindern, Schülern etc. gegenüber so“. Handlungen werden ritualisiert und vom Zweck abstrahiert, so dass dem Geschehen schließlich jegliche Kritik entzogen wird. Folgen der ethologischen Gewalt sind Konformismus, Konventionalismus, gesellschaftliche Regelkontrolle und Legitimierung des Unrechts durch bloße Üblichkeit.

 

SANER führt, inspiriert durch BOURDIEU/PASSERON[12], als weitere Kategorie der

 

strukturellen Gewalt den Terminus der symbolischen Gewalt an. Symbole sind Zeichen (so z.B. Sprach – Zeichen, Seh – Zeichen, Hör –Zeichen u.a.m.). Alles, was gelesen werden kann und eine Bedeutung hat, kann als Zeichen angesehen werden. Zeichen können zu Systemen verbunden sein (Sprachsysteme, Menschenbilder, Weltanschauungen, Religionen, Ideologien, Theorien u.a.m.). Zeichensysteme und Zeichen können durch ihre Kraft, die sie auf das Denken, Fühlen und Handeln ausüben, eine schädigende, symbolische Gewalt ausüben. Von symbolischer Gewalt im engeren Sinne sollte nach SANER aber erst dann gesprochen werden, wenn

 

„der Betrug, die Diskriminierung, die Verachtung schon im Zeichensystem selber liegen – etwa in der Ideologie -, so dass jeder der dieser Symbolwelt verfällt, unweigerlich betrügt, diskriminiert, die Wahrheit verbirgt, selbst wenn es in subjektiv redlicher Absicht geschieht.“[13]

 

Demzufolge würde ein Lehrer, der in subjektiv redlicher, nicht persuasiver Absicht seinen Unterricht durchführt, schon in diesem Sinne symbolisch gewaltvoll handeln, wenn seine Weltanschauung bzw. die des jeweiligen weltanschaulich geprägten Schulsystems, die Schüler in kulturell willkürlicher Form infiltrieren würde.

 

Außerdem weist SANER auf die Existenz von ökonomischer Gewalt im System der organisierten Arbeit hin. Da der Mensch sich durch seine Arbeit, neben seiner biologischen Existenz, die er schon hat, noch hervorbringen muss, hat er ein Recht auf eine befriedigende Arbeit. Deshalb erweist sich das Arbeitssystem – wenn es die Arbeit ökonomisiert anstelle von humanisiert – als gewalttätig. Mittel der ökonomischen Gewalt sind: Trennung von Arbeit und Macht, Trennung von Arbeit und Freizeit und Zerstückelung der Produktion (Arbeitsteilung). Folgen dieser ökonomischen Gewalt werden wie folgt angeführt: Die Arbeit wird nur noch als Notwendigkeit zur Lebenssicherung angesehen, Arbeit wird als fremdbestimmt erlebt, es treten Arbeitskrankheiten und Arbeitsunfälle auf, zudem Unwohl-, Unglücklich- und Beengtsein in der Arbeit u.a.m. .

 

Des Weiteren nennt SANER den Begriff der bürokratisch - strukturellen Gewalt. Bürokratische Gewalt ist anonyme Gewalt, die den einzelnen nicht auf ein anonymes ‚Man’, sondern auf eine persönliche Nummer reduziert. Es erfolgen anonyme Befehle, als ob keiner mehr herrschen würde und keiner für Herrschaft verantwortlich wäre. Es besteht Unsicherheit darüber, was aus Beschlüssen auf dem Verwaltungswege wird, worunter die ganze politische Gemeinschaft leidet.

 

Abschließend komme ich zu folgender Aussage: Wenn man von Gewalt spricht, so beschreibt man keine objektiven Tatbestände, sondern es werden Bewertungen vorgenommen, die als Hintergrund unsere eigenen Normen und Werte haben. Ob obige ‚Gewaltphänomene’ folglich als gewaltsam erlebt wird, hängt...

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