Einführung
»Gold ist ein barbarisches Relikt.«
Wie oft haben Sie diese Aussage schon gehört? Falls Sie, wie ich, über Gold schreiben und Vorträge halten, haben Sie ihn schon tausendmal gehört. Er ist ein Teil einer altbekannten Litanei von Menschen, die rückhaltloses Vertrauen in ungedecktes Papiergeld haben – aber kein Vertrauen in Gold. Sobald jemand ein gutes Wort für Gold einlegt, kommt sofort diese automatische Reaktion von den treuen und unbeirrbaren Fans des Papiergeldes.
Dieser Abwehrreflex gegen Gold ist generationenübergreifend. In der älteren Generation finden sich Akademiker, die im Dunstkreis bekannter Goldgegner wie Milton Friedman heranwuchsen. Zu ihnen zählen Paul Krugman, Barry Eichengreen, Nouriel Roubini, Martin Feldstein und andere, die das gesamte ideologische Spektrum von links bis rechts abdecken. Friedmans andere theoretischen Arbeiten sind weitgehend überholt (es hat sich inzwischen herausgestellt, dass freie Wechselkurse nicht optimal sind und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nicht stabil ist), aber das hat sich keineswegs auf die Art und Weise ausgewirkt, wie seine Gefolgschaft über Gold denkt.
Zu diesen Antigold-Koryphäen gesellen sich heute die Mitglieder einer jüngeren Generation, die gelernt haben – oder dazu verleitet wurden – zu glauben, Gold habe keinen Platz in einem Währungssystem. Zu dieser Gruppe zählen bekannte Blogger und Kommentatoren wie Barry Ritholtz, Matt O’Brien, Dagen McDowell und Joe Weisenthal. Dieser Antigold-Liga mag es egal sein, ob Sie goldene Ringe oder Uhren tragen, aber falls Sie erwähnen sollten, dass Sie sogar Goldbarren besitzen, werden sie mit herablassendem Mitleid reagieren. Und sobald ein Goldstandard auch nur erwähnt wird, fahren sie ihre Krallen aus – das ist anrüchig. Diese Leute sind – wie ein Karabiner mit einem hochempfindlichen Stecherabzug – allzeit bereit, Argumente abzufeuern, warum ein Goldstandard nicht funktionieren kann, nie funktionieren wird und noch nie funktioniert hat. Obendrein werden geringschätzende Attribute wie »vorsintflutlich« und »primitiv« in die Diskussion geworfen.
In diesem Buch vertrete ich dagegen die Auffassung, dass Gold tatsächlich Geld ist, dass auf Gold basierende Währungsstandards durchaus möglich sind und dass in Abwesenheit eines offiziellen Goldstandards jeder Einzelne seinen persönlichen Goldstandard einführen sollte, indem er Gold kauft, um den eigenen Wohlstand zu sichern.
Während ich mich auf mein Plädoyer für Gold vorbereite, ist es gut, zu wissen, dass ich nicht allein bin. Neben der neuen Generation von Goldkritikern gibt es auch eine neue Generation von klugen und besonnenen Goldbefürwortern. Zu diesen »›jungen Helden‹ des Goldes« zählen Ronni Stöferle und Mark Valek in Wien, Jordan Elieso und Janie Simpson in Sydney, Jan Skoyles in London, »Koos Jansen« (wirklicher Name: Jan Nieuwenhuijs) in den Niederlanden sowie Elaine Diane Taylor in Vancouver – ein ansehnliches Netzwerk. Sie sind für mich eine beständige Quelle der Ermunterung und neuen Erkenntnisse.
Bevor wir jedoch die Argumente für Gold präsentieren, wäre es nützlich, zuerst die Gründe zu widerlegen, die gegen Gold angeführt werden. Wenn Sie wieder einmal erleben, dass ein Goldgegner sich in reflexhafte Reaktionen flüchtet, werden Sie wissen, was Sie ihm entgegnen können – und zwar auf der Grundlage von Fakten anstatt Klischees.
Wie lauten denn die Argumente gegen Gold? Die Kritiker kennen sie auswendig. Hier sind sie im Einzelnen:
1.Gold ist ein »barbarisches Relikt«, so John Maynard Keynes.
2.Es gibt nicht genug Gold, um weltweit sämtliche finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten zu ermöglichen.
3.Es wird nicht genug Gold produziert, um mit dem Wachstum der Weltwirtschaft Schritt zu halten.
4.Gold hat die Weltwirtschaftskrise verursacht.
5.Gold bringt keine Rendite.
6.Gold hat keinen intrinsischen Wert.
Jede dieser Behauptungen ist überholt, falsch oder ironischerweise ein Argument für Gold. Das hält jedoch die Papiergeld-Ideologen nicht davon ab, sie immer wieder anzuführen. Wir wollen sie uns etwas genauer ansehen, eine nach der anderen.
Laut John Maynard Keynes ist Gold ein »barbarisches Relikt«
Diese Behauptung ist ganz einfach zu widerlegen: Keynes hat das so nie gesagt.
Was er tatsächlich gesagt hat, ist wesentlich interessanter. In seinem Buch Ein Traktat über Währungsreform (1924) schrieb Keynes: »In Wahrheit ist der Goldstandard bereits ein barbarisches Relikt.« Dabei hat er sich nicht auf Gold, sondern auf einen Goldstandard bezogen – und im Kontext von 1924 hatte er durchaus recht. Das notorisch mangelhafte Golddevisen-Währungssystem, das in diversen Varianten von 1922 bis 1939 in Kraft war, hätte nie eingeführt werden dürfen. Und es hätte schon lange aufgegeben werden sollen, bevor es mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zugrunde ging.
Keynes war vor allem ein Pragmatiker. Als im Juli 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war Keynes einer der überzeugendsten Befürworter des klassischen Goldstandards, der seit 1870 in Kraft war. Die meisten Länder, die in den Krieg eintraten, gaben daraufhin den Goldstandard sofort auf, um mit ihrem verbliebenen Gold den Krieg zu finanzieren. Das Schatzamt seiner Majestät, des Königs von England, und die Bank von England wollten es ebenso machen.
Keynes argumentierte im Wesentlichen, dass die Menge des als Geld genutzten Goldes begrenzt sei, Kredite dagegen elastisch. Wenn man im Goldstandard bliebe und Londons Rolle als Zentrum der globalen Finanzwirtschaft beibehielte, würde man die Kreditwürdigkeit Großbritanniens verbessern. So konnte London sich das Geld leihen, das es brauchte, um den Krieg zu finanzieren.
Und genauso kam es dann auch. Das House of Morgan in New York organisierte riesige Kredite für Großbritannien, aber keine für Deutschland und Österreich. Nur durch diese Finanzierung konnte Großbritannien durchhalten, bis im Jahr 1917 die Vereinigten Staaten in den Krieg eintraten. Im Jahr darauf kam es zum Sieg.
Im Jahr 1925 überlegte Winston Churchill als damaliger britischer Finanzminister, ob Großbritannien wieder zum Goldstandard zurückkehren solle, zur gleichen Parität wie vor dem Krieg. Keynes teilte Churchill mit, das würde zu einer katastrophalen Deflation führen. Keynes sprach sich gegen den Goldstandard aus, aber falls Großbritannien ihn wieder einführen wolle, so Keynes, dann sei es entscheidend, den Goldpreis auf dem richtigen Niveau festzulegen. Er empfahl eine viel höhere Parität für Gold als vor dem Krieg. Churchill ignorierte Keynes’ guten Rat. Das Ergebnis war eine massive Deflation und eine Depression in Großbritannien, und zwar schon etliche Jahre bevor die Weltwirtschaftskrise den Rest der Welt erschütterte.
Im Juli 1944, ein Dreivierteljahr vor seinem Tod, setzte Keynes sich in Bretton Woods für eine neue globale Währung ein, die er »Bancor« nannte – der theoretische Vorgänger des heutigen »Special Drawing Right« (SDR, »Sonderziehungsrecht«). Den Bancor wollte er durch einen Korb von Rohstoffen decken, darunter auch Gold. Das wäre zwar kein Goldstandard im strengeren Sinne gewesen, hätte dem Gold aber dennoch eine wichtige Rolle im Währungssystem zugewiesen. Keynes’ Plan wurde auf Betreiben der Vereinigten Staaten zugunsten eines Dollar-Gold-Standards verworfen, der von 1944 bis 1971 andauerte.
Kurz gesagt: Zu Beginn seiner Karriere war Keynes ein Befürworter von Gold, in der Mitte seiner Laufbahn war er ein kluger Ratgeber in Bezug auf Gold und gegen Ende seiner Karriere setzte er sich wieder für einen Goldstandard ein. Dazwischen sprach er sich zu Recht dagegen aus, eine fehlerhafte Golddevisen-Währung einzuführen. An diese differenzierte Meinung von Keynes zum Thema Gold sollten Sie denken, wenn Ihnen das nächste Mal jemand die Phrase vom »barbarischen Relikt« an den Kopf wirft.
Es gibt nicht genug Gold, um weltweit sämtliche finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten zu ermöglichen
Obwohl diese Behauptung Unsinn ist, werden wir sie widerlegen, weil sie eine der Torheiten ist, die man von Papiergeld-Fans am häufigsten zu hören bekommt.
Die Menge des weltweit vorhandenen Goldes steht zu jedem gegebenen Zeitpunkt fest, nimmt jedoch zu, weil durch Bergbau neues Gold gewonnen wird. Zurzeit sind etwa 170.000 Tonnen vorhanden, von denen etwa 35.000 Tonnen auf offizielles Gold entfallen, das von Zentralbanken, Finanzministerien und Staatsfonds gehalten wird. Dieses Gold kann unter einem Goldstandard zu einem bestimmten Preis jedes Ausmaß an finanziellen und wirtschaftlichen Aktivitäten ermöglichen. Der Preis kann ermittelt werden, indem man die Menge des physisch vorhandenen Goldes durch die Geldmenge teilt.
Es sind gewisse Annahmen notwendig, um diese Berechnung durchzuführen. Welche Währungen sollen an dem Goldstandard teilnehmen? Welche Geldmenge (M0, M1 und so weiter) soll für diesen Zweck verwendet werden? Welches Verhältnis von Gold zu Geld ist optimal? Dies sind legitime geldpolitische Fragen, welche die verschiedenen Zentralbanken zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet haben.
Von 1815 bis 1914 hat die Bank of England einen erfolgreichen Goldstandard umgesetzt mit einer Golddeckung von etwa 20 Prozent der Geldmenge....