II. Kasualpredigten – Taufe
01. Gott ist unendlich treu
Jesaja 43, Vers 1
Haustaufe in Hanau,21.11.1992
Predigtbitte:
Herr unser Gott, wir bitten dich jetzt, in diesem Taufgottesdienst bei uns zu sein, und unsere Sinne für dein Wort zu öffnen, damit wir es verstehen und danach handeln können. Amen.
Liebe Taufeltern, liebe Paten Freunde und Gäste, liebe Gemeinde,
vieles in unserem Leben bewegt uns; Wichtiges und Unwichtiges. Oft können wir das Eine nicht von dem Anderen unterscheiden. Da hören wir, wie auch heute wieder, ein so gewichtiges Wort aus dem Buch Jesaja, hören wie der lebendige Gott uns anspricht, ja uns sogar etwas zuspricht und wir hören nicht einmal richtig zu. Unser Alltag und unser tägliches Geplänkel halten uns gefangen, wir zerreiben und zerreißen uns an so unbedeutenden und unwichtigen Kleinigkeiten. Ich könnte diesen Gedanken auch anders formulieren: Wir sind Meister, haben sogar einen Meisterbrief in der Tasche, wenn es darum geht, sich über Kleinigkeiten zu ärgern und aufzuregen. Wir sind aber im Gegensatz dazu Auszubildende, kleine, hilflose Anfänger, wenn es darum geht, sich über Kleinigkeiten zu freuen.
Da steht zum Beispiel der Topf mit der schon heißen Milch auf dem Ofen; einen Augenblick haben wir nicht aufgepasst und schon kocht die Milch über; das Geschrei und die ewigen Fragen der Kinder; das Spielzeug liegt wieder auf dem Boden und die Wäsche ist auch noch zu bügeln; das alles nervt uns unsäglich; da ist das Auto; im entscheidenden Moment ist es wieder nicht angesprungen, und das schlechte Wetter macht uns auch noch mürrisch; über die Zeitung, die viel zu spät kommt, ärgern wir uns auch noch; ich könnte diese Reihe unseres Ärgers noch sehr lange fortsetzen, denn es entgeht uns kein Grund, um uns über die vielen Kleinigkeiten zu ärgern, jede noch so winzige Unebenheit zum Problem zu erheben und als persönliche Plage zu empfinden und zu sehen.
Auch Jesus hat dazu eine Meinung, vielleicht sollte ich besser sagen, er hat dazu einen wichtigen Satz gesagt, den wir im Matthäusevangelium, im 6. Kapitel im Vers 34 nachlesen können: „Jeder Tag hat seine Plage!“ Die in ihrer Zeit geplagten Evangelisten haben das nach meiner Einschätzung ebenso gewusst, wie wir das heute auch wissen. Ich bin aber davon überzeugt, dass jeder Tag aber auch auf die vielfältigste Art und Weise seine schönen Seiten und auch seine kleinen Freuden für jeden von uns hat: Ich denke da zum Beispiel an die strahlende Sonne am Morgen, die liebevoll mein Gesicht erwärmt, die mich weckt, indem sie mit ihren Strahlen meine Augen streichelt; ich denke an die schöne Musik im Radio, die mich zum Mitsingen, Summen oder Pfeifen anregt und mich ermutigt, so beschwingt den Tag zu beginnen oder fortzusetzen; ich denke an das glückliche und unbeschwerte Lachen eines Kindes, dessen strahlende und offene Augen, die mich fragend, glücklich oder auch dankbar anschauen, denke an den freundlichen Gruß meiner Mitmenschen, die mir auf der Strasse, im Bus, Zug oder an anderer Stelle begegnen und denke an die Tatsache, dass ich aufstehen und mich versorgen kann und darf; das Letztere ist nicht selbstverständlich und unbedingt immer und bei jedem Menschen so.
Oft sind wir niedergeschlagen und am Boden zerstört. Wir müssen uns nun fragen, bzw. auch fragen lassen, warum wir ein so schönes Bibelwort nicht auf uns wirken lassen und ihm nicht die notwendige Beachtung schenken!
Warum leiten wir nicht für uns ab, dass Gott uns, mich ganz persönlich, an dieser Stelle meint, wenn er in unserem heutigen Predigttext im Buch Jesaja, Kapitel 43, Vers 1 sagt:
„Darum fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“
Bei unserem Wort aus dem Buch Jesaja handelt es sich doch um eine so wunderschöne und tröstende Zusage, die nicht nur dem Täufling gilt, sondern jedem von uns, wir müssen nur wollen! Diese tröstende Zusage hebt sich deutlich von unseren täglichen Unzulänglichkeiten ab und setzt so neue Maßstäbe für unser Leben.
Es handelt sich um eine Zusage, die auf zwei Grundpfeilern des christlichen Glaubens ruht:
Gott ist der alleinige Schöpfer und
Gott ist aber auch der Erlöser, der für uns den Weg zurück in die Ewigkeit ebnet.
Schauen wir uns diesen Bibelvers einmal gemeinsam genauer an und öffnen uns für neue Gedanken. Ich bin der festen Überzeugung, dass es sich für jeden von uns lohnt, genauer hinzuhören, hinzusehen und aufzunehmen.
Was kann denn eigentlich schöner und wichtiger sein, als die ganz persönliche Zusage Gottes an uns: Ich bin bei dir! Es ist dabei nicht wichtig, ob ich durch Feuer oder Wasser gehe; es ist nicht wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, was da wohl noch auf mich zukommen mag, wer mich ärgert oder verärgern will, denn er ist doch bei mir. Die göttliche Gegenwart ist das höchste Gut, die wertvollste Zusage und somit auch das Schönste und Wichtigste, das ein Mensch bekommen und damit auch besitzen kann.
Hier bleibt unser Text aber nicht stehen, denn wir könnten uns ja sonst fragen müssen, wie wir diese Aussage begründen wollen; er lässt uns aber nicht im Ungewissen, nicht als Fragende oder Zweifelnde auf sein Wort hören; er zeigt uns, warum wir uns ihm anvertrauen und ihm vertrauen dürfen, denn er hat als unser Schöpfer und Gott, als himmlischer Vater immer und überall seine Verheißungstreue bewiesen. Für ihn sind wir ein besonders kostbarer und wertvoller Schatz; er will uns, jeden Einzelnen von uns, Täufling, Eltern, Verwandte und Gemeinde, zur Vollkommenheit führen und das heißt, zurück zu ihm. Darum galt seine Treue früher, sie gilt heute und sie wird morgen unvermindert gelten. Gottes Zusagen haben keine Laufzeit, haben kein Verfallsdatum. Darin liegt seine Größe, darin liegt für uns der Trost, in der zeitlich unbegrenzten Treue.
Ich habe dich erlöst! Das ist einfach eine wunderschöne Zusage, wenn sie auch zunächst an Jakob und das Volk gesprochen wurde, denn wir wissen doch, dass sie auch heute für uns gilt, weil Jesus Christus in die Welt kam und stellvertretend für uns gestorben ist. Hier handelt es sich primär um einen Hinweis auf die Erlösung des Volkes Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft (Knechtschaft), denn schlagen wir das Wort im hebräischen Urtext nach, dann erkennen wir, dass „erlöst“ die Übersetzung aus dem Hebräischen ga, al, „aus der Sklaverei freikaufen“ heißt und auf das Kapitel 41, Vers 14 („Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, du winzige Made Israel; ich helfe dir, spricht der Herr, und dein Erlöser ist der Heilige Israels“) hinweist.
Die Formulierung „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“ ist ebenfalls eine nicht minder gewichtige Aussage, denn sie macht bei genauerem Hinsehen sehr wohl deutlich, dass sowohl das Volk Israel ein besonders Verhältnis zu Gott haben muss, als auch, dass wir bei Gott von besonderer Bedeutung sind. Wenn wir nun diesen Satz vom Rufen beim Namen einen Augenblick auf uns wirken lassen, dann spüren wir sehr schnell, dass dahinter ein ganz anderes, uns aber ein sehr wohl vertrautes Bild steht; es ist das Bild vom Hirten, denn er kennt alle seine Schafe beim Namen; er versorgt alle; er kümmert sich persönlich um jedes einzelne Schaf, denn jedes ist ihm wichtig. Haben Sie auch an den Johannestext „Ich bin der gute Hirte“ gedacht? So war es, so ist es und so wird es in Zukunft bleiben!
Der strahlende Jubel dieser Zusage im Buch Jesaja liegt wohl darin, dass man über Jahrhunderte hinweg dieses Heilsorakel als ein ganz persönliches Wort, als ganz persönliche Zusage an eine einzelne Person sah und verstand. Wer von uns würde denn heute sagen, dass das in eine persönliche Not hineingesprochene Wort nicht eine befreiende und erlösende Wirkung hat?
So ist der ganze Vers aufgebaut, eben sehr persönlich geprägt: Ich habe dich erlöst; das hebräische Verb für auslösen, bzw. freikaufen meint, einen schuldhaft in Not geratenen Verwandten. Es wird also ein Terminus verwendet, der eindeutig aus dem, wie wir heute sagen würden, Familienrecht stammt. So lässt sich der Ruf beim Namen, meinem Namen erklären, denn er spiegelt das Geschehen zweier Menschen wieder, von denen aus es dann auf das Handeln Gottes übertragen wurde.
Weg von der Anrede an das Gottesvolk, hin zur Anrede an den Einzelnen, das ist eine ganze neue Art von Botschaft. Sie ist auch der Beginn oder auch der Durchbruch zu etwas ganz Neuem. Möglich macht diesen neuen, doch sehr kühnen Schritt in der Verkündigung der Botschaft das Heilsorakel aus Genesis (1.Mose) 15, Vers 1: „Fürchte dich nicht, Abraham!“ Wäre es bei den Vätergeschichten nicht schon so gewesen, dann wäre dieser Vers, diese Botschaft, auch bei (Deutero) Jesaja nicht so möglich, könnten und dürften wir uns heute nicht so angesprochen fühlen.
So möchte ich zum Ende dieser Predigt zusammenfassend sagen: Gott ist da! Er setzt neue Maßstäbe in unserem Leben. Er will uns...