Die KPMG hat im Jahr 2011 eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass das Interesse an einer nachhaltigen Unternehmensführung nach wie vor ungebrochen ist: Von 178 aller befragten Unternehmen mit einem Umsatz bis 500 Millionen US-Dollar, setzten 49 % eine nachhaltige Strategie um. Bei den befragten Unternehmen mit einem Umsatz ab 1 Milliarde US-Dollar betrug dieser Anteil sogar 79 %.[41]
Unbestreitbar scheint in den Unternehmen also die Erkenntnis angekommen zu sein, dass ein nachhaltiger Unternehmenserfolg nur noch über die Berücksichtigung „grüner Faktoren“ möglich ist. In der nachfolgenden Abbildung 4 ist passend hierzu das von Nidumolu entworfene Fünf-Stufen-Modell dargestellt. Mit diesem lässt sich nachvollziehen, wie Unternehmen über die Umsetzung von Nachhaltigkeit auch in Zukunft erfolgreich sein können. Darüber hinaus fungiert es in diesem Kontext als Ausganspunkt für die im Anschluss folgenden Nachhaltigkeitsstrategien.
Abbildung 4: Das Fünf-Stufen-Modell zum nachhaltigen Unternehmenserfolg
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Nidumolu, R./Prahalad, C.K./Rangaswami, M.R., Harvard-Business-Manager 2009, S. 56.
Wie ist das Modell zu verstehen? Die erste Stufe umfasst das Übertreffen von ökologischen Standards. Hierdurch sollen Innovationen ermöglicht werden.[42] Im Rahmen der zweiten Stufe wird der Trend zum wirtschaftlichen Handeln auf die gesamte Wertschöpfungskette übertragen. Vor- und nachgelagerte Handelspartner müssen jetzt auch die geforderten ökologischen Standards einhalten.[43] In Stufe drei erkennt die Unternehmensführung, welche ökonomischen Chancen mit einer ökologischen Ausrichtung einhergehen können. Dieses Handlungsfeld zielt deshalb auf die Entwicklung ökologischer Produkte bzw. Produktalternativen ab.[44] Das vierte Handlungsfeld thematisiert die Entwicklung grüner Geschäftsmodelle, um so das Wettbewerbsumfeld zu verändern. Die fünfte und letzte Stufe betrifft die Erschließung neuer Märkte.[45] In der Praxis stellte sich dies beispielhaft wie folgt dar:
Das Fünf-Stufen-Modell am Beispiel der Hansgrohe SE
Die erste Stufe erfüllte der Armaturenhersteller durch eine eigens erstellte Datenbank, die alle Emissionswerte, Verbräuche, Schadstoffe und Abfälle im Produktionsprozess auflistete. Außerdem befasste sich das betriebliche Gesundheitsmanagement in diesem Zusammenhang mit der Ergonomie an den Arbeitsplätzen.[46] Das zweite Handlungsfeld wurde durch eine Lieferantenqualifizierung nach den Hansgrohe Leitsätzen „Green Company“, durch nachhaltige Logistikprozesse sowie durch Green Packaging abgedeckt. Stufe drei, bei der die Entwicklung nachhaltiger Produkte im Mittelpunkt stand, setzte die Hansgohe SE durch seine EcoSmart-Technologie um. Diese trug dazu bei, den Wasserverbrauch von Hand- und Kopfbrausen zu senken.[47] Stufe vier erfüllte das Unternehmen aus Schiltach bereits seit 2011, als die strategischen Nachhaltigkeitsziele in den Businessplan übernommen wurden. Die fünfte Stufe wurde durch die Mitarbeiter des Geschäftsfeldes „Smart Water Solutions“ umgesetzt, die Systeme und Technologien entwickelten, um aus Abwasser Wärme zurückzugewinnen.[48]
Im Wesentlichen sind die unterschiedlichen Nachhaltigkeitsstrategien auf folgende zwei Fragestellungen zurückzuführen:
1. „Wie ökologisch nachhaltig soll das Unternehmen ausgestaltet werden?
2. Wodurch soll das Unternehmen spezifisch ökologisch nachhaltig sein?“[49]
Frage eins adressiert die Intensität der Umsetzung ökologischer Themen im Unternehmen. Wie intensiv sich die Geschäftsführung mit der Nachhaltigkeitsthematik auseinandersetzen „muss“, ist von zwei Faktoren abhängig. Zum einen (1. Faktor) wird die grüne Ausrichtung von den externen Anforderungen bestimmt, die je nach Branche variieren. Die Chemiebranche zum Beispiel muss sich allein wegen einer Vielzahl zu erfüllender gesetzlicher Vorgaben per se intensiver mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen als der Einzelhandel. Zum anderen (2. Faktor) hat ein Unternehmen bei der strategischen Positionierung jedoch auch intern ein Wahlrecht und kann selbst entscheiden, in welchem Umfang es die ökonomischen Chancen ökologischer Themen nutzen möchte.[50] Weber unterscheidet in diesem Zusammenhang vier Kategorien, die als Grundlage für die Nachhaltigkeitsstrategien anzusehen sind.[51] Abbildung 5 verdeutlicht die Zusammenhänge der verschiedenen Strategien, die im Folgenden näher erläutert werden.
Abbildung 5: Strategische Positionierungen und Nachhaltigkeitsstrategien
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Steinke, K.-H./Schulze, M./Berlin, S./Stehle, A./Georg, J, ICV Green Controlling, 2014, S. 31.
Unternehmen, die der strategischen Position „Schlussgruppe“ angehören, haben das Ziel, den Aufwand für Nachhaltigkeitsaktivitäten möglichst gering zu halten. Aus diesem Grund orientieren sie sich stark an der Gesetzgebung und setzen nur geforderte Mindeststandards um. Bei diesen handelt es sich überwiegend um Compliance- und Regulierungsvorschriften, weshalb die ökologisch nachhaltige Strategie in diesem Zusammenhang auch als „Green Compliance“ bezeichnet wird.[52] Im Rahmen der zweiten strategischen Ausrichtung, der Positionierung im „Mittelfeld“, verfolgen Unternehmen als „abwartenden Strategie“ das Ziel, in der Öffentlichkeit nicht negativ aufzufallen. An ein Unternehmen, das diese Position anstrebt, wird deshalb der Anspruch erhoben, für die Masse der Gesellschaft offensichtliche Nachhaltigkeitsaspekte zu identifizieren und umzusetzen. Hierzu gehört zum Beispiel die Vermeidung von Kinderarbeit in der Lieferkette. Die mit dem „Mittelfeld“ einhergehende Strategie kann auch als „Unsichtbarkeitsstrategie“ bezeichnet werden. [53] Unternehmen profitieren in diesem Rahmen weder von den ökonomischen Chancen, die die Ökologie ihnen bietet, noch stehen sie im Fokus scharfer Kritik, wenn eine Branche in Verruf gerät.[54] Mit einer Positionierung in der „Spitzengruppe“ verfolgen Unternehmen das Ziel, einen wirtschaftlichen Nutzen durch das Abschöpfen des ökonomischen Potenzials ökologischer Themen zu generieren. Hierfür ist eine Strategie notwendig, die stark auf die Entwicklung und Vermarktung grüner Produkte und Lösungen abzielt. Die „Vorreiter“ als 4. Strategietyp treiben Nachhaltigkeitsthemen aktiv voran und nutzen das volle ökonomische Potenzial nachhaltiger Themen. Unternehmen, die sich entsprechend positionieren, gelten branchenübergreifend als Trendsetter für ökologische Themengebiete und setzen inhaltliche Standards in Sachen nachhaltiger Unternehmensausrichtung.[55] Unternehmen verfolgen in diesem Kontext eine „Ganzheitlich Grüne Strategie“, womit sie selbst den Anspruch erheben, ihr ganzes wirtschaftliches Handeln der Nachhaltigkeit unterzuordnen.[56]
Die Wahl der strategischen Position und die mit ihr einhergehende Nachhaltigkeitsstrategie ist davon abhängig, welche Bedeutung die Nachhaltigkeitsthematik im Unternehmen hat. Ist diese hoch, sollte entweder die „Spitzengruppe“ oder die „Vorreiterrolle“ angestrebt werden. Ist die Bedeutung von Nachhaltigkeit hingegen gering, besteht für ein Unternehmen immer noch die Möglichkeit, eine führende Rolle in der Branche einzunehmen. Eine Positionierung im Mittelfeld sollte jedoch in jedem Fall Zielsetzung sein, da von der „Schlussgruppe“ ein erhebliches Risikopotenzial ausgeht: Unternehmen in der Schlussgruppe können schnell in öffentliche Kritik geraten und es besteht die Gefahr, den Anschluss an innovative umweltfreundliche Technologien zu verpassen.[57]
Da nun die Frage, „wie“ ein Unternehmen nachhaltig ausgestaltet werden kann, einhellig erläutert ist, wird im Anschluss beschrieben, „wodurch“ ein Unternehmen ökologisch nachhaltig sein kann. Hierbei gilt es zwischen einer „objektbezogenen“ und einer „thematischen Dimension" zu unterscheiden.[58]
Die objektbezogene Dimension ist mit dem „Marktpotenzial“ und der „Leistungserstellung“ ebenfalls zweigeteilt. Als erster Ansatzpunkt für die Ausgestaltung einer ökologischen Strategie wird in diesem Zusammenhang das Marktpotenzial erklärt, dass vor allem von der Marktnachfrage abhängig ist. Schafft es ein Unternehmen,...