KAPITEL 2
1 Einleitung
TEIL A: HINTERGRUNDINFORMATIONEN
2 Das Becken
3 Der Beckenboden – genauer betrachtet
4 Beckenbodenschwäche – Problem Harninkontinenz
5 Behandlungsmöglichkeiten der Beckenbodenschwäche
TEIL B: PRAXIS DES BECKENBODENTRAININGS
6 Voraussetzungen für das Training
7 Einspüren in die Beckenbodenmuskulatur
8 Vorbereitung für das Training
9 Übungskatalog
10 Entspannung nach dem Training
11 Tipps für den Alltag
TEIL C: LITERATUR UND ADRESSEN
Kapitel 2
DAS BECKEN
2.1 Das Becken – Zentrum unseres Körpers
“Ein Haus hat Mauern, ein Dach, Türen und Fenster, aber sein Zweck ist der innere Raum.”
Laotse: Tao Te King
Vor etwa 5.000 Jahren entstand die älteste lebende Kultur der Welt, die Kultur Chinas. Alte chinesische Texte berufen sich darauf, dass sich das Zentrum unserer Vitalität, Intuition und Lebensfreude in unserer Körpermitte befindet. Im Fernen Osten bezeichnet man diese Körpermitte als Dantien. Das Dantien liegt etwa zwei Fingerbreit unterhalb und innerhalb des Nabels und genau da befindet sich unser Bauchraum mit dem Beckenboden und seinen Organen.
In diesem Zentrum werden Lebensprozesse organisiert, die der Arterhaltung sowie der sozialen Beziehung, der Nähe und Sexualität dienen. Sie werden geschützt durch einen kraftvollen und geschwächt durch einen kraftlosen Beckenboden. Ein Kind wird im Becken empfangen, wächst im Becken heran und wird aus dem Becken geboren. Es ist wohl kein Zufall, dass hier der geschützte Schwerpunkt unseres Körpers liegt. Hier kann sich der Embryo am besten entwickeln, umgeben von lebenswichtigen Organen und einer zuverlässigen Blutzufuhr.
Die Frage stellt sich: “Warum haben wir unser Bewusstsein in Bezug auf unsere Körpermitte verloren?” Auch in unserer westlichen Welt kennen wir Redewendungen wie, “aus dem Bauch heraus entscheiden” oder wir spüren bei Unstimmigkeiten und Unzufriedenheit “ein unangenehmes Gefühl im Bauch”. Tagtägliche Entscheidungen, die wir treffen, beginnen in der Körpermitte und gehen von dort aus den Weg zum Verstand. Wir sind uns dessen nur nicht mehr bewusst. Wir sollten uns unserer Körpermitte wieder vertrauensvoll zuwenden, weil sie als Zentrum unserer Gefühle imstande ist, hilfreiche Impulse zu senden.
Dieser Teil der fernöstlichen Lehren enthält für mich eine große Wahrheit. Wird nicht dieser Bereich unseres Körpers mit einer Tabuzone belegt? Schon die geschlechtliche Erziehung in unserer Kindheit war, wenn sie überhaupt stattfand, meist moralisch überzogen und mit vielen “Neins” versehen.
Die kleinen Jungen haben und hatten es da ein bisschen besser. Ihre Geschlechtsteile sind nicht zu übersehen und ein Lächeln geht über unser Gesicht, wenn ein nackter, dreijähriger Knirps im Freibad ganz versunken mit seinem Penis spielt. Er ist beim Wasserlassen einfach dazu gezwungen, seinen Penis zu berühren. Für jeden Jungen ist das eine Selbstverständlichkeit und er ist stolz auf ihn und findet ihn interessant.
Die Mädchen dagegen, deren Sexualorgane im Innern verborgen sind, werden meist mit den Worten: “Finger weg” zur Ordnung gerufen, sollten sie ihre Geschlechtsteile neugierig erforschen wollen.
Sehr oft werden die Mädchen mit ihrer Geschlechtlichkeit allein gelassen und der ganze Bereich ist für sie mit Vorurteilen und mit Schamgefühlen verbunden. Auch ein psychologischer Aspekt muss hier bedacht werden: Die Art der geschlechtlichen Erziehung wird in der Kindheit meist unreflektiert wahrgenommen und später bei den eigenen Kindern oft übernommen. Dies kann generationenübergreifend wirksam bleiben. Schenken wir unseren Kindern oder Enkeln eine natürliche und liebevolle Geschlechtserziehung, die sie ihren Körper als Ganzheit betrachten lässt. Glücklicherweise öffnen sich ganz langsam Türen zu einer Enttabuisierung des Themas und die Beckenbodenproblematik, vor allem mit ihrer Form der Harninkontinenz, wird offen an- und ausgesprochen.
Zwei Drittel aller Frauen werden in ihrem Leben mit diesem Problem konfrontiert und wir sollten “FRAU” genug sein, das Gefühl der Demütigung abzulegen, offen zu werden und uns einen zu Weg bahnen, aktiv gegen die Problematik anzugehen. Lernen wir, unseren Körper neu zu entdecken, nehmen wir unser Zentrum des Körpers bewusst wahr und spüren wir die inneren verborgenen Kräfte, die in uns schlummern!
2.2 Beckenboden und Sexualität
Sexualität gehört zu unserem Leben wie Nahrungsaufnahme – Nahrung für unsere Seele. So sind wir geschaffen und es ist schade, wenn wir durch Schwächung der Muskeln im Beckenraum Freude und Lust an unserer Körperlichkeit einbüßen. Wir Frauen bewahren uns unsere Sexualität bis ins hohe Alter. Ein gutes Geschlechtsleben bewirkt Ausgeglichenheit, Spannungsabbau und Emotionalität, alles Dinge, die dafür sorgen, dass es uns gut geht und wir uns wohlfühlen.
In seinem Buch Liebe und Orgasmus spricht Alexander Lowen von der Wahrheit und Weisheit des Körpers und sagt auch: “Der Weg zu einem reichen Leben geht sicher über ein vollständiges Erleben des Körpers und seiner Sexualität.” Wir können selbst dazu beitragen, die Voraussetzungen für ein glückliches Geschlechtsleben zu schaffen. Da Körper und Seele in einer engen Beziehung zueinander stehen, bewirkt die Auseinandersetzung mit der Körperlichkeit ein größeres Selbstvertrauen zu sich selbst.
Um die gleichwertige Partnerschaft zwischen Mann und Frau auch im Sexualleben zu verwirklichen, müssen wir uns aus unserer Passivität befreien und ein neues Verhältnis zu unserem eigenen Körper entwickeln. Das weibliche Becken stellt genauso ein Bewegungszentrum dar wie das Skelettsystem mit seinen Muskeln. Eine funktionstüchtige Beckenbodenmuskulatur kann man als sogenannte dritte Hand bezeichnen. Sie kann fühlen, steuern, festhalten, ergreifen und rhythmisch agieren.
Das “Greifen” der Beckenbodenmuskeln wird auch der Partner wie einen Händedruck oder eine Umarmung empfinden. Eine verbesserte weibliche Beckenbodenmuskulatur wirkt sich im Geschlechtsleben für beide Partner positiv aus. Wenn keine Empfindung für die Muskulatur vorhanden ist, ihre Funktion nicht bekannt ist und man nicht weiß, wie sie beschaffen ist, dann kann man die Muskeln auch nicht richtig gebrauchen.
Zu einem ausgeglichenen und glücklichen Sexualleben gehört nicht zuletzt die Fähigkeit, die Muskeln des Beckenbodens willentlich zu spannen und zu entspannen. Die Muskeln, die nicht ihrem Zweck entsprechend gebraucht werden, erschlaffen und bilden sich zurück. Wenn man sie trainiert, werden sie wieder stark. Es ist beruhigend, zu wissen, dass Muskeln immer und in jeder Altersphase die Fähigkeit zur Regeneration besitzen. Kraft lässt sich nur erwerben, wenn man sie selbst entwickelt. Je mehr Kraft man braucht, desto mehr bekommt man. Gebraucht man sie nicht, so verliert man sie.
Bei einer gut entwickelten Beckenbodenmuskulatur gibt es sehr geringe sexuelle Probleme. Ist die Muskulatur jedoch schwach, stellt sich oft auch eine Unzufriedenheit und sexuelle Gleichgültigkeit ein. Von großer Bedeutung für die sexuelle Empfindung ist für die Frau der Scheidenmuskel. Er umgibt die Scheidenwände und kann bewusst zusammengezogen werden. Da er mit vielen empfindsamen Nervenenden versorgt ist, die sowohl auf Zug als auch auf Druck reagieren, ermöglicht er starke sexuelle Empfindungen. Vor allem beim Geschlechtsakt verstärkt sich dieser Druck. Um als Mensch im Gleichgewicht zu bleiben, essen wir, wenn wir Hunger haben und schlafen wir, wenn wir müde sind. Genauso verhält es sich mit der Sexualität, die Erhaltung des Gleichgewichts zwischen Bedürfnis und Befriedigung. Löst sich die Spannung durch ein unbefriedigtes Geschlechtsleben nicht auf, dann gerät die Beziehung zwischen Körper und Seele ins Ungleichgewicht. Diese Disharmonie, über einen längeren Zeitraum erlebt, macht uns gereizt und unausgeglichen.
Wenn Ihre gesamte Beckenbodenmuskulatur erstarkt ist, spüren Sie die Kraft wie einen Sog...