Von der Versorgung mit Obst bis zur Erholung erfüllt ein Obstgarten viele Funktionen.
Einen Obstgarten planen und anlegen
Ein reich fruchtender Obstgarten ist sowohl faktisch wie symbolisch ein paradiesischer Zustand. Ein Ort des Überflusses und der süßen Früchte, der Verlockung und des Genusses. Die Perser nannten ihn Pardes, die Römer Paradisus und im Christentum wurde daraus das Paradies. Doch während in diesen Bildern der paradiesischen Zuschreibung die Arbeit ausgeblendet scheint, beschäftigt sich dieses Kapitel mit den handfesten Schritten, wie ein Obstgarten entstehen kann: Wie plant man einen Obstgarten? Was ist wichtig für die Anlage? Nach welchen Kriterien wählt man passende Arten und Sorten aus? Das folgende Kapitel soll Ihnen helfen, einen für Sie passenden Obstgarten zu planen und anzulegen. Alle Überlegungen sollten vom eigenen Standort, der eigenen verfügbaren Zeit für Anlage und Pflege und den eigenen Vorlieben ausgehen. Die Details zu den Standortbedingungen der einzelnen Obstarten finden Sie bei den → Artenporträts.
Über Jahrhunderte waren die Obstgärten dem Adel und Klerus vorbehalten, doch längst stehen sie jedem offen, der ein Stück Erde bewirtschaften kann. Jede und jeder kann sich dort sein eigenes kleines Paradies schaffen. Ein wenig Wissen und Planung braucht es jedoch, um erfolgreich die unterschiedlichen Obstarten zu kultivieren. Wer regelmäßig aus seinem Garten Obst ernten möchte oder diesen sogar zur Selbstversorgung nutzen will, ist gut beraten, möglichst viele und möglichst unterschiedliche Obstarten zu pflanzen. In kleinen Gärten kann das durchaus eine Herausforderung sein. Wen einmal die Obstlust gepackt hat, der stößt dann rasch an die Grenzen des Gartens, denn die Vielfalt an Obst- und Wildobstarten ist beinahe unüberblickbar groß. Ganz zu schweigen von der Sortenvielfalt, die einige Kulturarten zu bieten haben. Für (fast) jeden Standort und für (fast) alle Wünsche gibt es daher Sorten und Arten, die gut passen. Zudem ist es möglich, viele Baumobstarten als kleine Bäume zu kultivieren, so dass die Möglichkeiten auch in kleinen Gärten enorm sind.
Kriterien für die Auswahl der Obstarten und -sorten sowie Anzahl der Bäume und Sträucher und Baumformen
Bevor die Planung des Obstgartens beginnen kann, sind mehrere Fragen zu klären:
• Welchen Standort habe ich und welche Obstarten gedeihen an meinem Standort? → rechts
• Welche Obstarten möchte ich nutzen? → Seite 23
• Wie sind meine Lagermöglichkeiten für Obst? → Seite 23
• Bei einem gemietetem Garten/Selbsterntefeld: Wie viele Jahre kann ich den Garten nutzen? → Seite 24
Ein kleines Modell aus Halmen und Zweigen hilft bei der Planung, um sich die Verhältnisse der einzelnen Obstpflanzen besser vorstellen zu können.
• Welche Anbaumöglichkeiten habe ich in meinem Garten und welche muss ich neu errichten? → Seite 24
• Mit welchen Baumformen kann ich meinen verfügbaren Platz ausnutzen? → Seite 25
• Wie viele Bäume bzw. Sträucher brauche ich, um meinen Bedarf zu decken? → Seite 29
Welchen Standort habe ich und welche Obstarten gedeihen an meinem Standort?
Alle Obstarten stellen spezielle Ansprüche an die Temperatur, das Licht sowie die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit, um optimal zu gedeihen. Alle natürlichen Gegebenheiten, die Temperatur, Licht, Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit beeinflussen, werden „Standortfaktoren“ genannt (→ Tabelle, Seite 12). Vor der Planung eines Obstgartens sollten Sie sich daher vergegenwärtigen, wie Ihr Standort beschaffen ist. Kaum ein Grundstück ist vollkommen einheitlich. Speziell auf Hanggrundstücken gibt es meist Bereiche, die trockener sind, und andere, die feuchter sind. Genauso kann es Stellen am Grundstück geben, die zugig und damit kälter sind, und Stellen, die windgeschützt sind. Egal, wie groß oder klein der Garten ist: Eine Skizze des Grundstückes, in der die unterschiedlichen Standortbedingungen eingezeichnet sind, hilft, die verschiedenen Obstarten an die richtigen Stellen zu pflanzen. Je länger Sie Ihren Garten beobachten und kennen, desto besser und differenzierter werden Sie Bescheid wissen. Noch genauer als eine Skizze ist ein dreidimensionales Modell: Ein kleines Modell aus Halmen und Zweigen hilft bei der Planung, um sich die Verhältnisse der einzelnen Obstpflanzen besser vorstellen zu können. Im Modell werden dann die Bäume, Sträucher oder Rankpflanzen in ihrer endgültigen Größe dargestellt. Bevor das „Wunschmodell“ angefertigt wird, sind einige grundlegende Überlegungen wichtig. So brauchen Kiwi-Pflanzen immer eine Befruchter-Pflanze. Das bedeutet, dass man auch mindestens für drei Kiwi-Pflanzen Platz haben muss. Oder: Wenn ich gerne einen Pfirsich setzen möchte, aber es in meiner Region viel regnet, muss ich mich eher für einen Zwetschkenbaum entscheiden.
Übersicht über die verschiedenen Standortfaktoren, die für die Planung eines Obstgartens relevant sind
Standortfaktoren, die Temperatur und Licht beeinflussen |
Ausrichtung des Hangs nach S/W/O/N (Exposition) |
Staulage und Schattenlage |
Standortfaktoren, die Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit beeinflussen Niederschlagssumme |
Wasserspeicherkapazität, Regenverdaulichkeit |
Sonstige Standortfaktoren, die das Wachstum und die Ertragssicherheit beeinflussen |
Temperaturminimum im Winter |
Seehöhe und Wärme
Viele Obstgehölze und Beerensträucher haben eine große Anbaubreite, sie können von sehr warmen Lagen bis auf über 1.000 Meter Seehöhe kultiviert werden. Die Anpassung an unterschiedliche Klimagebiete erfolgt vor allem über die Sortenvielfalt. Jede Obstart und jede Obstsorte benötigt eine gewisse Anzahl an Tagen mit Temperaturen über 5 °C, um auszureifen. Beim Apfel etwa gibt es Sorten, die in rauen Lagen gut gedeihen und deren Früchte sogar besser als in warmen Lagen schmecken. Es gibt aber auch Apfelsorten, die nur im Weinbauklima ausreifen (über 250 Tage mit Temperaturen über 5 °C). Ein anderes Beispiel: Für Mispeln reicht in Mitteleuropa in vielen Lagen die Wärmesumme nicht vollkommen aus. Sie reifen aber am Lager nach und werden so im November reif.
Aus der Sicht der Pflanze ist es weniger entscheidend, wie hoch die Temperaturen an den heißesten Tagen klettern, sondern wie groß die Wärmesumme über das Jahr ist. Generell brauchen Obstarten und -sorten, die spät im Jahr reifen, eine höhere Wärmesumme, frühreifende Sorten kommen mit weniger Wärme aus. Eine Ausnahme bilden besonders wärmebedürftige Arten wie z. B. Marille oder Pfirsich.
Umgekehrt wird in warmen Lagen die Hitze für manche Obstarten zum Problem werden. In heißen Lagen „zerkochen“ Sommeräpfel beinahe am Baum und werden rasch mehlig. Ribiseln und Stachelbeeren gedeihen in solchen Lagen besser im Halbschatten anderer Gehölze. In sommertrockenen Regionen lässt der Holunder – der ein Flachwurzler ist – bei monatelangem völligem Ausbleiben von Regen alle Blätter fallen und bildet dann auch keine Beeren mehr aus.
Viele Apfelsorten gedeihen selbst in kalten Gebirgslagen.
Das Klima – und damit die Wärmeverhältnisse – ist allerdings kleinräumig sehr variabel. An einem Spalier vor einer südseitigen, ungedämmten Steinmauer gedeihen selbst in ungünstigen Lagen noch feinste Winterbirnen, die im Freistand nicht ausreifen würden. Ein Innenhof in rauen Lagen ist meist ausreichend geschützt, um die empfindlichen Blüten eines Marillenbaums gegen Spätfröste zu schützen. In kühlen und kalten Gegenden...