„Eine wirkungsorientierte Investmentstrategie ist Ausdruck von Integrität und Glaubwürdigkeit“
Impact Investing bietet Stiftungen die Chance, ihre Vermögensstrategie zugunsten einer zusätzlichen gesellschaftlichen Rendite neu auszurichten. Warum es sich für den Stiftungssektor lohnt, diesen Weg einzuschlagen, und vor welche Herausforderungen es ihn stellt – dazu ein Interview mit den Stiftungsmanagern Birgit Radow und Carl-August Graf v. Kospoth
INTERVIEW: ANGELIKA FRITSCHE
Frau Radow, Herr v. Kospoth, gleich zu Beginn möchten wir Sie um eine grundsätzliche Klärung bitten: Was ist das Neue an „Impact Investing“ – sprich „wirkungsorientiertem Investieren“? Stiftungen wollen doch seit eh und je eine positive gesellschaftliche Wirkung erzielen?
Carl-August Graf v. Kospoth: Es war schon immer das Ziel von gemeinnützigen Stiftungen, positive Veränderungen in der Gesellschaft, oder anders gesagt, eine gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Da haben Sie vollkommen recht. Dabei konzentrierte man sich jedoch in erster Linie auf den Förder- und Projektbereich, sprich auf die Verwendung der Erträge – die immer stärker auch investiv eingesetzt werden. Die Frage, welche positive gesellschaftliche Wirkung durch die Anlage des Stiftungsvermögens erzeugt werden kann, wurde meist nicht gestellt. Durch Impact Investing kann nun auch das im Vermögen vorhandene Potenzial bewusst für zusätzliche gesellschaftliche Veränderungen genutzt werden. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Immerhin verfügen deutsche Stiftungen über ein geschätztes Vermögen von mehr als 100 Milliarden Euro.
Birgit Radow: Hier gibt es in der Tat Möglichkeiten, um die Gesamtwirkung der Stiftung zu erhöhen. Dies führte bei vielen Stiftungen – vor allem vor dem Hintergrund eines anhaltend niedrigen Zinsniveaus – zu einem Umdenken und zu Veränderungen in der Anlagestrategie. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat bereits 2012 eine erste Studie zum Thema „Mission Investing“, einer besonderen Form des Impact Investing, herausgegeben. Die Kernaussagen waren: Mission Investing kann weitgehend unabhängig von Größe, Art und Zweck der Stiftung auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Stiftungen können in der Aufbauphase eines „Mission Investing“-Marktes eine aktive Rolle übernehmen. Zum Beispiel, indem sie weitere Forschung in diesem Bereich unterstützen und sich dafür einsetzen, dass ein positives Umfeld für Mission Investing entsteht. Und: Die in der Studie dargestellten Fallbeispiele zur rechtlichen Umsetzbarkeit einer solchen Anlagestrategie zeigten, dass die aktuelle Rechtslage grundsätzlich keine Hindernisse für Mission Investing darstellt.
Fest vom Potenzial des Impact Investing für das Stiftungswesen überzeugt: Birgit Radow, stv. Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, und Carl-August Graf v. Kospoth, Vorstand der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG
Es geht also darum, wie eine Stiftung ihre Wirkung über die Projekt- / Förderarbeit hinaus, durch eine bewusste Anlage ihres Vermögens, steigert. Entsteht dadurch nicht ein Dauerkonflikt zwischen der Maximierung der finanziellen Rendite und der sozialen/ökologischen Wirkung?
Carl-August Graf v. Kospoth: Diese Annahme ist in der Tat weit verbreitet. Doch Beispiele zeigen, dass finanzielle Rendite und positive soziale / ökologische Wirkung kein Widerspruch sind, vielmehr bedingen sie einander. Denken Sie nur an Organisationen wie das „Impact Hub“-Netzwerk, das sehr erfolgreich Arbeits-, Vernetzungs- und Kommunikationsräume für soziale Start-ups schafft. Je erfolgreicher das Unternehmen wirtschaftlich ist, indem es neue Hubs eröffnet, Start-ups hervorbringt und fördert, desto mehr Nutzen entsteht für die Gesellschaft. Das heißt: Wenn das Geschäftsmodell stimmt, gehen wirtschaftlicher Erfolg und soziale / ökologische Wirkung Hand in Hand.
» Durch Impact Investing kann nun auch das im Vermögen vorhandene Potenzial bewusst für zusätzliche gesellschaftliche Veränderungen genutzt werden.
Carl-August Graf v. Kospoth
ist seit März 2009 Vorstand der Eberhard von Kuenheim Stiftung der BMW AG. Das Stiftungsprojekt „Sinnvestition“ wurde 2011, gemeinsam mit der Schwesterstiftung BMW Stiftung Herbert Quandt, unter dem Motto „Mit Stiftungsvermögen positive Wirkung schaffen“ gestartet. Seit 2013 ist er Leiter des Expertenkreises Impact Investing unter dem Dach des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Seit März 2016 ist er zudem Vorstand der BMW Stiftung Herbert Quandt. Vor dieser Tätigkeit hatte der Wirtschaftsingenieur seit 1994 bei der BMW Group verschiedene Führungspositionen inne.
Weitere Informationen:
kuenheim-stiftung@bmw.de
www.kuenheim-stiftung.de
Das hört sich alles sehr positiv an: Doch Impact Investing ist ein sehr komplexer Prozess. Sind Stiftungen – vor allem die kleineren – damit nicht hoffnungslos überfordert?
Birgit Radow: Prinzipiell kann jede Stiftung Impact Investing machen. Es erfordert ein Umdenken, gewiss. Aber ohnehin beschäftigen sich inzwischen viele Vorstände und Geschäftsführungen sehr intensiv mit der Anlagepolitik ihrer Stiftungen. Sie erarbeiten zum Beispiel vermehrt Anlagerichtlinien oder überarbeiten ihre vorhandenen. Das ist ein guter Anlass, um sich damit zu beschäftigen, wie Stiftungen durch gezieltes Investieren ihren Stiftungszweck direkt proaktiv fördern oder zum Beispiel durch Unterstützung von Social Entrepreneurship unternehmerisches Engagement für gesellschaftlichen Wandel unterstützen. Die intensive Beschäftigung mit Impact Investing und der Vermögensanlage einer Stiftung erhöht die Kompetenz in Vermögensfragen.
Carl-August Graf v. Kospoth: Natürlich ist eine wirkungsorientierte Anlage des Vermögens mit Mehraufwand verbunden. Doch es lohnt sich. Stiftungen können dadurch einerseits ihre Wirkung steigern und andererseits transparent nachvollziehen, wo und wie das Stiftungsvermögen arbeitet und was es bewirkt. Zudem gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um Kosten und Aufwand zu reduzieren. Man denke nur an Fondsmodelle, Co-Investments oder gemeinsame Investmentprüfungen. Dass auch kleine Stiftungen wirkungsorientiert investieren können, zeigt unter anderem die Bürgerstiftung Pfalz. Ihr Grundstockvermögen in Höhe von 70.000 Euro hat sie in das Stiftsgut Keysermühle investiert, das sie nun als integratives Naturhotel und Tagungshaus betreibt.
Birgit Radow
ist seit Oktober 2014 stellvertretende Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Zuvor war sie u.a. in leitenden Funktionen für Greenpeace Deutschland, der gesetzlichen Krankenkasse SECURVITA BKK und der Deutschen Wildtier Stiftung tätig. Sie bringt einen reichhaltigen Erfahrungsschatz aus der Praxis mit.
Weitere Informationen:
birgit.radow@stiftungen.org
www.stiftungen.org
Aber ist es für Stiftungen, die auf die Ewigkeit angelegt und zum Kapitalerhalt verpflichtet sind, nicht viel zu riskant, bei der Vermögensanlage neues Terrain zu betreten – zumal es in Deutschland kaum Vorbilder und Erfahrungswerte, geschweige denn Ratings gibt?
Birgit Radow: Die Vermögensbewirtschaftung einer Stiftung ist eine zunehmende Herausforderung, weil sich die Situation am Kapitalmarkt gravierend verändert hat. Minizinsen erfordern ein Neudenken der Vermögensanlage – weg von sicheren festverzinslichen Wertpapieren hin zu anderen Anlageklassen, darunter Aktien oder Immobilien. Die Volatilität an den Märkten führt zu Schwankungen des Vermögenswertes einer Stiftung und die massive Liquidität birgt immer häufiger Risiken in den Märkten. Das Gebot der Stunde heißt Professionalisierung und Diversifikation und Impact Investing ist ein interessanter Ansatz hierfür. Das Stiftungsrecht ist kein Hindernis für Impact Investing. Für jede Stiftung muss aber konkret geprüft werden, welche Leitlinien durch Stifterwillen und Anlagerichtlinien bestehen und welche Spielräume sich in der Vermögensanlage oder der Förderung ergeben.
» Das Gebot der Stunde heißt Professionalisierung und Diversifikation und Impact Investing ist ein interessanter Ansatz hierfür.
Carl-August Graf v. Kospoth: Wir sollten uns zweierlei bewusst sein: Im aktuellen...