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E-Book

Hello Brand

10 neue Kommunikationstrends für Markenmacher

AutorTom Daske
VerlagRedline Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783864148569
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Die Zeit der klassischen Werbung ist abgelaufen. Kunden wollen heute nicht mehr nur zum Kauf überredet werden. Heute möchte der Kunde in die Welt der Marke eintauchen und ein Teil dieser Welt sein. Und umgekehrt werden Marken zu Bestandteilen des täglichen Lebens. Um dies zu erreichen müssen Unternehmen und Käufer jedoch eine Beziehung aufbauen und in Kommunikation treten - und nichts weniger als Freunde werden. Dazu müssen die Richtlinien, die bisher in der Werbung und Marketingkommunikation galten, grundlegend überdacht, ja revolutioniert und auf das Hier und Jetzt abgestimmt werden. Marken müssen fantastisch sein und ihre eigene Geschichte erzählen, damit jedermann ihr Freund sein möchte. Tom Daske stellt die zehn neuen Kommunikationstrends für Markenmacher vor, die man kennen und verfolgen sollten, um Menschen zu begeistern und als Kunden zu binden - heute und morgen. hello-brand.de

Tom Daske ist Gründer und Geschäftsführer der Werbeagentur »Die Botschaft«. Er gestaltet mit seinen Mitarbeitern die strategische Markenkommunikation von Unternehmen wie PayPal, Pepsi, Henkel, Die Bahn und vielen anderen. Als Business Angel unterstützt er außerdem Nachwuchsmarken und investiert in Start-ups.

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Leseprobe

1


DIE NEUEN VERKÄUFER:


VON MENSCH ZU MENSCH


 

Gewagte Outfits: High Heels, Neon, Schlangen-Print: Vier Tage lang wurde sie fotografiert und gefilmt, vier Outfits musste sie dafür aus ihrem Schrank fischen. Und Tag für Tag trat die 44-Jährige in gewagteren Kleidern vor die Presse. […] Während sie zum signalroten Dress lilafarbene Pumps kombinierte, fiel ihr Schlangenkleid durch einen neongelb gefärbten Saum auf.1

Da hat jemand der Presse einen echten Hingucker geliefert. Die Fashion-Analyse von Red-Carpet-Events ist ja längst zu einem zentralen News-Genre avanciert. Kaum ein gesellschaftliches Ereignis bleibt davon verschont – ganz gleich, ob Lady Gaga, Michelle Obama oder Uschi Glas über den Filz paradieren. Sogar Oma will das wissen: Was trägt sie heute? Ist sie auf meiner Wellenlänge? Hat sie mir etwas zu sagen?

Die Sache ist nur: Hier geht es nicht um die Fashion Week, nicht um Heidi Klum für Schwarzkopf, ja nicht mal um einen roten Teppich. Der Ausriss stammt aus der Berichterstattung über den Uli-Hoeneß-Prozess im Frühjahr 2014 in München. »Sie« ist kein Model, kein Hollywoodstarlet und auch keine First Lady. »Sie« ist die Judikative.

Richterin Andrea Titz, Gerichtssprecherin des Oberlandesgerichts München, ist die Justitia für das 21. Jahrhundert. Die Frau, die ihren Berufsstand vom Barbara-Salesch-Trauma erlöst. Die Ikone, mit der keiner gerechnet hat, und die genau deshalb gefühlt mehr Neuigkeitswert hat als das vorhersehbare Urteil im Promi-Steuerprozess. Sie steht hinter diesem Urteil, vor der Kamera und für die gerechte Sache, denn die Rechtsprechung vertritt den Willen des Volkes. Andrea Titz verkauft uns diesen Prozess, als ginge er uns wirklich etwas an. Diese Richterin blickt uns in die Augen und spricht Recht. Von Mensch zu Mensch.

Die Justiz ist nicht der einzige Schnittpunkt von Individuum und Gesellschaft, an dem es plötzlich menschelt. Überall poppen Gesichter auf, wo früher Logos waren. In der Werbung sowieso. Doch nicht nur dort. Sogar Google, die omnipotente Datenkrake, verhält sich plötzlich wie ein Welpe mit großen Knopfaugen: Der tut nix, der will nur spielen. Schau, der läuft in deinem Haus rum und schnüffelt an jeder Schublade. Wie kann man da böse sein? Welpen sind so, und trotzdem Teil der Familie. Ist Google auch, mittendrin im Smart Home, und erfreut die Familie mit seiner Anhänglichkeit. Grenzenlos loyal, so ein Hündchen; dem verweigern wir schließlich auch nicht das Futter, wenn er mal Mist baut.

»Sie« ist die Judikative.

Es gibt solche und solche Menschen, und deshalb gibt es auch solche und solche Beziehungsstrategien in der Markenkommunikation. Überall tauchen sie auf, diese neuen Verkäufer, manche aggressiv oder direkt und manche ganz subtil.

Was tragen sie? Sind sie auf unserer Wellenlänge? Was haben sie uns zu sagen?

BAUCHLADENFREIE ZONE

Offensichtlicher ist, was die neuen Verkäufer uns nicht zu sagen haben: Sie reiben uns keine Produkte mehr unter die Nase. Oft treten sie uns mit leeren Händen unter die Augen. Stattdessen blicken sie tief hinein, als wollten sie suggerieren: Alles, was du wissen musst, steht mir ins Gesicht geschrieben.

Und tatsächlich: Oft steht es da, mehr oder weniger unmissverständlich, manchmal auch nur dem treuen Follower zugänglich. Nichts ist so aufreizend subtil wie eine stille Übereinkunft. Um USP, Schwarz auf Weiß und mit Soundeffekt, geht es dabei nicht. Andrea Titz kommt in Rot und mit einer Botschaft. Angelina Jolie, UNICEF-Botschafterin und Übermutter, in Schwarz – und mit einer Botschaft. TechNick kommt mit Bart – und einer Botschaft.

Die mehr oder weniger konsequente Produktlosigkeit ist der augenfälligste Unterschied zu den alten Verkäufern, denn die waren stets mit Bauchladen unterwegs. Heidi Klum mit schussbereiter Spraydose. George Clooney mit dem Espresso in der Hand. Barbara Schöneberger hat für die Backstage-Schwofe zwischendurch immer den Kartoffelsalat in der Handtasche.

Und Andrea Titz hat immer was an, aber darum geht es nicht. Angelina Jolie hat manchmal wenig an, doch das ist nicht der Punkt. Emma Watson hat Stil, doch vor allem hat sie eine Meinung. Die Brand Ambassadors sind nicht wegen des Geldes gekommen, sondern wegen der Aufmerksamkeit für ihre Botschaft.

Das ist der New Deal zwischen Marken und ihren Botschaftern: ehrliche Identifikation und glaubhaftes Engagement gegen Plattform und Öffentlichkeit. Die unschätzbare Rendite aus diesem Deal ergibt sich für beide Seiten von selbst – durch den Faktor Publicity.

Infolge der Inflation des Star-Begriffs eignen sich heute bei Weitem nicht nur Promis als Markenbotschafter. Im Gegenteil: Normalos menscheln leichter. Oft braucht es gerade kein bekanntes Gesicht, sondern die Familie von nebenan, der wir beim Frühstück durch die Terrassentür zuschauen können. Schwere Zeiten für Stars und Sternchen.

THE RETURN OF THE KÜCHENTISCH

Nichts ist sozialer als Essen. Unsere Mahlzeiten teilen wir mit Menschen, die uns wichtig sind – ganz besonders beim Familienfrühstück. Wer Zugriff auf unser Frühstück hat, gehört praktisch zur Sippe. Für eine Marke im Frühstücksbusiness ist das eine Steilvorlage.

Bei Nutella, der Frühstücksmarke schlechthin, übernimmt die Ansprache von Mensch zu Mensch seit 2011 die Nutella-Familie – vier Menschen wie du und ich, die sich eigentlich nur durch ihre sympathische Durchschnittlichkeit auszeichnen. Die Normalos lösten einen prominenten Markenbotschafter ab: die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Ein Rückschritt, könnte man meinen. Doch die Werbewelt ist nicht mehr so, wie sie einmal war. Immer mehr Marken definieren sich nicht mehr ausschließlich über Awareness, sondern zusätzlich immer häufiger über die Nähe zum Kunden. Die Abkehr vom bekannten Promi-Gesicht und die Hinwendung zum vertrauten Gesicht von nebenan ist für viele Marken ein logischer Schritt auf diesem Weg. Das Mantra lautet nicht mehr: Kenn ich, kauf ich, sondern: Glaub ich, kauf ich. Glaubwürdigkeit ist nicht mehr Kür, sondern Pflicht, wenn eine Marke bei mir mit am Küchentisch sitzen will. Wie realistisch ist schließlich die Vorstellung, sich morgens mit Manuel Neuer ums Nutella-Brot zu streiten?

Das bigger nicht better ist, wenn es ums Essen geht, haben auch andere Marken inzwischen realisiert. Die industrielle Abstraktion, die die Nahrungsmittelbranche in den vergangenen Jahrzehnten geprägt hat, ist mit den neuen Ansprüchen der Konsumenten an ihre Ernährung nicht mehr kompatibel. Schon gar nicht mit der Renaissance der sozialen Funktion von Mahlzeiten. Die Unzahl von Kochshows im Fernsehen, deren Hauptprotagonisten oft gerade nicht prominent sind, ist dafür nur ein Indiz.

Ein anderes sind die zahllosen Ausprägungen des Food Socializings, allen voran das Konzept der Running Dinners: Zum Teil wildfremde Menschen nehmen jeweils einen Gang bei einem Gastgeber ein, bevor sie aufstehen und den nächsten Gang gemeinsam bei einem anderen Teilnehmer serviert bekommen, und so weiter. Das Essen ist der Star, doch die Verbindung entsteht durch die Begegnung am Esstisch. Die Nutella-Familie setzt auf denselben Effekt. Gemeinsam essen heißt: auf derselben Wellenlänge sein.

Auf die Intimität der Ernährung setzt auch ein Konzept, das erst kürzlich aus Frankreich nach Berlin Kreuzberg geschwappt ist: der Bauernmarkt 2.0.2 Er steht für die Aufhebung der industriellen Abstraktion der Nahrungsmittelkette durch die Wiederannäherung zwischen Konsument und Erzeuger. Über Jahre war die Präsenz der Lebensmittelkonzerne in den Medien vor allem von wechselnden Skandalen geprägt, die so gar nicht zu den hübschen, stilisierten Kampagnen passen wollten. Wer sollte angesichts Schweinepest-News und Vogelgrippe-Schlagzeilen noch die Mär vom glücklichen Schwein glauben, dass rosa und gesund über eine grüne Wiese bummelt? Die Konsumenten wendeten sich ab. Seitdem rücken immer mehr neue Erzeuger nach und drängen in die Vertrauenslücke. Für große Lebensmittelkonzerne mit Massenproduktion dagegen wird es immer schwerer, kritische Konsumenten davon zu überzeugen, dass ihre Produkte gesundheitlich unbedenklich, landwirtschaftlich nachhaltig und ethisch vertretbar sind. Selbst Johannes B. Kerner hat nach acht Jahren eingesehen: Gutfried kann gar nicht gut für mich sein.

Vorhang auf für die neuen Bauern: Der Bauernmarkt ist wieder da. Nur anders als früher, ökologischer als je zuvor und verdammt modern. Die neuen Lebensmittelverkäufer setzen auf das uralte Hand-in-Hand-Prinzip der Nahrungsmittelkette.

»Im Grunde handelt es sich um Netzwerke, innerhalb derer Leute mit den gleichen Interessen zusammenfinden und sich mit guten, sauberen und fairen Lebensmitteln versorgen. Sie sind Teil einer neuen Esskultur, zu der ein Hobby namens Genuss gehört und die das Lebensmittelhandwerk, Hofläden sowie Markthallen wiederentdeckt. Das Internet hilft dabei.«3

Das Internet? Ja, genau. Zu...

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