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E-Book

Hilfe, ich bin eine emanzipierte Mutter

Ein Streitgespräch zwischen Mutter und Tochter

AutorJulia Onken, Maya Onken
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl236 Seiten
ISBN9783406625121
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,49 EUR
Schafft eine Frau nicht das volle Programm, steht sie unter Verdacht, erhebliche Defizite zu haben: Ohne Kinder gilt sie als karrierebesessen; mit Kindern als Hausfrau als zurückgeblieben; mit Kindern und berufstätig ist sie eine Rabenmutter. Dieses Buch will in der Beschreibung des alltäglichen Wahnsinns das Tabu der perfekten Frau und Mutter brechen. Himmel und Hölle der Emanzipation aufzeigen. Denkanstöße geben. Zum Lachen bringen. Und eigene Lösungsperspektiven entwickeln und aufzeigen. Maya Onken, verheiratet, zwei Kinder, berufstätig, schreibt ihrer Mutter von der Unmöglichkeit, Job und Muttersein unter einen Hut zu bringen. Julia Onken antwortet und versucht, die Tochter auf das aufmerksam zu machen, was diese nicht sehen will. Ein Streitgespräch, das die Augen öffnet, in welchen Überforderungen wir uns bewegen.

Julia Onken ist diplomierte Psychologin, Psychotherapeutin, Leiterin des Frauenseminars Bodensee (gemeinsam mit ihrer Tochter Maya), Dozentin in der Erwachsenenbildung und Herausgeberin des Magazins Generation Superior - von der Kunst des langen Lebens. Maya Onken, lic. phil., war Deutsch- und Pädagogiklehrerin an Gymnasien, Human Resource Managerin und leitet zusammen mit ihrer Mutter das Frauenseminar Bodensee.

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Leseprobe

3 Achtung, Spinnenfrau


Liebe Mami,

(beachte bitte das liebe …) Bin eigentlich schon nicht mehr so wütend. Dein Brief hat mir den Wind einfach – paff – aus den Segeln genommen. Verstehe deine Antwort. Stell dir auch vor, du hättest mich wirklich gewarnt … Ich wäre noch saurer auf dich gewesen, wenn du mit all den Horrorgeschichten gekommen wärst. Hätte es gemein und geschmacklos gefunden, wenn du mich vor all den Realitäten gewarnt hättest. Schwamm drüber. Themawechsel.

Erinnerst du dich noch, wie du mir Astrid Lindgren vorgelesen hast? Nun lese ich meiner Tochter aus «Karlsson vom Dach» vor. So wie der Karlsson vom Dach der beste Spaßmacher der Welt ist, heißa hoppsa, bin ich wohl die beste Spinnenfrau der Welt. Aber nicht etwa wie Superwoman, die sich elegant, schlank und rank über die Dächer von New York dahinschwingt. Nein, wohl eher wie eine gehetzte Spinne, die versucht, mit ihren langen, haarigen Beinen die vielen Fäden nicht zu verlieren, die sie gleichzeitig am Spinnen ist. Heißa hoppsa.

Wie ich zum Spinnenvergleich komme? Weil ein lumpiger Friseurtermin mich in die tiefsten Untiefen meines selbstgebastelten Systems wirft! Weil mich der Besuch von Alva an den Rand meiner Zeitorganisation treibt! Weil mein ganzes Leben in Viertelstundentranchen auf- und eingeteilt wird! Weil mich mein Vorhaben, dem Babybäuchlein von vier Schwangerschaften und zwei Geburten endlich den Garaus zu machen, total frustriert! Am Willen fehlt es nicht, sondern an der Zeit. Kurz: mein Optimierungszwang ist der nackte Wahnsinn.

Ich sehe schon, du schüttelst den Kopf. Klar. Es tönt jetzt alles etwas wirr, von Karlsson zum absoluten Irrsinn. Heißa hoppsa. Ich erkläre es auch gleich.

Also der Friseurtermin. Wohlweislich meine Zeitnöte bedenkend, habe ich mich nun schon drei Wochen im Voraus um einen Termin bei der Friseuse bemüht. Denn, das kennst du selber, irgendwann schaust du dich am Morgen im Spiegel an und findest, JETZT muss es sein. Und dann muss es jetzt sein, sofort, heute oder morgen, aber ganz sicher diese Woche. Und dieses Gefühl kann ich mir in Anbetracht meiner Zeit-Jonglage einfach nicht leisten. Denn du kannst sicher sein, dass ich heute und morgen in meinem dicht gewebten Spinnennetz keine Zeitlücke finde. Also habe ich mir diesen Moment, wo es zu spät sein wird, im Vorfeld ausgerechnet. Noch so und so viele Sonnentage (siehe Wettervorhersage), die die Haare schneller ausbleichen, der Ansatz nun schon gut 1 cm sichtbar, die Spitzen etwas strohig, aber noch nicht hexenhaft. Gut, spätestens in drei Wochen muss es sein. Meine liebenswerte Friseuse gab mir drei Termine zur Auswahl. Ich rufe sie zurück, war meine Antwort.

Also beginne ich zu brüten. Dieser Termin über Mittag ist nicht machbar, ich arbeite, da kann ich schlecht drei Stunden Mittag machen. Obwohl selbst Chefin (und Chefs erlauben sich so was ja doch hin und wieder), habe ich in solchen Situationen einen wirklich unpraktischen Loyalitätssinn und außerdem – wann erledige ich all die Arbeit, ich habe ja nur drei Tage Zeit pro Woche? Also unmöglich.

Der andere Termin ist früh am Morgen, aber allenfalls wird das DER Estelle-Tag sein. Weil Maxis Hütedienste für drei Wochen wegfallen zwecks Sommerferien, musste ich mich anders organisieren. So nimmt meine geliebte Schwester Alexandra, die, wie du weißt, eigentlich nur die Patin von Estelle ist, aber von beiden als «Gotti» bezeichnet wird, die zwei Mädchen Dienstag und Mittwoch zu sich, damit ich arbeiten kann. Da aber die Krippe am Donnerstag noch offen hat, könnte ich Lucie trotzdem in die Krippe geben und einen GANZEN Tag mit Estelle verbringen. Endlich mal meine große Tochter genießen. Wie sehr vermisse ich sie in all dem Trubel. Wie sehr nimmt mich Lucie dauernd in Beschlag. Wie sehr spielt auch Erik lieber mit der Verständnisvolleren, Älteren. Und von dieser wertvollen Zeit soll ich nun drei Stunden für die Schönheit hergeben? Nein.

Oder am Samstag wäre noch ein Termin frei? O je, nachdem ich Erik vier Tage hintereinander nicht gesehen habe, weil jeder so viele sonstige Verpflichtungen hat, will ich doch endlich mal ein normales ruhiges Wochenende en famille verbringen. No way.

In dieser Unentschlossenheit blitzt der Gedanke durch den Kopf, dass die Kinder allenfalls eine Nacht länger bei der Patin bleiben und somit der Donnerstag-Termin irgendwie wieder günstig wäre. Aber nein, da hätte ich ja einen halben Tag so ganz für mich allein, und ich müsste dann zum Friseur? Also rufe ich meine Schwester an, versuche den Zeitraum abzustecken. Bekomme aber keine verwertbare Antwort; lass uns Mittwoch nochmals telefonieren, dann entscheiden wir spontan. Okay.

Vor lauter Zahlen und Zeiten brummt mir der Kopf. Verdammt noch mal. Ich kann eigentlich nicht zum Friseur. Was ich auch mache, irgendwo stehle ich die Zeit, die es dafür einfach nicht gibt. Jetzt muss ich mich entscheiden, wo ich sie hernehme. Nach weiteren zehn Minuten kommt mir die Spinnenfrau zu Hilfe. Ich melde mich am Donnerstag an. Wenn Estelle da ist, dann werde ich die drei Stunden unter der Hitzehaube damit verbringen, ihr vorzulesen, mit ihr zu malen und Spiele zu machen. Dann wäre die Zeit doch sinnvoll in unsere vernachlässigte Beziehung investiert. Und wenn die Mädchen eine Zusatznacht bleiben, dann muss ich eben die freie Zeit dafür opfern, könnte aber wenigstens drei Stunden lang in meinem neu erstandenen Buch «Warum Mama eine rosa Handtasche braucht und andere Geheimnisse glücklicher Mütter» lesen. Der Titel hat es mir angetan. Verständlich.

Kommen wir zum nächsten Punkt. Meine heißgeliebte und beste Freundin Alva. Vor zehn Jahren wegen einer Meditationsausbildung zu den Lamas ausgewandert und seither in Indien wohnhaft. So kommt sie nur etwa jedes zweite Jahr für einige Wochen in die Schweiz. Doch selbst die seltenen Telefonate und die unregelmäßigen Briefe (einige kommen ja auch nicht an) hat unsere Herzensverbundenheit nicht schwächen können. Du kannst dir vorstellen, wie es mir geht, wenn sie in die Schweiz kommt. Sie wird Priorität Nummer eins, denn wie zwei abgemagerte Kamele nach der langen Wüstenwanderung, jede für sich auf einem anderen Weg, treffen wir uns in der Oase Schweiz und saufen uns mit Wasser (Aufdatierung alles Geschehenen) voll und legen Fett an (Vertiefung unserer Zuneigung) für die nächste Tour.

Und genau diese Intensität und dieser Wunsch bringen mich erneut in Teufels Küche. Denn Alva hat dieses Mal Typhus und ist immer noch geschwächt, muss sozusagen zur Erholung in die Schweiz. Ist ja klar, dass ich sie besuchen gehe (jeder Weg eine halbe Stunde). Und dann bitte sehr ohne Kinder, denn wenn die da sind, dann kann man ja kein vernünftiges Wort wechseln. Da hat Alva Recht. Vielleicht auch noch so einen ganzen Tag, wo man Quatschen und Kuchen essen kann, ein bisschen Shopping machen und zwischendurch einen Sprung in den erfrischenden Bodensee? Das ist ein traumhafter Vorschlag.

Achtung, Maya, die Spinnenfrau kommt. Sie streckt und reckt sich, erforscht bei jedem Tag die möglichen Lücken und Verschnaufpausen. Verbindet, optimiert. Ja, wenn ich die Kids zur Patin bringe, auf dem Rückweg. Dann auf dem Weg zu Opas Geburtstagsfest, da gehe ich früher vom Geschäft (für Loyalität gibt es diesmal keinen Platz). Und am Wochenende wird die Familienidylle reduziert, kein Erik, keine Kinder. Und so fahre ich zu Alva mit wehenden Fahnen und grimmiger Wut. Mit inniger Freundschaftsliebe und einem Stück Empörung. Hat die Gute eine Ahnung, wie viel mich dieser Besuch kostet? Weiß sie um mein haariges Spinnengewebe?

Und wenn sie mir dann erzählt, sie hätte die letzten fünf Tage schön ausgeschlafen und überlege sich nun, welche Bücher sie lesen solle, da könnte ich doch glatt vor Neid platzen.

Sich überlegen! Das ist der erste Luxus. Weil ich keine Zeit zum Überlegen habe und am Ende eines Tages um 23 Uhr sowieso schon im Rotbereich des Energietankes angelangt bin, taumle ich nur noch ins Bett. Meine Überlegungen kreisen um die Spinnenfrau. Tag und Nacht.

Bücher! Das ist die zweite Frechheit des Satzes. Klar liegen bei mir auch Bücher rum. Aber fertig lesen kann ich nur jeden zweiten Monat eines. Das ist eine ständige Belastung, so viel Angefangenes im Spinnennetz herumhängen zu haben. Aus diesem Grund liegen Hefte, Artikel und Kurzgefasstes an allen möglichen Orten herum (in der Illusion, dies gehe schneller). Der zeitloseste Ort überhaupt ist das Klo. Mehrmals am Tag liegt diese Zwangslage vor. Zwei, drei Minuten mehr darauf zu verbringen, bringt das Spinnengewebe nicht aus dem Gefüge. Also schnell wie in der Zeitmaschine aus dem Geschehen austreten, kurz in eine andere Gedankensphäre schlüpfen, hier fünf belanglose Sätze, dort ein kurzer intensiver Abschnitt und zurück zum Zeitgewebe. Wie ich doch nach diesen Pausensnacks dürste.

Über das Wort AUSschlafen werde ich mich kurz fassen, da es seit sieben Jahren aus unserem Vokabular gestrichen ist. Meine Mädchen sind wohltrainiert, der erste gebrochene Lichtstrahl, und das frohe Kikeriki ertönt unvermittelt. Und zwar an jedem Wochentag. Das Wort SCHLAFEN hingegen würde weitere Seiten füllen. Wenn ich für jede qualvolle WACHE Minute, die ich verzweifelt neben der...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel2
Zum Buch3
Über die Autorinnen3
Impressum4
Inhalt5
1 Warum hast du mich nicht davor gewarnt?9
2 An die Wuttocher15
3 Achtung, Spinnenfrau19
4 Heißa hoppsa29
5 Die Versuchung oder endlich Auszeit37
6 Die akademische Bruthenne50
7 Der emanzipierte Mann57
8 Des Pudels Kern71
9 Macho75
10 Spreu vom Weizen trennen80
11 Lippenstift und Gummistiefel84
12 Zweimal gebissen93
13 Paradies mit Hinterhalt99
14 Frau Kressentinis Grabgesang111
15 Emanzipation, fahr zur Hölle – ewig Nummer zwei114
16 Platzhirschnummer118
17 Im Dilemma122
18 Ach, mein Mädchen126
19 Money, money, money130
20 Money, honey, boney137
21 Zwei Schweigeminuten141
22 Schattengeflüster147
23 Von Amazonen und Burgfräuleins150
24 Bestell deinen Garten156
25 Mütter, die spinnen, oder das Mutter-Maria-Syndrom162
26 Joseph – Mann mit Eigenschaften170
27 Rhapsodie in Moll174
28 Bravo181
29 Klassentreffen183
30 Vom Hund hinter dem Ofen193
31 Von Sex und Schrecksen197
32 Stopp den Hamster im Rad205
33 Nein, mit Analyse211
Epilog219

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