Sie sind hier
E-Book

Zwischen Himmel und Hölle

Das Kommando ›Plantage‹ des Konzentrationslagers Dachau

AutorDaniela Seidl
VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl190 Seiten
ISBN9783831607297
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR

Der erste Titel der »Dachauer Diskurse«, untersucht die Entstehung und Struktur des Arbeitskommandos ›Plantage‹ im KZ Dachau und die Umstände, die das Leben und die Arbeit der Häftlinge dort von 1938 bis 1945 prägten. Das garten- und landwirtschaftliche Versuchsgelände in Dachau bildete einen wesentlichen Baustein in der nationalsozialistischen Ernährungs- und Gesundheitspolitik.

So spiegelt der Vorzeige- und Prestigebetrieb der ›Deutschen Gesellschaft für Ernährung und Verpflegung‹ nicht nur wichtige Tendenzen der »naturheilkundlichen Lebens- und Heilweisen« im Nationalsozialismus wider, sondern sollte auch einen wichtigen wirtschaftspolitischen Beitrag zur Autarkie Deutschlands leisten. Die Monographie beschreibt detailliert die ganz spezifischen Arbeitsbedingungen, denen die Häftlinge des Konzentrationslagers Dachaus in den unterschiedlichen Arbeitsbereichen auf dem Freiland und im Forschungsinstitut ausgesetzt waren.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

2 Strukturen und Bedingungen des Konzentrationslagers (S. 25)

2.1 Methoden des Terrors

2.1.1 Politische Voraussetzungen


Am 20. März lässt Heinrich Himmler in seiner Funktion als kommissarischer Polizeipräsident vor der Münchner Presse eine Konferenz abhalten, auf der er die Errichtung eines Konzentrationslagers bei Dachau mit einem Fassungsvermögen für 5 000 kommunistische und sozial demokratische Funktionäre ankündigte.

Als geeigneter Ort für ein solches Vorhaben gerät eine Munitionsfabrik bei Dachau in den Blick, die durch die Bestimmungen der »Versailler Verträge« stillgelegt werden musste. Ab dem 30. März begann die Internierung angeblicher Regimegegner in das »Umer ziehungslager«, das – so die offiziellen Verlautbarungen – die Gesellschaft vor kriminellen und politisch gefährlichen Elementen schützen sollte. Innerhalb kürzester Zeit ist so das erste staatliche Konzentrationslager entstanden.

Nachdem Heinrich Himmler am 1. April die Führung der politischen Polizei in Bayern übernommen hatte, wurde einige Tage später auch das Lager Dachau der SS unterstellt. Mit der Übernahme des Lagers durch die Schutzstaffel verloren die Gefangenen jegliche juristischen Rechte und waren somit der Willkür ihrer Bewacher schutzlos ausgeliefert.

Schon in der ersten Nacht nach der Übergabe der Bewachung in SS-Hände kam es zu Exzessen, der Terror sollte von nun an den Alltag der Gefangenen prägen. Dass Himmler in Personalunion bayerischer Polizeichef und Reichsführer der SS war, ermöglichte ihm durch die Vermengung von Staats- und Parteiamt, »die Gesetze unter Berufung auf ein ›revolutionäres‹ Recht zu übertreten«.

Ein weiteres Instrument zur Durchsetzung seiner politischen Interessen war die Verknüpfung der Staatspolizei mit der Parteiorganisation der SS sowie mit dem Sicherheitsdienst.

Gemeinsam mit der Aufhebung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten auf Grundlage der Notverordnungen vom 28. 2. 1933 bildeten diese Konzeptionen die Voraussetzung zu einem nahezu eigen ständigen Unterdrü ckungsapparat. Himmler bemühte sich hinsichtlich des Lagers Dachau um hermetische Abschottung nach außen.

Das Lager sollte nach seinem Willen zu einer von der richterlichen Gewalt des Staates unab hängigen Institution gemacht werden. Mit der Einsetzung des SS-Ober führers Theodor Eicke , als zweitem Kommandanten nach dem abgesetzten Hilmar Wäckerle durch Himmler am 26. Juni 1933 begann die systematische Ent wicklung und Ausformung des Terrors.

2.1.2 Das »Modell-KZ« Dachau unter Theodor Eicke
Das KZ Dachau wurde unter der Ägide Theodor Eickes zum nationalsozialistischen Musterlager gestaltet und damit zum Vorbild für das gesamte nationalsozialistische KZ-System. In Dachau entwickelte Eicke im Auftrag Himmlers alle typischen Merkmale der SS-Konzentrationslager: die Organi sation und die Verwaltungsstruktur des Lageraufbaues, eine Dienstvorschrift für die Wachmannschaften sowie eine Lagerordnung für die Häft- linge.

Wesent liche Punkte bildeten die Systematisierung der Vorschriften, die Tren nung von Kommandantur und Wachtruppe sowie der Arbeitseinsatz der Gefangenen als Unterdrückungsinstrument. Arbeit bildete ein zentrales Moment der »Umerziehung« und vereinigte in sich das erklärte Ziel, den körperlichen und geistigen Widerstand der politischen Gegner zu brechen.

Durch den Erlass einer Disziplinar- und Strafordnung schuf Eicke ein Instrumentarium, mit dem die bisher praktizierte Willkür in systematische Gewalt verwandelt werden konnte.

Dieser scheinbar geregelte Strafvollzugskatalog sollte den Wachtruppen eine einheitliche Handhabe gegen die Gefangenen geben. All dies führte aber keinesfalls zu einer Verbesserung der Zustände oder zum Nachlassen des unberechenbaren Terrors.

Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Editorial10
1 Zielsetzung und Grundlagen12
1.1 Erkenntnisinteresse13
1.2 Forschungsstand und Quellenlage14
1.3 Quellenkritik und Methode der Analyse18
2 Strukturen und Bedingungen des Konzentrationslagers26
2.1 Methoden des Terrors26
2.1.1 Politische Voraussetzungen26
2.1.2 Das »Modell-KZ« Dachau unter Theodor Eicke27
2.2 Binnenstruktur der Lager29
2.2.1 Die »Häftlingsselbstverwaltung«30
2.2.2 Häftlingskategorien und soziale Hierarchien32
2.2.3 Möglichkeit zu Solidarität und Widerstand35
2.3 Lagerbedingungen im KZ Dachau37
2.3.1 Haftbedingungen in Dachau37
2.3.2 Die Dachauer Häftlingsgesellschaft39
2.3.3 Der Lageralltag41
2.4 Arbeitseinsatz der KZ-Gefangenen46
2.4.1 Arbeit und Konzentrationslager46
2.4.2 Das Prinzip »Vernichtung durch Arbeit«48
2.4.3 Häftlingsarbeit in der SS-Wirtschaft51
3 Die »Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung « ( DVA) und das » Werk Dachau «54
3.1 Voraussetzungen zur Gründung der DVA54
3.1.1 Zum Verhältnis von Lebensreformbewegung und Nationalsozialis mus54
3.1.2 NS-Kräutergärten vor 193757
3.2 Die »Deutsche Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung «60
3.2.1 Organisation und Zielsetzung60
3.2.2 Weitere Betriebe63
3.2.3 Gewinne und Verluste64
3.3 Struktur des »Werks Dachau«66
3.3.1 Aufbau der Anlage 1938/3967
3.3.2 Gewürzkräuterproduktion72
3.3.3 Das Forschungsinstitut78
3.4 Binnenstruktur der ›Plantage‹85
3.4.1 Arbeitsbedingungen der Dachauer KZ-Gefangenen85
3.4.2 Stärke und Zusammensetzung des Häftlingskommandos › Plantage‹87
3.4.3 Geistliche in Dachau und auf der ›Plantage‹90
3.4.4 Die Betriebsleitung92
3.4.4.1 Emil Albert Vogt94
3.4.4.2 Das Spruchkammerverfahren gegen Vogt95
3.4.4.3 »Der Petersilienfritze«97
4 »Zwischen Himmel und Hölle«102
4.1 Sklavenarbeit auf dem »Freiland«103
4.1.1 Das Los der jüdischen Häftlinge104
4.1.2 Schutzlos der Witterung ausgeliefert107
4.1.3 Hunger im Gemüsefeld110
4.1.4 Die Macht der Kapos113
4.1.5 Anpassung als Überlebensstrategie115
4.1.6 Fluchten aus dem Terror119
4.2 Unter Dach und Fach: das Forschungsinstitut121
4.2.1 Gruppensolidarität der »Krakauer«122
4.2.2 Privilegien der »botanischen Maler«127
4.2.2.1 Das kleine »Kunst-Kommando«128
4.2.2.2 Sonderstellungen132
4.2.2.3 Karel Kašak135
4.2.3 Die illegale tschechische Häftlingszeitung140
4.3 Hilfe von außen – Hilfe von innen144
4.3.1 Die Tür der Priester zur Außenwelt145
4.3.2 Post für den Widerstand148
4.3.3 Solidaritätsgemeinschaft Labor149
4.3.4 Oswald Pohl, der »Herr der Plantage«154
4.3.5 Zusammenarbeit im Dienst der »biologischdynamischen Forschung «157
4.4 »… sich niemals als Menschen aufgegeben haben«164
5 Resümee170
6 Anhang174
6.1 Literatur174
6.1.1 Verwendete Literatur174
6.1.2 Verwendete Archivalien182
6.1.3 Zeitzeugengespräche183
6.2 Abkürzungen183
Personenregister186
Danksagung188
Mehr eBooks bei www.ciando.com0

Weitere E-Books zum Thema: Drittes Reich - Holocaust - Antisemitismus - Faschismus

Faschistische Selbstdarstellung

E-Book Faschistische Selbstdarstellung
Eine Retortenstadt Mussolinis als Bühne des Faschismus Format: PDF

Unter dem italienischen Faschismus wurden südlich von Rom neue Städte in den ehemaligen Pontinischen Sümpfen gegründet. Diese faschistischen Retortenstädte verknüpften neue sozialpolitische Modelle…

Faschistische Selbstdarstellung

E-Book Faschistische Selbstdarstellung
Eine Retortenstadt Mussolinis als Bühne des Faschismus Format: PDF

Unter dem italienischen Faschismus wurden südlich von Rom neue Städte in den ehemaligen Pontinischen Sümpfen gegründet. Diese faschistischen Retortenstädte verknüpften neue sozialpolitische Modelle…

Faschistische Selbstdarstellung

E-Book Faschistische Selbstdarstellung
Eine Retortenstadt Mussolinis als Bühne des Faschismus Format: PDF

Unter dem italienischen Faschismus wurden südlich von Rom neue Städte in den ehemaligen Pontinischen Sümpfen gegründet. Diese faschistischen Retortenstädte verknüpften neue sozialpolitische Modelle…

Faschistische Selbstdarstellung

E-Book Faschistische Selbstdarstellung
Eine Retortenstadt Mussolinis als Bühne des Faschismus Format: PDF

Unter dem italienischen Faschismus wurden südlich von Rom neue Städte in den ehemaligen Pontinischen Sümpfen gegründet. Diese faschistischen Retortenstädte verknüpften neue sozialpolitische Modelle…

„Auserwählte Opfer“?

E-Book „Auserwählte Opfer“?
Format: PDF

„They were not the chosen victims!" - Sie waren nicht die auserwählten Opfer.Mit diesen Worten beendete der amerikanische Historiker Guenter Lewy seinen Vortrag über die Verfolgung der Sinti und Roma…

Nach der Stunde Null

E-Book Nach der Stunde Null
Stadt und Landkreis Dachau 1945 bis 1949 Format: PDF

Granattrichter sind verfüllt, Flüchtlingsbaracken und provisorische Wohnsiedlungen niedergerissen. Immer weniger Zeitzeugen können sich an die Jahre 1945 bis 1949 erinnern, die fü…

Weitere Zeitschriften

Augenblick mal

Augenblick mal

Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten "Augenblick mal" ist eine Zeitschrift, die in aktuellen Berichten, Interviews und Reportagen die biblische Botschaft und den christlichen Glauben ...

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Computerwoche

Computerwoche

Die COMPUTERWOCHE berichtet schnell und detailliert über alle Belange der Informations- und Kommunikationstechnik in Unternehmen – über Trends, neue Technologien, Produkte und Märkte. IT-Manager ...

Gastronomie Report

Gastronomie Report

News & Infos für die Gastronomie: Tipps, Trends und Ideen, Produkte aus aller Welt, Innovative Konzepte, Küchentechnik der Zukunft, Service mit Zusatznutzen und vieles mehr. Frech, offensiv, ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

DULV info

DULV info

UL-Technik, UL-Flugbetrieb, Luftrecht, Reiseberichte, Verbandsinte. Der Deutsche Ultraleichtflugverband e. V. - oder kurz DULV - wurde 1982 von ein paar Enthusiasten gegründet. Wegen der hohen ...

Evangelische Theologie

Evangelische Theologie

Über »Evangelische Theologie« In interdisziplinären Themenheften gibt die Evangelische Theologie entscheidende Impulse, die komplexe Einheit der Theologie wahrzunehmen. Neben den Themenheften ...