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Historische Zahlungsmittel als Quellen im Geschichtsunterricht: Die Erzeugung historischer Imagination anhand alten Geldes

AutorBjörn Piechotta
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl68 Seiten
ISBN9783955495756
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Jeder von uns hat täglich Geld in der Hand. Wir kaufen Lebensmittel mit Banknoten und Münzen, zahlen es auf unsere Konten ein, um Miete, Strom- und Wasserrechnungen zu begleichen. Wir arbeiten hart, um an dieses Zahlungsmittel zu gelangen und damit unser Leben auszugestalten. Geld bestimmt unseren Alltag entscheidend mit und zeigt uns Grenzen auf. So kann es darüber bestimmen, welche Kleidung wir tragen oder wie weit eine Reise gehen kann. Zahlungsmittel begleiten uns durch die Geschichte hindurch. Sie sind Mittel und Gegenstand zum Erwerb von Waren, zur Bezahlung einer Dienstleistung oder zur Begleichung von Schulden. Als historische Quelle sind Zahlungsmittel Sachzeugnis vergangener Zeiten, alltägliche Gegenstände, die durch Jahrtausende hindurch nahezu denselben Zweck erfüllt haben. Bereits seit fast 3000 Jahren gibt es Zahlungsmittel in der uns heute geläufigen Form: die Münze. Waren frühe Münzen zunächst nur Elektronklumpen, in die ein lydischer Herrscher ein einfaches Symbol als Zeichen der Werthaltigkeit prägen ließ, so sind sie heute Kunst- und Designwerke wie auch Hightechprodukte. Seit die ersten Münzen ausgegeben wurden, zierten Herrschersymbole, Porträts, Alltagsszenen und Götterbildnisse auf vielfältigste Weise diese Zahlungsmittel. Weil jedermann sie wegen ihrer Werthaltigkeit begehrte, stellten sie ein Medium zur Kommunikation zwischen Herrschern und Untertanen dar, auf denen sich der Herrschaftsanspruch des Monarchen über seine Untertanen ausdrückte oder auch ein politisches Programm verkündet wurde. Doch wie können wir uns die Menschen vorstellen, mit denen der Herrscher über das Geld kommunizierte? Können wir uns eine Vorstellung davon machen, wie sie aussahen, was sie dachten und fühlten, eine Idee von der Zeit entwickeln, in der dieses Zahlungsmittel verwendet wurde? Inwieweit können uns Münzen und Banknoten ein Bild ihrer Zeit vermitteln? Inwieweit eigenen sich authentische historische Zahlungsmittel für den Geschichtsunterricht, um anhand dieser eine Vorstellung von Vergangenheit zu geben und Vergangenheit zu rekonstruieren? Wie können wir anhand authentischer Zahlungsmittel auf ihre zeitgenössische Rezeption schließen? Gibt uns ein historisches Zahlungsmittel Hinweise auf die narrative Identität einer bestimmten Epoche? Wie ist es möglich, sich einen historischen Gegenstand anzueignen, um hieraus Narrationen über Lebenswelten zu entlocken, die nicht Teil unserer eigenen Lebenswelt sind? Für unsere Imagination benötigen wir [...]

Björn Piechotte wurde 1981 in Eberswalde geboren. Nach seinem langjährigen Dienst als Grafiker und Fotograf im protokollarischen Dienst der Bundeswehr trat er sein Studium der Geschichte und der Sozialkunde an der Freien Universität Berlin an und schloss

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2.1, Die Kompetenz, den Hintergrund einer Quelle zu erfassen: Wie Texte, so sind auch Münzen und Banknoten immer nur ein kleiner Spiegel dessen, was in einer historischen Epoche geschah. Sie geben nur oberflächlich etwas über sich preis, sind aber eine Folge weitreichender politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Zusammenhänge. Betrachten wir einen Geldschein aus der Zeit der Inflation, so sehen wir zunächst Ornamente, eine Wertangabe und einen juristisch ausformulierten Text über die eingeschränkte Einlösbarkeit. Die Information, dass es sich um einen Geldschein aus der Inflation handelt, birgt allein schon eine Vielzahl kontextueller Zugänge zum Hintergrund dieses Geldscheins. Bezogen auf den Zeitpunkt seines Entstehens kommt man auf die Krisen der jungen Weimarer Republik zu sprechen, die in dieser Phase eine enorm instabile politische Einheit bildete, große gesellschaftliche Umbrüche stattfanden und Geld eigentlich kaum noch einen Wert hatte, weil es für den Alltag nahezu nutz- und wertlos geworden war. Der juristisch ausformulierte Text über die eingeschränkte Einlösbarkeit auf diesem Geldschein blendet diesen Hintergrund zunächst aus, wenn man der Hintergrundinformation Inflation schuldig bleibt. Für authentische Quellen gilt also, was auch für historische Texte stimmt: Sie sind immer vor einem historischen Hintergrund zu sehen, der zum Entstehen der Quelle führte Die Betrachtung einer Quelle ist zudem immer abhängig von den Kompetenzen des Rezipienten. So kann ein oberflächlicher Leser eines historischen Textes den Inhalt nur in der Form zur Kenntnis nehmen, wie er wörtlich vor ihm steht. Währenddessen kann beispielsweise ein Historiker den Hintergrund des Textes bereits während des Lesens erfassen und den Text somit kontextualisieren. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen - die erste naiv, die zweite informiert - führen zu entsprechend unterschiedlichem Verständnis der sowie unterschiedlichen Ergebnissen über den Inhalt und den Kontext der Quelle. Hinzu kommt, dass sowohl Sprache als auch Bilder dem Wandel der Zeit unterworfen sind und hierdurch unterschiedliche Stile repräsentieren. Vieles von dem, was uns heute als alt gilt, strahlt einen gewissen Charme aus, dem eine Aura des Anspruchsvollen, des Konservativen und Ästhetischen anhaftet, was auch gerne mystifizierend als Patina bezeichnet wird. Was heute vielleicht den Charme einer historischen Patina besitzt, war zeitgenössisch unter Umständen nichts Außergewöhnliches, vielleicht zu neumodisch oder gar Ziel von Spott. Heute erfreuen Häuser der Gründerzeit mit ihren reichen und sehr vielfältigen Verzierungen das Auge, wenn man durch die wenigen noch erhaltenen Straßenzüge in Berlin-Kreuzberg wandelt und sich im Gedanken in andere Zeiten zu versetzen mag. Als diese Gebäude errichtet wurden, war der Berliner jedoch spöttisch ob der Vielzahl gründerzeitlicher Baustile. Die Anekdote vom Polier auf der Baustelle illustriert diesen zeitgenössischen Spott. Der sagt: 'Der Rohbau ist fertig, Meister. Was soll 'n jetzt für 'n Stil ran?'. Auch der heutzutage vielgeehrte Jugendstil fand nicht von allen Zeitgenossen Zustimmung. So wähnte sich dereinst Kaiser Wilhelm II. angesichts der Betrachtung feiner, geschwungener Linien in Jugendstilwerken seekrank. Diese Beispiele zeigen, dass nicht die alleinige heutige Betrachtung von Quellen angemessen ist, um ihren Inhalt und ihre Aussagen richtig zu erfassen, sondern erst das Kontextwissen den Zugang ermöglicht und somit auch die Kompetenzen zur Erkenntnis über den historischen Kontext einer Quelle notwendig ist . Aus diesem Grunde ist der Kontext einer Quelle didaktisch wichtiger als die reine Anschauung. Didaktische Fragen ergeben sich nicht allein aus der alleinigen Betrachtung der manifesten Vordergrundinformation einer Quelle, sondern aus der Kontextualisierung, also der Erarbeitung des Hintergrunds, vor dem eine Quelle entstand. 2.2, Das individuelle Verstricktsein durch historische Imagination: Fiktionen und individuelle Phantasie bedingen einander, um eigene Orientierung in einer historischen Umwelt zu finden. Schörken spricht in seinem Buch Historische Imagination und Geschichtsdidaktik vom 'Verstricktsein' des Rezipienten in die Imagination. Das individuelle Verstricken der eigenen Gedanken mit einer Narration ist hierbei als aktiver Prozess zu begreifen, der es den Rezipienten ermöglicht, sowohl eine Narration aufzunehmen als auch seine eigene Gedanken und Lebenswelt in die Narration einfließen zu lassen. Der Rezipient ist hierbei in der Lage, sich selbst mit seinem Vorwissen und seinen Kompetenzen in einer historischen Narration einzubinden. Auch kann der Rezipient kraft seiner Gedanken eingebunden werden, um sich jederzeit wieder aus der Narration und seiner Imagination zu lösen, ohne dass er damit eine verwobene Struktur zum Zerfall zu brächte. Historische Narrationen erzeugen Bilder, in denen wir mit unseren Gedanken anwesend sind, ohne physisch daran teilzunehmen. Wir sind also in der Lage, durch unsere Gedanken und durch unsere Imaginationskraft sowohl in der gegenwärtigen Lebenswelt als in einer durch Phantasie konstruierten Vergangenheit anwesend zu sein. Während der Rezeption einer Narration bewegen wir uns in einer Welt, die von unseren Gedanken erschaffen wurde, und sind in der Lage, jederzeit wieder aus der Erzählung auszusteigen, um mit unseren Gedanken in unsere physischen Gegenwart zurückzukehren. Während wir aber unsere Gedanken in die Welt der Narration verstricken, erfahren wir etwas über diese Welt. Diese Erfahrung wirkt ergänzend auf unseren bisherigen Erfahrungshorizont, wir erfahren ein Gefühl des Zugewinns. Um diesen Zugewinn empfinden zu können, bedarf es eines bereits ausgeprägt vorhanden geistigen Horizont des Rezipienten, in dem bisherige Wirklichkeitserfahrung durch die Narration einer historischen oder fiktiven Wirklichkeit erweitert werden kann. Ist dieser Horizont nicht ausgeprägt, so ist eine Erfahrung aus Narrationen entsprechend der Horizontlücken fehlerhaft und kann nur an bereits vorhandenen Stellen ergänzend wirken. Entsprechend ist auch der Erzähler bzw. der Historiker gehalten, Inhalte und Narrationen entsprechend dem Horizont des Rezipienten anzupassen, um Imagination beim diesem entstehen zu lassen. 2.3, Die Bedeutung von Imagination für die Geschichtsdidaktik: Wie bereits ausgeführt, kann Imagination immer nur eine Annäherung an einen historischen Gegenstand ermöglichen, nicht jedoch eine völlige Vertrautheit. Dies bedeutet, dass Imagination auch von der Erfahrung des Abstands zum historischen Gegenstand zehrt. Erst aus einer angemessenen Distanz kann die Erfahrung von Alterität entstehen, welche als Grundlage zur 'Sinnbildung über Zeiterfahrung' verstanden werden kann. Oswalt spricht unter Bezug auf Gerhard Henke-Bockschatz von einer Notwendigkeit der Implementierung von 'Stolpersteinen der Imagination', um hieraus notwendige Korrekturen im eigenen Imaginationsprozess zu ermöglichen. Gemeint ist damit, dass 'die konkrete Vorstellungsbildung oftmals an historische Stereotypen gekoppelt ist' und daher die Fähigkeit zur kritischen Reflexion gegeben sein muss, um stereotype Vorstellungen berichtigen zu können. Gegenwärtig ist der Zugang zur historischen Narration durch Massenmedien für die große Mehrheit der Menschen leicht geworden. Im Fernsehen ist ein Zuschauer jedoch mit recht vereinfachten Darstellungen von Geschichte konfrontiert, welche sich weniger an geschichtsinteressierte Rezipienten wenden, sondern eher an ein breites Publikum, mit dem Anspruch, Zerstreuung und Unterhaltung zu bieten. Um dem entgegenzuwirken, sind historisch interessierte Schüler und Schülerinnen gehalten, durch eigene Fragestellungen an die Geschichte sich eben jene unvertraut zu machen. Eine tiefergehende Fragestellung und kritische Distanzierung von historischen Geschichten aus den Massenmedien kann daher erst für den interessierten Rezipienten den Erkenntniszugewinn ermöglichen.
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