Teil I: Hunde und ihre heilende Wirkung
1. Die heilenden Fähigkeiten der Hunde
Wie nennt man einen ehrenamtlichen Helfer mit heilenden Fähigkeiten, der mit dem Schwanz wedelt, vier Beine und ein feuchtes Lächeln hat? Einen Therapiehund. Man braucht einen Therapiehund nur kurze Zeit zu erleben, um die erstaunlichen Fähigkeiten dieser liebenswerten Hunde zu erkennen, wenn es darum geht, den Körper und die Seele der von ihnen besuchten Menschen zu heilen.
Tipp
Florence Nightingale wusste um die heilende Wirkung von Haustieren: «Ein kleines Haustier ist oft ein idealer Begleiter für kranke oder chronisch kranke Menschen.»
Die Krankenschwester Elaine Smith nutzte Therapiehunde systematisch für den Heilungsprozess, nachdem ihr aufgefallen war, dass die Patienten, die von einem Geistlichen und seinem Golden Retriever besucht wurden, sich besser fühlten. 1976 gründete Smith Therapy Dogs International, eine Organisation für ehrenamtliche Helfer, die Therapiehunde und ihre Besitzer testet und registriert und für die Arbeit der Therapiehunde wirbt. Heute sind in allen 50 Staaten der USA und in Kanada von Therapy Dogs International zertifizierte ehrenamtliche Helfer mit über 20000 Therapiehunden registriert.
Tipp
Nach Angaben des American Kennel Club erhalten jährlich 45000 Hunde ihre Anerkennung als Canine Good Citizen-Therapiehund.
Als traditionell ausgebildete Ärztin stellte ich meinen Patienten Rezepte aus und behandelte sie mit medizinischen Therapien. In den letzten Jahrzehnten habe ich Patienten mit chronischen Schmerzen, wie z.B. Arthritis, Migräne, Fibromyalgie, Schmerzen im unteren Rücken usw., betreut. Doch trotz guter schulmedizinischer Ausbildung sah ich schnell ein, dass meine Pillen und Arzneien bei diesen Patienten kaum etwas ausrichteten. Ich musste umlernen und zur Kenntnis nehmen, dass ein ganzheitlicher Ansatz gefragt war, der neben den körperlichen Beschwerden auch Dinge wie die Lebensführung sowie soziale und emotionale Belange berücksichtigte. Wir empfahlen den Patienten in unserer Klinik, nicht medikamentöse und nicht traditionelle Therapien auszuprobieren. Obwohl ich immer dachte, dass ich mich in puncto alternative Behandlungsmethoden ziemlich gut auskannte, hörte ich zum ersten Mal von Therapiehunden, als mein Tierarzt während eines Besuches mit meinem Hund bemerkte, dass mein Soft-Coated Wheaten Terrier – der natürlich Wheatie heißt – sicher gut für Patientenbesuche geeignet wäre.
Ich bin, genau wie mein Terrier, etwas eigensinnig. OK – für alle, die dieses Buch lesen und mich kennen – ich bin ein richtiger Dickschädel! Und wenn sich eine Idee in meinem Kopf erst einmal festgesetzt hat, bin ich wie ein Hund mit einem Knochen. Es gab drei Gründe, mich für die Arbeit mit Therapiehunden zu interessieren. Erstens ist Wheatie äußerst kontaktfreudig und mag Menschen. Zweitens absolvierte ich mit Wheatie bereits ein Gehorsamstraining, das ihm offensichtlich gefiel, so dass ich sicher sein konnte, dass die Ausbildung zum Therapiehund uns beiden Spaß machen würde. Der dritte Grund war ein rein egoistischer: Mir gefiel der Gedanke, Wheatie mit ins Krankenhaus zu nehmen. Nachdem Wheatie mehrere Jahre Patienten besucht hatte, kam ein zweiter Wheaten Terrier namens Toby in unsere Familie. Toby trat in Wheaties «Pfotenstapfen», bestand auch die Prüfung als Therapiehund und ergänzte mein Therapiehundeteam.
Ich habe als Ärztin an der Universität gearbeitet, mich für die Forschung interessiert und ständig nach neuen Möglichkeiten gesucht, das Leben meiner Patienten zu verbessern. Angesichts dessen habe ich nicht unkritisch mit der Therapiehundearbeit begonnen, sondern erst überprüft, ob die Behauptung der Leute über Therapiehunde und ihre heilende Wirkung tatsächlich stimmt. Hunde sind natürlich etwas Wunderbares und in Anwesenheit meines Hundes habe ich mich stets besser gefühlt. Aber war es wirklich möglich, dass eine so einfache Maßnahme wie der Besuch eines Therapiehundes imstande war, bei den Patienten messbare medizinische Veränderungen herbeizuführen? Studie um Studie lieferte Beweise dafür, dass die Antwort nur ein klares «Ja» sein konnte.
Abbildung 1.1
Mein Soft-Coated Wheaten Terrier Toby heitert auf seiner Stationsrunde einen Patienten auf. Foto von Jasmine Goldband, Abdruckgenehmigung von (Pittsburgh, PA) Tribune Review.
Als ich selbst Besuche mit meinem Therapiehund machte, gab es Situationen, in denen ich Wheatie anschaute und dachte: «Das war unglaublich! Hast du das, was gerade passiert ist, wirklich gesehen?» Manchmal, wenn ich aus einem Zimmer kam, war ich von Gefühlen überwältigt, die von dem Patienten, den Wheatie gerade besucht hatte, auf mich übergesprungen waren. Und ich dachte jedes Mal «Ist an dem, was die Untersuchungen behaupten, wirklich etwas dran, oder bin ich bloß eine Hundenärrin, die mehr in die Besuche hineininterpretiert als wahr ist?» Schon möglich, dass ich eine Hundenärrin bin – aber Therapiehunde sind wirklich etwas Besonderes. Jedes Mal wenn ich mit Hundehaltern von Kalifornien bis Ontario spreche, höre ich immer wieder das Gleiche: «Ich weiß nicht, ob es etwas Besonderes ist oder nicht. Aber …» Und dann höre ich Geschichten, die von Frieden, Freude und Trost erzählen und bei denen ein offenbar ganz normaler Hund am anderen Ende der Leine eine entscheidende Rolle gespielt hat. Diese scheinbar ganz normalen Hunde und ihre scheinbar ganz normalen Besitzer haben ungewöhnliche Situationen erlebt – sie haben erlebt, dass Menschen lächeln und sich auf eine Weise berühren lassen, die nahe Angehörige und Fachleute in Erstaunen versetzt.
1.1 Was ist ein Therapiehund?
Ein Therapiehund ist ein Hund, der ein Training und eine Prüfung absolviert hat und befugt ist, Menschen in Pflegeheimen, Einrichtungen für begleitetes Wohnen, Krankenhäusern und Schulen regelmäßig und zuverlässig zu erfreuen und positiv zu beeinflussen. Ein Therapiehund sollte kontaktfreudig und freundlich sein und auf Fremde eingehen. Menschen reagieren auf Hunde manchmal unvorhersehbar, besonders kranke oder verwirrte Menschen und Kleinkinder, die an Hunde nicht gewöhnt sind. Das Temperament eines Therapiehundes sollte so beschaffen sein, dass seine Besuche ungefährlich sind und zu positiven Erfahrungen für den Hund und für die von ihm besuchten Menschen werden.
Testen Sie Ihr Wissen
Welche der folgenden Aussagen ist richtig?
1. Jeder Hund kann Patienten in Pflegeheimen und Krankenhäusern besuchen, vorausgesetzt er ist freundlich und wird an der Leine geführt.
2. Therapiehunde können ihre Besitzer überallhin begleiten – in Schulen, Krankenhäuser, Busse und Restaurants.
3. Das Wichtigste bei einem Therapiehundebesuch ist das Gespräch zwischen dem Hundebesitzer und dem Patienten.
4. Der Besuch eines Therapiehundes bringt Menschen zum Lächeln, aber eine echte Verbesserung der Gesundheit ist nicht zu erwarten.
5. Hunde, die arbeiten, werden als Therapiehunde oder Diensthunde bezeichnet. Die beiden Begriffe haben in etwa die gleiche Bedeutung.
Wenn Sie alle Aussagen als falsch erkannt haben, liegen Sie richtig. Vermutlich haben Sie selber einen Therapiehund oder kennen einen.
Ein Therapiehund wird darauf trainiert, mit einem bestimmten Menschen, dem Halter, zu arbeiten. Hund und Hundehalter werden ein Team, das gemeinsam Patienten besucht. Der Hundehalter unterstützt den Hund während der Besuche – aber während der Besuche steht der Hund im Mittelpunkt. Als ich mit Wheatie ein Krankenhaus besuchte, sagte meine ehrenamtliche Begleiterin augenzwinkernd: «Ich habe der Stationsleiterin von 4 West gesagt, dass Sie und Wheatie heute zu Besuch kommen. Ihr Gesicht strahlte, als sie Wheaties Namen hörte, ‹Wir lieben Wheatie! Aber ich glaube, Dawn kennen wir nicht›». Wir hatten beide verstanden – es geht einzig und allein um den Hund.
1.2 Welche Aufgaben hat ein Therapiehund?
Wenn ich im Krankenhaus mit Wheatie oder Toby, der sein Schild mit der Aufschrift «ehrenamtlicher Helfer» trägt, im Aufzug fahre, werde ich oft angesprochen. Hier ist ein typischer Dialog:
«Warum ist der Hund im Krankenhaus?»
«Das ist Toby – er ist einer der Therapiehunde des Krankenhauses. Er besucht Patienten.»
«Oh – und was macht er?»
«Er besucht Patienten und heitert sie auf.»
«Gut – aber was TUT er denn?»
Ich weiß, die Leute wollen wissen, ob er den Patienten bestimmte Aufgaben abnimmt oder sie mit Kunststücken unterhält. Ich schaue meinen kleinen Terrier liebevoll an, der mittlerweile die Aufmerksamkeit aller Leute im Aufzug auf sich gezogen hat. Finstere Gesichter verwandeln sich in lächelnde, wenn gestresste Mitarbeiter und besorgte Besucher ihre Sorgen für einen Augenblick vergessen und Toby anschauen, ihm die Ohren kraulen und von ihren eigenen wunderbaren Hunden erzählen. Dann antworte ich: «Genau das – er führt es Ihnen gerade vor.»
Diejenigen, die das Glück haben, mit ihrem Therapiehund im Team zu arbeiten und zu erleben, wie die Patienten aufblühen und wie lange ihr Wohlgefühl diese kurzen Besuche überdauert, empfinden dies als besondere Belohnung. Wheatie und ich hatten Lia, eine junge Frau auf der Intensivstation, über mehrere Monate einmal pro Woche...