Reisen ja, aber wohin soll es gehen?
Die Zeit vergeht schnell. Filippo, ein lebendiger kleiner Junge, wissbegierig und wie alle Kinder seines Alters, immer unterwegs um Neues zu entdecken.
Bei ihm gibt es keine Langeweile. Sehr gern beschäftigt er sich mit seiner Küche und dem Kaufladen. Wenn Mama kocht, entgeht ihm kein Handgriff. Er passt genau auf, wo alles steht. Will er doch Mama helfen, wenn sie etwas benötigt.
Er braucht aber auch seine Zeit, wo er kuscheln will. Dann bringt er Mama ein Buch zum Vorlesen. Er hört genau zu, damit er später darüber erzählen kann.
Bei jedem Wetter geht er in den Garten. Neuerdings ist er auf der unbelebten Siedlungsstraße auch schon mal mit dem kleinen Fahrrad unterwegs. Auch da kann es nicht schnell genug gehen, sodass Mama ihn zur Mäßigung ermahnen muss.
Ab und zu nennen ihn die Eltern und Großeltern auch unser kleiner Prinz. Dies rührte daher, dass Mama als spaßig gemeintes Geschenk eine Fußmatte mit der Inschrift „Prinzessin“ erhalten hatte. Es sollte eine liebevolle Anspielung auf ihre frühere fast fanatische Liebe zum heimischen Karneval und die Sehnsucht sein, einmal Karnevalsprinzessin zu werden.
Kleine Mädchen schwärmen nun mal für Prinzessinnen, auch wenn es „nur“ eine Karnevalsprinzessin war.
Der Sohn einer Prinzessin ist natürlich ein Prinz. Und das ist Filippo. Er, das einzige Kind, wurde Dreh- und Angelpunkt des Familienlebens und des Tagesablaufs. Er wurde Mittelpunkt. Wie ein richtiger Prinz eben.
Die Redewendung wurde verstärkt, als er zum Geburtstag eine Krone erhielt. Diese trägt er seit seinem zweiten Geburtstag immer mit Stolz zu seinem Ehrentag.
„Seht, unser kleiner Prinz hat heute seine Krone auf. Wie schön er damit aussieht. Lassen wir ihn hochleben“, sagt dann die Mama. Filippo freut sich über diese Aufmerksamkeit seiner Gäste.
Dies führte dazu, dass er diese Situation auch außerhalb der Geburtstage nutzte und maulte, wenn nicht gleich auf seine Wünsche reagiert wurde. „Unser Prinz wird ungeduldig. Wenn er doch auch so schnell sein würde, wenn es um das Aufräumen der Spielsachen geht“, sagte dann der Papa.
Selbst aber tolerierte er die Wünsche des Jungen und erfüllte diese prompt. Also wie im Leben eines richtigen Prinzen, wie es sich die Leute vorstellen. So kam es schon mal vor, dass ab und zu Filippo, wenn er wieder einen unbedingt sofort zu erfüllenden Extrawunsch hatte, mit unser „kleiner Prinz“ betitelt wurde.
Nicht immer gefiel es ihm, da der Titel oft gebraucht wurde, wenn er ungeduldig war. Oder wenn er etwas forderte, was man nicht gleich erfüllen konnte. Doch die Bezeichnung blieb auch mit zunehmendem Alter, mehr liebevoll gemeint.
Oma und Opa freuten sich, wenn sie ihren kleinen Prinzen besuchen konnten. Filippo sehnte dann diesen Tag voller Ungeduld herbei, denn die Oma spielte dann mit ihm oder sang schon mal ein Lied. Es kam auch vor, dass er dann für sie das Lied „Unsere Oma fährt im Hühnerstall Motorrad …“ oder „Unsere Oma hat im hohlen Zahn ein Radio …“ interpretierte.
Die Oma sagte dann lachend: „Du Schlingel, wo hast du denn das wieder her?“ „Aus dem Kindergarten.“ Das glaubte sie ihm aber nicht. Bestimmt haben es die Eltern ihm erzählt.
Das Weihnachtsfest nahte. Es begann damit die Zeit der Geheimnisse und Geschenke. Mama las ihm abends vor dem Einschlafen immer schöne Geschichten vor, die über die Weihnachtszeit erzählten. Vieles verstand Filippo noch nicht, aber dass es eine schöne Zeit mit vielen Überraschungen war, das imponierte ihm.
„Mama“, fragte er, „wie lange dauert es noch, bis das Christkind kommt?“ „Noch fünf Wochen. Bald kommt der Nikolaus und bringt Süßigkeiten, wenn du die geputzten Schuhe an die Tür stellst.“ „Ich habe aber noch nie Schuhe geputzt. Ich bin doch noch kein Schulkind.“
„Da hast du recht. Natürlich wird die Mama die Schuhe putzen und du schaust zu, damit du es lernst. Du hilfst ein wenig, indem du der Mama die Stiefel bringst. Danach kannst du deine Schuhe und Stiefel an die Tür stellen.“
„Ja, Mama“, antwortete Filippo, „aber wir dürfen es nicht vergessen.“ Ab diesem Abend erkundigte sich nun Filippo immer wieder, wann denn nun der Nikolaus ihn besucht. Er war in Sorge, dass der Nikolaus die Tür des Klinkerhauses übersieht, in dem Filippo wohnt.
Seine Mama verstand seine Ungeduld und beantworte unermüdlich seine vielen Fragen. Ende November bekam Filippo einen Adventskalender geschenkt und Mama erklärte ihm, dass er ab Dezember jeden Tag ein Fensterchen öffnen kann.
Sie zeigte ihm das fünfte Fensterchen und sagte: „Filippo, wenn du dieses Fenster öffnest, müssen wir am Abend die Schuhe und Stiefel an die Tür stellen.“ Und schon waren die kleinen Hände am Kalender und wollten das Fenster öffnen.
Die Mama konnte Filippo nur mit Mühe bremsen und erklärte ihm, dass es noch einiger Geduld bedarf. Doch nach dem 1. Advent sind es nur noch wenige Tage.
„Oh, da freue ich mich“, antwortete Filippo. Er drehte sich schnell um, ging zum Flur und suchte seine Schuhe und Stiefel. Mama lächelte über seinen Eifer. Er war die nächsten Tage voller Vorfreude und die Mama konnte ihn kaum beruhigen.
„Mama, wann putzt du die Schuhe?“, fragte er immer wieder. „Es ist noch Zeit. Erst Morgen kannst du das erste Fensterchen öffnen.“
„Warum?“ Dies war Filippos Frage, die automatisch kam, wenn er etwas nicht verstand oder mehr erfahren wollte.
„Der Kalender beginnt am 1. Dezember und das letzte Fensterchen wird erst am Heiligabend geöffnet.“ Und wieder kam das „Warum?“
Geduldig antwortet seine Mama: „Weil an diesem Tag, dieses Jahr ist es der Tag vor dem ersten Advent, die Weihnachtszeit beginnt.
Zum Heiligabend werden wir mit Oma, Opa und den Paten in die Kirche zum Gottesdienst und zum Krippenspiel gehen.“ „Ist das die Kirche, wo ich getauft wurde?“ „Ja“, antwortete seine Mama und schmunzelte. „Das war ganz lustig. Als die Pfarrerin dich mit etwas Wasser benetzte, hast du gerufen ‚Mama Handtuch‘. Viele Gäste mussten darüber lachen.“
Der Paketdienst klingelte und die Mama war froh, zunächst das Thema zu beenden.
Sie hatte noch viel Arbeit, wollte sie doch noch einige Plätzchen backen. Filippo zog sich zurück in seine Spielecke, wo er in seiner Spielküche hantierte und dachte nach.
Plötzlich rannte er in die Küche und fragte unvermittelt: „Mama, wann fahren wir wieder in den Urlaub nach Bibilone?“
Erstaunt sah Mama Filippo an. „Es ist noch viel Zeit bis zum Sommer. Filippo, Bibione heißt der Ort in Italien und das Meer Adria. Das müssen wir erst mit dem Papa besprechen.“ Es war schon schwierig für ihn, den Ort richtig auszusprechen.
Es ging leichter, wenn sich das „L“ hineinschmuggelte. So verging die Zeit bis Weihnachten recht schnell. Auch den Nikolaustag verpasste Filippo nicht; wunderte sich aber am Morgen, als er die Stiefel leerte, wie der Nikolaus ins Haus gekommen ist.
„Der Papa hat dem Nikolaus, als du noch tief geschlafen hast, die Tür geöffnet.“
„Warum?“, kam es wieder prompt aus dem kleinen Wirbelwind. „Der Nikolaus hat laut geklopft und um Einlass gebeten.“
Filippo sah die Mama an, doch diesmal kam nicht nochmals das „Warum“, denn der Nikolaus hat viele schöne Spielsachen und Schokolade in die Schuhe und Stiefel gelegt. Und diese mussten erst einmal gründlich angesehen werden. Lange musste Filippo auf diesen Tag warten.
Schnell war das Weihnachtsfest gekommen und mit ihm reisten Oma und Opa zu Besuch an. Sie wollten diesmal länger bleiben, um gleich nach Weihnachten nach Fuerteventura zu fliegen.
Filippo freute sich schon, denn die Oma hatte versprochen, mit ihm Plätzchen zu backen. Sein liebstes Spielzeug, womit er sich beschäftigte, war seine Küche mit dem Mixer, dem Rührer und der geräuschvollen Kaffeemaschine. Wenn man fragt, was willst du werden, dann antwortet er schon mal: „Fernsehkoch.“
„Oma, wann backen wir die Plätzchen?“, war seine erste Frage nach der stürmischen Begrüßung. „Morgen Vormittag nach dem Frühstück“, antwortete die Oma. „Ich muss erst mit Mama die Zutaten bereitstellen und mir den Backofen erklären lassen.“
„Warum“ kam es wieder wie aus der Pistole geschossen. „Euer Backofen ist moderner als unserer und da ist manches zu beachten“, antwortete die Oma.
Und wieder konterte Filippo mit „Warum?“
„Wenn wir die Plätzchen ausgestochen haben, sollen sie doch im Backofen schön knusprig werden und nicht schwarz“, antwortete die Oma. „Deshalb muss ich wissen, wie hoch die Temperatur sein soll und mit welchen Tasten ich das einstellen muss.“
„Dazu brauchst du Mama nicht. Das kann ich dir auch sagen. Ich weiß, wie es...