2 Infektionsvorbeugende Mitarbeiterhygiene
2.1 Mitarbeiterhygiene
Anfrage der Mitarbeiterin aus der Logopädie-Abteilung: Meine Tochter hat Läuse und ich befürchte auch das Schlimmste. Darf ich weiter meine Patienten behandeln?
Merkmale
Ich bin mir bewusst, dass es eine Grenzüberschreitung darstellt, in die körperliche Intimsphäre fremder Menschen reinzureden, wenn ich mich hier mit der Körperpflege der Pflegenden befasse.
Gemeinschaft mit den Mikroben. Die Mikroben besiedeln fast jeden Teil unseres Körpers, der in Kontakt zur Außenwelt steht. Die übliche Keimflora wandelt sich von Körperregion zu Körperregion (Sitzmann, 2010). Auf trockener Haut finden sich weniger Bakterien als auf eher feuchten Arealen wie Körperfalten (Gesäßfalte, unter den Brüsten, zwischen den Oberschenkeln). Auch auf talgdrüsenreichen Arealen sind mehr Keime zu finden, dazu zählen die Nase, das Kinn, die Stirn sowie die Schweißrinnen auf Brust und dem Rücken. Auf 1 cm2 trockener Haut finden sich ca. 1000 Staphylokokken, in 1 ml Speichel fühlen sich dagegen 100 Millionen unterschiedliche Mikroorganismen wohl (Abb. 2-1).
Barrierefunktion. Bei gesunder Haut als Grenzorgan zur Außenwelt stellt unsere Hautbesiedlung vor allem eine Barrierefunktion gegen fremde Mikroben dar. Die individuelle Keimbesiedlung stört nicht, macht nicht krank und ist ausgesprochen nützlich. Denn so unschädlich die Kommensalen für uns auch sein mögen, sind sie intensiv darum bemüht, ihr Revier zu verteidigen. Nur wer sich gegen die Standortflora behaupten kann, kann tiefer in die Haut eindringen. Zudem erzeugen sie Stoffwechselprodukte, die sich günstig auf die Hauteigenschaften auswirken.
Abbildung 2-1: Durchschnittliche Keimzahlen der Körperflora (Wikipedia)
Kommensalen. Welche Mikroben zählen zu den Kommensalen?
Es zählen dazu die Normalflora:
• auf der Haut mit der nach Hautregionen unterschiedlichen Hautflora
• in der Mundhöhle die Mundflora, die indessen im Bereich der Zähne nicht vor den säurebildenden und Karies verursachenden Keimen schützen
• im oberen Atemtrakt die physiologische Besiedlung
• die je nach Darmabschnitt unterschiedlich verteilte Darmflora
• bei der Frau die altersabhängig unterschiedlich zusammengesetzte Scheidenflora.
Hautflora
Unsere Hautbewohner lassen sich in zwei Gruppen einteilen, die transiente und residente Flora.
Transiente Flora. Die Eigenarten der transienten Flora («Anflug»-Flora) zeigen sich darin, dass sie:
• durch Kontakt mit anderen Menschen und der Umwelt erworben ist
• eine große Variation an Mikroorganismen nach Art und Zahl aufweist
• locker auf der Haut liegt
• jedoch an Hautfett und Schmutz gebunden ist
• sich besonders zahlreich unter den Fingernägeln befindet
• insgesamt mehr der unbedeckten Haut der Hände und des Gesichts als der bedeckten Haut aufliegt
• leicht zu entfernen ist durch Waschen oder Reiben an der Kleidung
• zum Teil auch von selbst verschwindet
• sich oft an die neue Umgebung anpasst und «resident» wird.
Residente Flora. Die zu uns gehörende residente Hautflora («ansässige» Flora) ist durch folgende Besonderheiten charakterisiert:
• Jeder Mensch hat eine relativ konstante Population in Keimzahl und Zusammensetzung.
• Es besteht ein Gleichgewicht zwischen Abnahme durch Waschen, Abrieb, Absterben sowie Zunahme durch Wachstum.
• Meist ist die Keimzahl auf bedeckten Hautpartien größer als auf unbedeckten Arealen.
• Sie ist relativ fest an die Haut gebunden, lässt sich kaum fort waschen und ist zählebig.
• Potenziell pathogene, d. h. leidbringende Keimspezies sind selten und in geringer Zahl vorhanden.
Es ist deutlich, dass sich die Mikroorganismen im und auf dem Menschen in einer sensiblen Balance befinden.
Schwitzen. Schwitzen ist ein normaler Vorgang bei körperlicher und emotionaler Belastung und dient der Aufrechterhaltung einer konstanten Körpertemperatur und Hautfeuchtigkeit.
Zwei Milliliter Schweiß können einen Liter Blut um fast 1 °C abkühlen. Unter maximaler Belastung und in extremen Situationen können bis zu vier Liter Schweiß pro Stunde abgesondert werden.
Für die meisten Menschen ist die Schweißbildung auf der Haut allenfalls eine unangenehme Nebensächlichkeit, zumal der Schweiß geruchlos ist und erst durch Einwirkung von Hautbakterien Geruch annimmt.
Infektionsschutz. Zur aktiven antimikrobiellen Abwehr steht der Haut ein erst vor kurzem entdecktes natürliches Antibiotikum im menschlichen Schweiß zur Verfügung, das Dermcidin. Die bisher beim Menschen bekannten, an der Haut antibiotisch wirksamen Peptide werden erst bei Verletzungen oder bereits aufgetretenen Infektionen freigesetzt. Das Dermcidin wirkt indessen gegen Bakterien und Pilze der Haut dauernd und stellt einen Schutz der Haut vor Infektionen dar. Nicht allein die Wirkung des leicht sauren pH-Wertes wirkt als Schutzmechanismus an der Hautoberfläche. Das Dermcidin reguliert die Keimbesiedlung der Haut, wird von Schweißdrüsenzellen der Haut produziert und gelangt mit dem Schweiß auf die Oberfläche der Haut.
Trockene Haut. Trotz der Schweißdrüsen und Flüssigkeitsabsonderung über die Haut (Perspiratio insensibilis) stellt die Epidermis ein sehr trockenes Milieu dar. Sie gibt damit einen schlechten Nährboden her. Nachteilig kann sich trockene Haut durch vielfältige Einflüsse entwickeln. Neben veranlagungsbedingten Gründen wird trockene Haut durch folgende Beispiele äußerer Einflüsse ausgelöst:
• Klima und Umwelt wie zum Beispiel Hitze, Kälte, Klimaanlagen bzw. trockene Heizungsluft und damit einhergehende niedrige Luftfeuchtigkeit sowie UV-Strahlung durch Sonneneinwirkung, Solarium
• alltägliche Belastungen wie Rasieren
• chemische Einflüsse durch aggressive Reinigungsmittel und häufiges Waschen mit Seife und heißem Wasser
• biologische Hautalterung
• Haut- und Stoffwechselerkrankungen wie z. B. Neurodermitis, Diabetes und Psoriasis.
• unausgewogene Ernährung, insbesondere unzureichende Trinkmenge pro Tag. Sinnvoll ist sie im Bereich von 1,5 l (Sitzmann, 2012).
Ziele
Angemessene Mitarbeiterhygiene als eine Grundlage der Standardhygiene kennen lernen und für sich eine individuelle, für die Gemeinschaft zu akzeptierende Form finden (Tab. 2-1).
Hygiene = Prävention
Wie die vorangestellte Überschrift dokumentiert, kann es nicht darum gehen, für das individuelle Sauberkeitsverhalten Normen und Verhaltensvorschriften aufzustellen.
Vielmehr handelt es sich um die Vermittlung von Kenntnissen zur Prävention; denn Sauberkeitsverhalten ist nicht angeboren, sondern entwickelt sich aus Erziehung und Prägung der Umgebung (s. Abb. 2-2).
Abbildung 2-2: Fehler wider die Standardhygiene durch Essen und Trinken … an allen Orten
Kurz gefasst
Wann bekomme ich denn endlich eine Antwort auf die Frage: «Wieso, weshalb, warum können Nasen laufen, aber Füße riechen?»
Nachgefragt
Im Herbst und Winter haben Läuse in Kindergärten und Schulen Hochsaison. Mit Hygiene hat das aber wenig zu tun, denn die Parasiten lassen sich durch Wasser und Seife nicht abschrecken. Bösartige Menschen verknüpfen den Lausbefall von Kindern mit der Intelligenz der Eltern. Denn Produktbeschreibungen weisen darauf hin, dass Kopflausmittel nicht zuverlässig alle Eier abtöten und Larven nach der Erstbehandlung nachschlüpfen können. Man muss lesen (können), dass innerhalb eines engen Zeitfensters unbedingt eine Wiederholungsbehandlung mit dem Kopflausmittel durchgeführt werden muss.
Trotz Hygiene scheint die Verbreitung von Kopfläusen zuzunehmen. Viele betroffene Menschen sind zunächst asymptomatisch, da sich der Juckreiz (eine allergische Reaktion auf Läusespeichel) erst entwickelt. So können Kopfläuse unbemerkt auf andere Kinder übertragen werden. Da diese Parasiten nicht springen oder fliegen und nur durch direkten Kopfzu-Kopf-Kontakt übertragen werden, verbreiten sie sich besonders gerne unter kleinen Mädchen, die beim Spielen oft die Köpfe zusammenstecken.
Die Logopädin darf ihre Patienten weiter behandeln, wenn sie sich kontrolliert hat. (s. Kap. 6 Infektionen A–Z).
Literatur
Sitzmann F. (2010). Wir sind belagert von Mikroben. NOVAcura – Schweizer Fachverband für Pflege und Betreuung. 41, 2 : 20–21.
Sitzmann F. (2012). ATL Essen und Trinken. In: Schewior-Popp, S. Sitzmann, F. Ullrich, L. Thiemes Pflege. 12. Aufl. Stuttgart: Thieme.
Tabelle 2-1: Aspekte der Mitarbeiterhygiene
Aspekte | Dos and Don’ts der hygienischen Praxis |