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E-Book

Hypno-analytische Teilearbeit (Leben Lernen, Bd. 252)

Ego-State-Therapie mit inneren Selbstanteilen

AutorJochen Peichl
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl286 Seiten
ISBN9783608103229
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
- Was sind Ego-States? - Wo ist das Selbst im Modell der Persönlichkeitsteile? - Gibt es das »Innere Kind«? - Hat jeder eine multiple Persönlichkeit? - Wie kann man mit einem durchdachten Modell der Persönlichkeitsteile therapeutisch arbeiten? Autor ist den Fachleuten bekannt durch Vorträge und seine erfolgreichen Bücher Thematisiert »Dissoziative Identitätsstörung« Arbeit mit Persönlichkeitsteilen ist im Fokus der Therapeuten.

Jochen Peichl, Dr. med., war bis Ende 2010 Oberarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Nürnberg und ist jetzt in freier Praxis und als Leiter des Institutes für Hypno-analytische Teiletherapie InHAT tätig. Weiterbildung u. a. in Traumazentrierter Psychotherapie und Ego-State-Therapie; aktuelle Arbeitsschwerpunkte in Theorie und Praxis: Borderline -Störungen, Trauma-assoziierte und dissoziative Störungen.www.jochen-peichl.dewww.teiletherapie.de

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Leseprobe
Einleitung: Teile-Therapie als eine innovative Form der Hypnoanalyse Haben Sie schon aus der neusten T-Shirt-Auswahl der amerikanischen Firma Zazzle für die Innere-Kind-Anziehtherapie geordert? Outerwear for You and Your Inner Child from My Inner Child Custom T-shirts on Zazzle! In sechs verschiedenen Größen für nur 29,90 $? Die Werbung verspricht: Heal your inner child with humor - inner child clothing therapy! If your inner child needs therapy; what better way that giving the inner child a voice ... and a humorous one at that? Check out these ribtickling tees to help express your inner child! Is your inner child hungry? Sleepy? Naughty? Lonely? Start your inner child healing with humor, and let the world know which with these hilarious tee shirts. Rund um den Begriff »Innere Kindarbeit« hat es nach meiner Überzeugung in den letzten Jahren viele Missverständnisse und Vereinfachungen gegeben, die diese Idee von der Polyphonie unserer Seele wie eine weitere Anleitung zum Glücklichsein erscheinen ließen. Das Schlagwort »Inner Child« führt bei Google zu 7 250 000 Einträgen, und erst die 328 000 Hits bei Google pictures geben in etwa einen Eindruck, in was wir da hingeraten sind: die esoterische Vermarktung einer ehemals ehrenwerten psychotherapeutischen Hypothese über die Seele des Menschen. Da gibt es bei Amazon von Shaina Noll die CD: »Songs for the Inner Child« oder »Lullabies for Your Inner Child« von Wiebke Reinhardt für nur 21,99 ?; oder die Einladung zum: »Inner Child All Day Retreat« bei Jane Russo für 40 $ pro Person (»You can bring food and we can order out for Chinese [not included in cost]«) oder auch Wellnessreisen ins 5-Sterne-Hotel auf Ko Samui mit »Entdecke dein Inneres Kind«. Nein - darum soll es in diesem Buch nicht gehen. Die drei größten Zumutungen stelle ich gleich an den Anfang des Buches: 1. Das Innere Kind hat nicht nur eine wertvolle Seite und braucht, wenn traumatisiert, unsere Unterstützung und Empathie, es hat auch eine dysfunktionale Schattenseite. 2. Das »Innere Kind« gibt es gar nicht, da lebt kein Kind in uns, nur »kindliche Bewusstseinszustände«, die wir besser als Ich-Zustände oder Ego-States bezeichnen. 3. Der ganze amerikanische Rummel hat nichts mit dem zu tun, was ich Ihnen in diesem Buch vermitteln möchte. Folgendes liegt mir am Herzen: Ich möchte die Diskussion um die Hypnoanalyse mit diesem Buch neu beleben. Was soll darunter verstanden werden? Der Begriff »Hypnoanalyse« wurde 1940 erstmals von J. A. Hadfield für eine Methodenkombination aus kathartischer Hypnose und Nacherziehung verwendet (zit. nach Kinzel 1993, S. 151). Er benutzte den Begriff Hypnoanalyse, um zu beschreiben, wie er Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg behandelte, die unter traumabedingten Amnesien litten. Robert Lindner (1944) verband in seinem Buch »Rebel Without a Cause: The Hypnoanalysis of a Criminal Psychopath« Psychoanalyse mit Hypnose und beschrieb darin die innovative Methode, die er entwickelt hatte. Auch Lewis R. Wolberg (1945) benutzte Hypnoanalyse als Ergänzung zur Psychoanalyse, um gegenwärtig unbewusste Impulse und Zwänge ins Bewusstsein zu bringen und um Widerstände schneller zu umgehen. Bernhard Gindes (1951) diskutierte in einigen Publikationen über die Wirksamkeit des hypnoanalytischen Ansatzes, um Widerstände in der freien Assoziation, die unter der Psychoanalyse auftraten, zu durchbrechen. Das Interesse an der Hypnoanalyse scheint bei vielen Kollegen zum einen mit dem Wunsch nach Beschleunigung der unendlichen Psychoanalysen zu tun zu haben, zum anderen der Erfahrung zu entspringen, dass traumatisierte Menschen besser mit einer Kombination aus Hypnose und Redekur zu behandeln wären. Auch John und Helen Watkins argumentieren mit den ungewöhnlich langen Behandlungszeiträumen in der Psychoanalyse und »der ernsten ökonomischen Krise« (Watkins 1997/2003, S. 15), denen sich Therapeuten durch die langen Therapieverläufe ausgesetzt sehen, da im amerikanischen Krankenversicherungssystem die Kosten nur minimal übernommen werden. Sie schreiben: »Die Hypnoanalyse hat gezeigt, dass sie die Zeitdauer einer ?analytischen? Behandlung signifikant verkürzen kann. Eine intensive Therapie der Ich-Zustände - wobei es sich um eine Erweiterung der Hypnoanalyse handelt - bietet einen wirksamen Ansatz, der die Therapie dauer noch mehr verringert und der innerhalb von acht bis zwölf Stunden [...] häufig dauerhafte strukturelle Persönlichkeitsveränderungen bewirkt und zur Lösung lebenslanger Störungen führt« (ebenda). Wie dem auch sei - die von John und Helen Watkins in den 70erJahren des letzten Jahrhunderts entwickelte Ego-State-Therapie steht, wie Luise Reddemann schreibt, »auf ?drei Beinen?: der Psychoanalyse, der Hypnose und den Erkenntnissen über dissoziales Verhalten von Janet« (Reddemann 2007, S. 104) und gilt heute als die konsequente Weiterführung hypnoanalytischer Konzepte hin zu einer eigenständigen Therapieform. Ego-State-Therapie hat sich aus einem »Kreuzungsprodukt« zweier Schulen - Psychoanalyse und Hypnose - zu einer kreativen und innovativen Therapieform weiterentwickelt, die heute vor allem im Bereich der Therapie von traumaassoziierten Störungen Anwendung findet. Aber es ist Zeit, einen Schritt weiterzugehen! Viele Konzepte der Ego-State-Therapie, wie ich sie noch durch meinen Lehrer Woltemade Hartman, einem persönlichen Schüler von John und Helen Watkins, erfahren habe, bedürfen heute der Revision. So groß Paul Federns Verdienste für die Ego-State-Theorie auch sein mag - er war ein Schüler Sigmund Freuds und Vorsitzender der Mittwochsgesellschaft im Wien der 1920er-Jahre -, eine Ich-/Selbsttheorie, die mit der Triebtheorie und der Energiebesetzung aus der Entstehungszeit der Psychoanalyse argumentiert, ist heute schon lange überholt und wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Warum John Watkins, der in den 60er-Jahren als Analytiker in Chicago ausgebildet wurde und bei Eduardo Weiss, einem Schüler von Paul Federn, eine Lehranalyse macht, die Ego-State-Theorie nicht durch modernere Auffassungen, wie die Objektbeziehungstheorie oder die Selbstpsychologie von Heinz Kohut, modifizierte, sondern am dualistischen Triebparadigma festhielt, bleibt mir rätselhaft. Gerade die sogenannte »Britische Objektbeziehungstheorie« um William R. D. Fairbairn (1889 - 1964), Harry Guntrip (welcher Freuds Theorien als biologistisch und inhuman kritisierte), John D. Sutherland und Donald Winnicott hätten viele Ansatzpunkte gegeben, die »Einpersonen-Psychologie« der klassischen Ego-State-Theorie hin zu einer beziehungsorientierten »ZweipersonenPsychologie« zu erweitern. Ich werde darauf im 4. Kapitel näher eingehen und über sinnvolle Weiterentwicklungen nachdenken. Ein weiterer Punkt ist der Gebrauch des Begriffs »Dissoziation« im Ego-State-Modell des Ehepaars Watkins. In ihrem Verständnis der Gliederung von psychischen Prozessen und der Herausbildungen von einzelnen Krankheitsbildern ist in Abgrenzung zu Piere Janet das sogenannte Differenzierungs-Dissoziations-Kontinuum wegweisend. Dieses Kontinuum - auch Neodissoziationsmodell genannt - postuliert eine natürliche innere Aufteilung des Ich einer Persönlichkeit in einzelne Ich-Zustände mit Zunahme der Abgrenzung (Dissoziationsbarriere) vom linken zum rechten Pol (siehe dazu Abbildung 2-3 auf Seite 47). Auf der rechten Seite der Übergangsskala finden wir die normale Differenzierung bei »normalen und gut angepassten« Individuen, dann einen Bereich des Gebrauchs von Dissoziation als Abwehr (neurotisch) und auf der rechten Seite die pathologische Dissoziation mit dem Extremfall der »Multiplen Persönlichkeit«. Dieses kontinuierliche (quantitative) Modell der Dissoziation nach James und Prince (1905) ist für mich durch die bahnbrechenden Arbeiten von van der Hart, Ellert Nijenhuis und Kathy Steele über die Strukturelle Dissoziation zumindest ernsthaft infrage gestellt. Wie wir beide Ideen sinnvoll verbinden können, wird im 5. und 10. Kapitel erläutert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt, der mich in den letzten Jahren in der klinischen Arbeit mit traumaassoziierten Störungen intensiv beschäftigt hat, ist das Verhältnis der inneren Teile zum Selbst oder als Frage formuliert: Gibt es in der Familie der Ego-States einen Chef? Luise Redde mann schreibt: »Ohne ein stabiles erwachsenes Ich bzw. genauer: ohne einen stabilen erwachsenen State kann aus meiner Sicht ?Innere- Kind?-Arbeit nicht gelingen.« (Reddemann 2007, S. 111) Das sehe ich auch so.Was heißt das aber für das Ego-State-System und eine mögliche hierarchische Strukturierung? Mehrere andere Teilemodelle arbeiten mit einer klaren Hierarchie zwischen Selbst und inneren Anteilen - ich denke dabei an das Modell von Richard Schwartz (Internal Family Systems Therapy, IFS), das Modell »Arbeit mit der inneren Familie« (Gunther Schmidt) oder »Das Innere Team« von Schulz von Thun. John und Helen Watkins haben in ihrem Teilemodell eine Metastruktur eingeführt, die sie »Kern-Selbst« oder »Kern-Ich« nennen - ein Begriff, der wenig ergiebig ist und mehr Verwirrung schafft als er klärt. Damit werde ich mich im 6. Kapitel beschäftigen und ein Modell vorschlagen, welches auch den aktuellen Stand der neurobiologischen Hirnforschung zum Ich oder Selbst berücksichtigt. All das eben Gesagte ist spannend, und viele noch unklare konzeptuelle Fragen müssen angegangen und im Licht neuerer Erkenntnisse überdacht werden - und ein paar der berühmten Zöpfe müssen auch abgeschnitten werden. Dennoch bleiben wir dabei immer auf einer bestimmten Ebene des Denkens: Diese klassische Ego-State-Therapie, wie ich sie in dem Buch nennen werde, ist, wie die klassische tiefenpsychologische Psychotherapie, in ihrer Ausrichtung monolinear, monokausal und rückwärtsorientiert - die Ursachen der Symptome heute liegen in der Vergangenheit usw. Nun sind wir Teile-Therapeuten in den letzten Jahren schon einen sehr innovativen Schritt gegangen und haben für die Arbeit mit inneren Kritikern, Nein-Sagern und Täterintrojekten die systemisch orientierten Konzepte der Hypnotherapie nach Milton Erickson in den Fokus gerückt. Wir haben die innere »Täter«-Botschaft »Du bist böse und verdienst Strafe« gnadenlos positiv konnotiert und nach der »guten Absicht« hinter der Aussage für das Gesamtsystem der Ego- States gesucht. Wir versicherten allen Teilen, auch den destruktivsten, dass wir überzeugt seien, alle Teile seien gekommen, um zu helfen und das ganze System zu schützen. Damit rückte die Idee des inneren Systems der EgoStates in den Blickpunkt - die »Innere Familie« war nicht nur eine Ansammlung autobiografisch verankerter Erfahrungsmuster unserer Sozialisationsgeschichte, sondern ein System einzelner Teile, welches nach systemtheoretischen Regeln funktioniert. Damit war neben dem Inhalt eines jeden States (z. B. die traumatische Erfahrung) auch seine Funktion im Gesamtsystem bedeutsam - etwas, worauf Richard Schwartz in seiner Arbeit hingewiesen hat. Der für mich entscheidende Paradigmenwechsel im Ego-State-Konzept ist aber der Versuch, nicht nur die Frage zu beantworten: »WARUM« gibt es diesen Ego-State, sondern »WOZU« es ihn gibt. Die letzte Frage zielt auf seine Funktion im Selbstsystem in der Gegenwart. Im 7. Kapitel dieses Buches werde ich ein systemisches Konzept einer Teile-Theorie vorstellen und auch auf die dysfunktionale Seite des »Inneren Kindes« zu sprechen kommen. Nach all dem Gesagten stellt sich natürlich die Frage: Ist das noch die Ego-State-Therapie, wie sie von John und Helen Watkins in den 70er- Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde und wie ich sie in dem Buch »Innere Kinder, Helfer, Täter und Co.« (2007 b) dargestellt habe? Meine Antwort wäre: ja und nein; ja - weil ich mich als Grundlage meines Denkens weiterhin gerne auf die Ideen von John und Helen beziehen möchte, nein - weil ich am Theoriekorpus so grundlegende Veränderungen eingeführt habe, dass meine Definitionen häufig mit dem Original nicht mehr kompatibel sind. Aus diesem Grund habe ich für mein Modell, welches ich als Anpassung und Weiterentwicklung des zum Teil veralteten Ego-State-Modells betrachte, im Titel des Buches den Namen »Hypno-analytische Teilearbeit« gewählt, Ego-State-Therapie steht aber weiterhin im Untertitel, um zu signalisieren, wo ich herkomme. Ich werde in diesem Buch so ausführlich wie nötig das klassische Modell der Ego-State-Therapie von John und Helen Watkins darstellen, um Sie mit den Grundgedanken vertraut zu machen. Wenn Sie sich dann noch tief gehender mit dem Modell beschäftigen wollen, empfehle ich Ihnen das Lehrbuch des Ehepaars Watkins »Ego States. Theorie und Therapie« aus dem Jahre 1997, welches seit 2003 in deutscher Übersetzung vorliegt. Wenn ich über dieses Modell hinausgehe, werde ich das als meine Vorschläge für eine Revision und Erweiterung des Ego-State-Konzeptes kennzeichnen. Bei der Ego-State-Therapie handelt es sich nach dem Ehepaar Watkins »um ein Instrumentarium therapeutischer Vorgehensweisen und Strategien, die auf Modifikationen der Theorien von Federn und Weiss beruhen« (Watkins 1997/2003, S. 23) und die gut mit anderen therapeutischen Methoden kombinierbar sind. Diese Anpassungsfähigkeit bringt es mit sich, dass es die Ego-State-Therapie so gar nicht geben kann, denn je nach Kombination wird der Mix zu divergenten Therapiemodellen führen und andere Schwerpunkte setzen. Für die Watkins ist die Ego-State-Therapie »eine analytische Behandlung, sie unterscheidet sich jedoch (sowohl konzeptionell als auch hinsichtlich des praktischen Vorgehens) in signifikanter Weise von der klassischen Psychoanalyse« (ebd., S. 23). Dem kann ich nur zustimmen, denn auch ich bin in einem Teil meines Herzens weiter dem psychoanalytischen Denken verpflichtet - auch wenn ich mich schon lange von der institutionellen Psychoanalyse mit ihren verknöcherten Strukturen zurückgezogen habe. Mein Vorschlag für ein hypno-analytisches Teilekonzept respektiert die Pionierleistung von John und Helen Watkins, geht aber einen Schritt weiter in die Richtung, die sie gewiesen haben: psychoanalytisches Theoriewissen, klinische Hypnose und die Theorien von Pierre Janet zur Dissoziation zusammenzubringen. Sosehr theoretische Konzepte wichtig sind, um in unseren Therapeuten-Köpfen Klarheit zu schaffen und die besonderen Lebensumstände unserer Patienten besser einordnen zu können, so wichtig ist zum Lernen die Umsetzung in die Praxis. Auch wenn dieses Buch von mir als Theorieband konzipiert wurde, so will ich doch jedes Kapitel mit einem Ausschnitt aus einer Therapiesitzung beginnen - so oder anders hätte es sein können mit der Patientin Paula. Am Ende der Einleitung möchte ich zum besseren Verständnis beim Lesen des Buches ein paar Begriffe klären: - Ich werde den Begriff »Ego-State« immer dann verwenden, wenn er sich auf die Theorie von John und Helen Watkins bezieht. In Zitaten benützt Watkins auch manchmal den Begriff »Ich-Zustand« dafür synonym. - In meinem Konzept werde ich den Begriff »Ich-Zustand« oder »State« durchgehend verwenden. - Für die gemeinsamen Arbeiten und Gedanken des Ehepaares John und Helen Watkins soll der Name »Watkins« stehen; voneinander unabhängige Arbeiten werden durch den jeweiligen Vornamen ergänzt. - Bei Watkins wie bei Sigmund Freud werden »Ich« und »Selbst« häufig synonym verwendet - z. B. »Die Ich-Zustände bilden eine Selbstfamilie« (Watkins 1997/2003, S. 57). Ich werde mich bemühen, die Begriffe strikt zu trennen, weil sie aus meiner Sicht unterscheidbaren Ebenen der psychischen Organisation angehören. Viel Spaß bei einer Reise in die Welt der Polyphonie und in die weitläufigen Kolonien unseres Seins. Wie sagte schon der Hilfsbuchhalter Bernardo Soares: »Jeder von uns ist mehrere, ist viele, ist ein Übermaß an Selbsten. Deshalb ist, wer seine Umgebung verachtet, nicht derselbe, der sich an ihr erfreut oder unter ihr leidet. In der weitläufigen Kolonie unseres Seins gibt es Leute von verschiedenster Art, die auf unterschiedliche Weise denken und fühlen.« Fernando Pessoa 1932 1. Das Modell der Polyphonie des Selbst 1.1 Die Geschichte von Paula Paula, eine 28-jährige Verwaltungsangestellte, die wegen bulimischer Essstörung zu mir in die Therapie kommt, erzählt mir eines Tages folgende Geschichte: An der neuen Arbeitsstelle, wo sie seit 3 Monaten arbeite, sei es Brauch, sich am letzten Arbeitstag vor Weihnachten zu einem kleinen Umtrunk mit Stollen und Glühwein im Sozialraum der Abteilung zu versammeln; sie habe noch ein Telefongespräch führen müssen und sei deshalb etwas verspätet dazugekommen. Als sie die Tür öffnete, sei es schon sehr fröhlich zugegangen und sie habe sofort gesehen, dass alle Stühle bereits besetzt waren. Es sei ihr wie ein Blitz durch den Kopf geschossen: »Typisch, hier bin ich nicht willkommen, für mich gibt es keinen Platz!« Daraufhin habe sie sich deprimiert in ihr Zimmer zurückgezogen und weitergearbeitet; am Abend habe sie einen schweren bulimischen Rückfall gehabt. Wenn wir über diese Episode aus dem Leben von Paula nachdenken, dann geht uns vielleicht Folgendes durch den Kopf: - Paula gerät in eine alltägliche Situation und nimmt diese mit all ihren Sinnen wahr - sie sieht: »Ein Stuhl fehlt!« - Paula bewertet diese optische Wahrnehmung und interpretiert sie: »Ein Stuhl fehlt bedeutet: ich bin unerwünscht« und - Paula handelt: »Ein Stuhl fehlt bedeutet: ich bin unerwünscht und deshalb ziehe ich mich zurück« (Flucht). Interessant scheint mir vor allem der Übergang zwischen der primär neutralen physiologischen Perzeption (die Wahrnehmung des fehlenden Stuhls) und der selbstbezogenen Bedeutungsgebung dieses Sinneseindrucks. Therapeuten unterschiedlicher Therapieschulen würden jetzt zu diversen Verstehensansätzen für die geschilderte Szene gelangen und daraus vermutlich sehr unterschiedliche Therapiestrategien ableiten. Das ist sicher nicht weiter verwunderlich. Die Psychoanalyse würde versuchen, den Kern des unbewussten Konfliktes herauszuarbeiten - vorausgesetzt, Paula verfügt über eine reifere Ich-Struktur -, oder sie würde Hypothesen über frühe strukturelle Defizite (Impuls- oder Affektregulationsstörungen) infolge einer Bindungsstörung formulieren - dazu würde das Symptom der Bulimie passen. Somit wäre Paulas Erleben und Verhalten die Folge eines Defizits und damit Ausdruck einer klassifizierbaren psychischen Störung. Neben dieser diagnostischen Einordnung käme mir noch ein weiterer Übertragungsaspekt in den Sinn: Was bedeutet die Erzählung in Bezug auf mich, ihren Therapeuten? Hat Paula auch bei mir keinen Stuhl - keinen Platz? Ist die Erzählung auch eine Metapher für Paulas Erleben im Hier und Jetzt? Würde ich mich entschließen zu intervenieren, könnte ich vielleicht zu der 28-jährigen Erwachsenen vor mir im Stuhl sagen: »Diese Erfahrung scheint etwas sehr Tiefliegendes bei Ihnen aufgewühlt zu haben - könnte es sein, dass Sie auch hier bei mir manchmal den Eindruck haben, Sie seien nicht willkommen?« Und so weiter... So könnte man es machen, und da Therapie immer Mittel zum Zweck ist - dem Zweck der Erweiterung eigener Freiheitsgrade -, könnte man den Erfolg solch einer »Annahme über das Unbewusste« letztlich an der Zunahme an Lebenszufriedenheit der Patientin ablesen. Was den Fokus dieses Buches angeht, möchte ich Ihnen gerne eine andere Perspektive vorschlagen - quasi einen anderen Blickwinkel auf die geschilderte Episode im Leben meiner Patientin Paula, die uns nun durch das ganze Buch hindurch begleiten wird. Ob diese Sichtweise weiterführt als die geschilderte, müsste sich am langfristigen Therapieerfolg von Paula erweisen. 1.2 Das Denken in Teilemustern Die Basis meiner veränderten Perspektive wird durch mehrere Vorannahmen gebildet, die dem hypnotherapeutischen und hypnosystemischen Denken folgen (Gunther Schmidt, Milton Erickson usw.): 1) Nicht die ganze, erwachsene Paula hat in dem Schreckensmoment mit Flucht reagiert, sondern nur ein Teil in ihr, nur eine Seite von ihr ist geflüchtet. 2) Ein anderer Teil in Paula, die erwachsene Seite, wäre in der Lage gewesen, eine »erwachsene Lösung« zu finden - z. B. in den Raum zu rufen: »Hey, gibt's irgendwo noch Stühle?« 3) Die von Paula geschilderte Szene ist nicht Ausdruck ihrer Bindungsdefizite, sondern eine kreative Lösungsstrategie und Teil eines Lern- und Überlebensprogramms, welches irgendwann in Paulas Leben gebildet wurde. Damit gebe ich der Szene eine völlig andere Bedeutung und stelle sie in einen lösungs- und nicht defizitorientierten Zusammenhang. Ein Mensch, der so reagiert wie Paula, so könnten wir verdichtet sagen, hat ein »Platz-Problem«, vielleicht sogar ein »Heimat-Problem« in seinem Leben - jemand, der kein Platz-Thema mit sich und der Welt hat, denkt vielleicht: »Es fehlt ein Stuhl, ich werde einen holen gehen.« Etwas vereinfacht könnte man das hinter jedem Teile-Konzept stehende Denkmodell in etwa so beschreiben: Das Gehirn von Paula interpretiert die Wahrnehmung des fehlenden Stuhles nach einem abgespeicherten Muster, einer Art Interpretationsschablone, die sicher nicht heute, sondern früher geprägt wurde. Da dieses Lösungsmuster und das mit ihr verlinkte Handlungs- und Aktionsprogramm einem Teil unseres unwillkürlichen - d.h. unbewussten- Gedächtnisses angehört, ist es durch kognitive Prozesse nur bedingt zu steuern: unwillkürliche Programme sind immer schneller und nachhaltiger, da sie der Anpassung und Überlebenssicherung dienen. Dies alles ist noch eine recht nüchterne Beschreibung davon, was Paula passiert ist; noch spreche ich von Mustern, Referenzdateien, Programmen und meine damit neurobiologische Netzwerke, die als Copingstrategien auf soziale Herausforderungen im Leben in unserem Gehirn gebildet werden - noch nicht von Selbstanteilen, Persönlichkeitsanteilen oder gar »Inneren Kindern«. In der »Ego-State-Therapie« von John und Helen Watkins (2003/ 1997) heißt so etwas ein »Ich-Zustand« (Ego-State), in der »KognitivenTherapie« von Albert Ellis (1969) ein »Schema« und bei Gunther Schmidt (2004, 2005) »eine Seite in mir«. Da in der Verhaltenstherapie die Dinge häufig so präzise und kognitiv geordnet beschrieben werdenund die Bezeichnung »Schema« für mich am ehesten den rationalen Charme der Naturwissenschaft hat, bleibe ich noch etwas beim Schemabegriff. Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass ich von den Theoriekonzepten der Schematherapie in den letzten Jahren, vor allem durch die Publikationen von Eckard Roediger, viel Neues für das Verständnis des Ego-State-Konzeptes lernen konnte. Das hängt für mich damit zusammen, dass die Schematherapie, wie die Ego-State-Therapie, moderne Psychotherapieverfahren zur Behandlung komplexer psychischer Störungen darstellen, die schulübergreifend verschiedene Ansätze vereinen. Die Schematherapie ist eine gelungene Integration verhaltenstherapeutischer und tiefenpsychologischer Konzepte, die Ego-State-Therapie die Verbindung psychoanalytischer, hypnotherapeutischer und neurobiologischer Sichtweisen von dem, was den Menschen im Innersten zusammenhält. 1.3 Was ist ein Schema? Im Zusammenhang mit der Erforschung und Therapie der Depression versucht Aaron Beck (1992) zu erklären, warum ein depressiver Patient an einer selbstdestruktiven Haltung und Lebenseinstellung festhält, obwohl er, objektiv gesehen, das Leben ganz anders gestalten könnte - und, um bei der Frage der Wahrnehmung zu bleiben, warum er meist das halb leere und nicht das halb volle Glas Wasser wahrnimmt. Beck schreibt: »Jede Situation besteht aus einer Fülle von Reizen. Der einzelne Mensch widmet sich selektiv bestimmten Reizen, verbindet sie zu einem Muster und ordnet die Situation nach Begriffen. Obwohl verschiedene Menschen dieselbe Situation auf verschiedene Art und Weise konzeptualisieren können, neigt der einzelne dazu, in seiner Reaktion auf bestimmte Dinge oder Ereignisse konsequent zu sein. Relativ stabile kognitive Muster bilden die Basis für die Regelmäßigkeit der Interpretationen einer bestimmten Situationsabfolge. Der Begriff Schema bezeichnet diese stabilen kognitiven Muster.« (Beck, A. et al. 1992, S. 43) Dies bedeutet, dass wir alle dazu neigen, neue Situationen nach dem alten Muster oder Schema zu bewerten, ein Vorgang, der auch entwicklungsgeschichtlich Sinn macht: Dem Ziel Nummer eins, als Mensch oder als Gattung zu überleben, ist es zuträglicher, eine neue Situation nach einem alten Muster, welches bisher zum Überleben geführt hat, zu bewerten, als ein unkalkulierbares Risiko einzugehen - die Überlebenslogik ist: dass ich hier und jetzt existiere, ist ja Beweis genug, dass das alte Muster funktioniert hat. Wir können uns also vorstellen, dass durch eine bestimmte Situation bei einem vorbelasteten Menschen genau das Schema aktiviert wird, welches durch eine vergleichbare Situation vorgeprägt wurde. Dieses Schema ist nun die Grundlage, der Sortier- und Bewertungsrahmen, in den die Sinneseindrücke eingeordnet werden - wenn man stark und einseitig vorgeprägt ist, findet man immer nur das, was man finden will, oder wie Paul Watzlawick schreibt: »Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.« (1997) So werden alle neuen Erfahrungen durch die Matrix, die Brille, die Vor-Urteile des Schemas gesehen, bewertet und abgespeichert. 1.4 Von der Ich-Funktion zu den »Kopfbewohnern« In unseren bewusstseinsnahen (expliziten) wie bewusstseinsfernen (impliziten) Gedächtnissystemen liegt nach dem eben Gesagten eine große Zahl von erfahrungsabhängigen Schemata, Schablonen und Blaupausen bereit, um unsere Anpassung als Mensch an die Umwelt so schonend wie möglich zu organisieren. Die Frage für mich dabei ist: Haben wir alle diese Schemata in uns als einer Referenzdatei von Lösungsstrategien, unabhängig von einem Ich/Selbst, abgespeichert, oder sind wir die Summe dieser Muster, sind wir der Niederschlag all der sozialen Erfahrungen, die wir gemacht haben? Falls das Letztere zutrifft: Wie hat sich so etwas wie ein Selbst-Anteil oder PersönlichkeitsAnteil aus einem Schema, einem Reaktionsprogramm weiterentwickelt und wird von mir als »eine Seite in mir«, als ein Teil meines Selbst erlebt? Die Psychoanalyse von Sigmund Freud wurde durch die Arbeiten seiner Tochter Anna Freud (Das Ich und die Abwehrmechanismen, 1936) und insbesondere Heinz Hartmann (Ich-Psychologie und Anpassungsproblem, 1939, 1950) um Aspekte der Ich-Entwicklung, der Abwehrmechanismen sowie der Funktionen des Ichs ergänzt. »Nach Hartmann kann das Ich auch als System von Funktionen betrachtet werden. Das Ich existiert demnach, da es ja nur eine konstruierte Instanz ist, die der Vereinfachung der Erklärung der Psyche dient, nur wenn es funktioniert. Dabei ist die wichtigste Funktion, sich selbst zu organisieren, d. h. die Funktionen werden differenzierter und genauer durch die Erfahrungen im Laufe der Entwicklung.«2 Diese Funktionen des Ichs, die zum größten Teil bewusst sind und von Beginn des Lebens an auf autonome Weise arbeiten, unabhängig von den Frustrationen der Triebbefriedigung, sind für - Denken, Wahrnehmen, Erinnern, Beurteilen, Überprüfen der Realität, - für Willkürbewegungen, - Vermeidung unerträglicher Affekte (Angst, Scham, Schuld), - Vermitteln zwischen impulsiven Wünschen des Es und des ÜberIchs und der - Suche nach rationalen Lösungen zuständig. Davon getrennt gibt es bei Hartmann das Selbst als einer Teilfunktion des Ichs und die gesunden Ich-Funktionen - das sind angeborene Potenziale des Ichs, die sich in einer »konfliktfreien Ich-Sphäre« entwickeln können. »Das Selbst (...) läßt sich definieren als strukturierter Niederschlag von Wahrnehmungen, die die eigene Person betreffen, im Gedächtnis und somit als Resultat von Ich-Funktionen.« (Roßkamp et al. 1974, S. 7) Diese Zeit der psychoanalytischen Ich-Psychologie, die ich selbst in meiner Ausbildung in Tiefenbrunn bei Göttingen durch den Leiter der Klinik, Franz Heigl, und seine Frau, Anneliese Heigl-Evers, in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts miterlebt habe, hatte etwas sehr Funktionales, Strenges und Quasiwissenschaftliches. Vorbild war die experimentelle Psychologie, die Patientenbehandlung ähnelte einem Versuchsaufbau, und der Therapeut war Wissenschaftler im weißen Kittel. Der andere Pol eines gedachten Kontinuums zwischen funktionalen Programmen und Teil-Selbsten sind all die Teile-Konzepte, die den Menschen als ein »multiples« Wesen beschreiben, als eine Polyphonie der inneren Stimmen und Persönlichkeitsanteile. Hier sind die Schemata, Programme, wie ich sie oben beschrieben habe, personifiziert, zu eigenen Entitäten differenziert, tragen Namen, und man kann sie visualisieren. Mary Goulding nennt sie in ihrem Buch »Kopfbewohner oder: Wer bestimmt mein Denken?« (2000) Monster, Bösewichter, Schurken, Widersacher, aber auch Alleswisser, armes Jammerschwein oder »deine Privatelfe«, um nur ein paar zu nennen. Ein märchenhaftes Land, bevölkert mit den unterschiedlichsten freundlichen bis unausstehlichen Schöpfungen der Vorstellungskraft. Alles sehr nett und deutlich weniger rational und quasiwissenschaftlich, aber auch verwirrend und gelegentlich etwas naiv. 1.5 Übersicht über die Teilekonzepte In Abbildung 1-1 finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Therapierichtungen, die das Teile-Modell der Psyche in ihren Konzepten nutzen. Mich interessiert vor allem das Konzept der Ego-State-Therapie, welches die Grundlage meiner hypno-analytischen Teile-Therapie bildet. Allen gemeinsam ist der innovative Gedanke, dass das Ich oder das Selbst eines Menschen nicht nur aus einem identitätsstiftenden Zustand besteht, sondern aus verschiedenen Seiten, Parts, Teilen, Rollen, Ich-Zuständen, Ego-States zusammengesetzt ist. Ich glaube aufgrund meiner klinischen Arbeit, dass das Konzept des multidimensionalen Selbst mehr der inneren Wirklichkeit von uns Menschen entspricht als einfachere Theoreme, die von einem konsistenten Ich ausgehen, wie wir dieses in der Strukturtheorie (Es - Ich - Über-Ich) von Freud kennen. Die Ego-State-Theorie der Watkins lässt sich als ein Energie- oder Teilemodell der Persönlichkeit beschreiben, eine Selbst-Familie, die aus umgrenzten und beschreibbaren Sub-Selbsten zusammengesetzt ist. Diese Auffassung vom Ich/Selbst taucht in den letzten 100 Jahren in der Literatur der Psychoanalyse immer wieder auf, konnte sich aber bis heute gegen Freuds klassisches Instanzenmodell nicht durchsetzen. Der Teile-Ansatz findet sich nicht nur bei den Watkins, sondern auch in der Transaktionsanalyse von Eric Berne (2005, 2006). Ich halte diesen Ansatz deshalb für so bemerkenswert, weil er psychoanalytische Konzepte mit hypnotherapeutischen Techniken kombiniert und durch sein innovatives Denken einen vollkommen neuen Zugang zum Patienten und somit eine veränderte Praxiologie therapeutischer Techniken schafft. Viele dieser Therapietechniken des Ego-State-Ansatzes werden heute erfolgreich in der Behandlung von Patienten mit Dissoziativer Identitätsstörung (vormals als Multiple Persönlichkeitsstörung bezeichnet) eingesetzt, lassen sich aber nach meiner Erfahrung ebenso effektiv für die Phase der Stabilisierung von Patienten mit PTBS und für die Borderline-Therapie (siehe dazu Reddemann 2004, Sachsse 2004) oder bei Menschen mit konfliktinduzierten Störungen (die sog. klassischen Neurosen) nutzen. Es wäre sicher zu kurz gesprungen, in der EgoState-Therapie der Watkins nur eine Methode der Behandlung traumaassoziierter Störungen zu sehen - ein Missverständnis, das auch erfahrenen Teiltherapeuten immer wieder unterläuft. Auch bei C. G. Jung finden sich Konzepte zu einer inneren Multiplizität. Er unterscheidet in der Persönlichkeit des Menschen die negativ gefärbten Anteile, die er Komplexe nennt, von den positiven, die er als Archetypen bezeichnet. Diese von ihm postulierten Komplexe innerhalb der Persönlichkeit beschrieb er als eine Gruppe aneinander gelagerter, unbewusster Gedankenvorstellungen. 1935 schrieb er über den »Komplex«, dass dieser »die Tendenz [habe], eine kleine Persönlichkeit zu bilden. Er hat eine Art Körper, einen gewissen Grad an eigener Physiologie. [...] kurz, er benimmt sich wie eine Teilpersönlichkeit. [...]. Ich bin der Ansicht, daß unser persönliches Unbewußtes ebenso wie das kollektive Unbewußte aus einer unbestimmten, da unbekannten Anzahl von Komplexen oder fragmentarischen Persönlichkeiten besteht.« (Jung, zitiert in Schwartz 1997, S. 29) Dieses Konzept zeigt viel Ähnlichkeit mit Federns Ich-Zuständen, mit denen ich mich in den nächsten Kapiteln noch ausführlich beschäftigen werde; vor allem C. G. Jungs Idee, eine Person habe nicht Komplexe, sondern der Komplex habe sie, die Person, entspricht der Idee der führenden Ich-Zustände, der Gastgeber(host)-Persönlichkeit, wie man bei den Patienten mit DIS/MPS sagen würde. Zu weiteren Multiplizitätskonzepten, wie der Theorie der EgoStates bei Assaglioli und Ferrucci (Psychosynthese), zur Gestalttheorie, zur Transaktionsanalyse und zur systemischen Theorie (»Das innere Team«, F. Schulz von Thun, und »Innere Familie«, »Inneres Parlament«, Gunther Schmidt) siehe die kurzen Zusammenfassungen bei Peter Uwe Hesse (2003).
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Ernährungspsychologie

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