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E-Book

Hypnose und Achtsamkeit

Zwei Schwestern auf dem Tandem

AutorMichael E. Harrer
VerlagCarl-Auer Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783849781439
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
In der Therapie von psychischen Störungen ergänzen sich Hypnose und Achtsamkeit in optimaler Weise. Das Wissen um die Grundlagen der Achtsamkeit und ihre Wurzeln in der buddhistischen Psychologie bereichert das therapeutische Vorgehen um Modelle zur Linderung von Leiden und das damit verbundene Erfahrungswissen. Für Therapeuten wie Klienten eröffnet das neue Wege der Stressbewältigung und Prophylaxe von Burnout, bei Depressionen, bei der Emotionsregulation, bei Traumafolgen und Angst, bei Schmerz, Sucht und Schlafstörungen, aber auch bei onkologischen Erkrankungen. Michael Harrer führt die Anwendung von Hypnose und Achtsamkeit in der Psychotherapie umfassend und fundiert zusammen. Das Buch diskutiert Wirkfaktoren, Möglichkeiten und Grenzen der kombinierten Nutzung und vermittelt gut nachvollziehbar deren praktische Umsetzung. Sie wird erleichtert durch Anleitungen zu Trancen und Achtsamkeitsübungen sowie durch Vorschläge zur wörtlichen Formulierung von Trancen bzw. von Trancebausteinen. Hinweise zur störungsspezifischen Kombination von Hypnose und Achtsamkeit helfen bei der gezielten Auswahl der beschriebenen Techniken.

Michael E. Harrer, Dr. med. univ.; Arzt für Allgemeinmedizin, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin; Psychotherapeut und Supervisor (ÖVS); Ausbildungen in Katathym imaginativer Psychotherapie, Hypnosepsychotherapie und Hakomi; Lehrtherapeut der Österreichischen Ärztekammer im Rahmen der Psy-Diplom-Fortbildungen; Lehrtherapeut für Hypnosepsychotherapie (ÖGATAP); seit 1992 in freier Praxis in Innsbruck tätig.

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Leseprobe

2Hypnose und Achtsamkeit in der psychotherapeutischen Praxis


Im folgenden Kapitel werden die Kontexte der Anwendung von Hypnose und Achtsamkeit, die mit ihnen verknüpften Bilder und Erwartungen und die Ziele ihrer Anwendung diskutiert. Die Abschnitte zur Praxis geben erste Einblicke in das konkrete Vorgehen. Den Abschluss des Kapitels bildet ein Überblick über bisher publizierte Möglichkeiten ihres Einsatzes im Tandem.

2.1 Anwendungskontexte und Praxis der Hypnose


2.1.1 Hypnose und Trance im Kontext

In der Hypnose wissen wir um die Bedeutung von Erwartungen und inneren Bildern. So lade ich Sie ein, sich etwas Zeit zu geben, Bilder auftauchen zu lassen, die Sie mit der Hypnose verknüpfen … Vielleicht sind es die Spiralen in den Augen der Schlange Ka im Dschungelbuch oder Bilder von Hypnoseshows im Fernsehen. Vielleicht tauchen auf einer inneren Reise durch die Geschichte der Hypnose Schamanen oder Medizinmänner auf, die sich selbst in Trance versetzen, oder weiß gewandete Priesterärzte und Kranke im Tempelschlaf …, vielleicht Franz Anton Messmer, wie er mit den Händen über seine Patientinnen streicht, oder das berühmte Bild von Charcot, wie er an der Salpêtrière in Paris seine Lieblingspatientin Blanche Wittmann hypnotisiert …, oder Milton Erickson. Manche hören vielleicht sogar seine Stimme, die uns überallhin begleitet. Manche werden Stephen Gilligan oder Gunther Schmidt mit seiner humorvollen Art vor sich sehen. Ein kleiner Leserkreis erlebte vielleicht Dirk Revenstorf und Halko Weiss auf Mallorca, wie ein Meister der Hypnose mit einem Meister der Hakomi-Therapie zusammenarbeitet …

Diese verinnerlichten Bilder prägen aber nicht nur die Erwartungen unserer Klienten, sondern auch unsere eigenen mehr oder weniger bewussten Vorstellungen darüber, wie Therapeuten zu sein und was sie zu tun haben. Die Bilder repräsentieren auch unterschiedliche Generationen der Hypnose: In der ersten Generation wurden wie bei Messmer und Charcot dem Hypnotiseur besondere Fähigkeiten zugeschrieben. In der zweiten Generation, vertreten durch Milton Erickson, ist das Unbewusste des Klienten die Quelle von Wissen um die Möglichkeiten zur Veränderung. In der dritten Generation der Hypnose weist die »generative Trance« (Gilligan 2014) durchaus Ähnlichkeiten mit der Achtsamkeit auf.

Im medizinischen Kontext wird die Hypnose auf vielfältige Weise angewendet, z. B. beim Zahnarzt, bei Schmerzen, in der Psychosomatik, in der Geburtsvorbereitung, in der Rehabilitation, bei ärztlichen Untersuchungen oder operativen Eingriffen. Das vorliegende Buch beschränkt sich auf die Anwendung der Hypnose und die Nutzung von Trancezuständen im Rahmen von Psychotherapien. Ziel dieser Anwendung ist es, Symptome zu verringern oder die Einstellung ihnen gegenüber zu verändern bzw. Entwicklung zu fördern und abgespaltene Anteile zu integrieren.

Trance kann in der Psychotherapie als Hypnose explizit eingesetzt werden. Dabei werden Trancen durch formale Tranceinduktionen hervorgerufen, die als solche definiert und vielfach ritualisiert sind. Trancen treten aber auch ohne formale Tranceinduktionen auf, etwa durch die Fokussierung auf belastende Inhalte oder Erinnerungen. Bei der Konversationstrance richtet sich der Fokus der Aufmerksamkeit des Klienten spontan oder gelenkt nach innen, was oft Trancezustände auslöst, die dann vertieft und genutzt werden.

Als natürliche Zustände treten Trancen auch außerhalb der Psychotherapiestunde im Alltag der Klienten auf. Diese können dort mehr oder weniger unbemerkt bleiben oder als Problem-Trancen Leiden verursachen und die Klienten in Therapien bringen. So lassen sich bestimmte Symptome als Trancephänomene beschreiben – wie eine verzerrte Wahrnehmung, das Ausblenden von Anteilen der Erfahrung oder unwillkürliche Vorgänge, die das Verhalten und Denken der Klienten beherrschen.

Psychotherapie bedeutet in diesem Modell, Möglichkeiten zu erlernen, aus diesen Problem-Trancen auszusteigen, und stattdessen Ressourcen zu aktivieren und einen flexiblen Zugang zu Lösungs-Trancen zu gewinnen. Ein Modell, das genau mit diesem Wechsel von Problem-Trancen und Lösungs-Trancen arbeitet und speziell auch deren körperliche Aspekte nutzt, ist die Problem-Lösungs-Gymnastik (Schmidt 2010; siehe Abschnitt 6.4.2, S. 127).

Ein weiterer bedeutsamer Anwendungskontext von Trance ist der gezielte Einsatz heilsamer Formen der Selbsthypnose außerhalb der Therapiestunde. In diese Richtung gehen bestimmte Formen von Entspannungstrainings, etwa die Autosuggestionen im Rahmen von autogenem Training, Imaginationen zum Einschlafen oder der selbstständige Einsatz der Problem-Lösungs-Gymnastik.

Ziele der Anwendung von Trance in der Psychotherapie

Die Ziele, mit denen Trance in der Psychotherapie eingesetzt wird, sind vielfältig:

·Auf der körperlichen Ebene bewirken Trancen meist eine muskuläre Entspannung und eine psychovegetative Umschaltung. Das Immunsystem wird aktiviert, Stressreaktionen werden vermindert und Regeneration wird angeregt.

·Die Suggestibilität lässt sich zur Verringerung von Symptomen nutzen, wie auch für Verhaltens- und Einstellungsänderungen und zur Anregung von Heilungsprozessen.

·Dissoziiertes Erleben schafft Abstand. Wenn das Ziel darin besteht, besser in Kontakt mit einer Erfahrung zu kommen, lädt man assoziiertes Erleben ein.

·Im Sinne des Probehandelns in Trance können bestimmte Verhaltensweisen, Denkweisen oder neue Formen der Selbstregulation angeregt, ausprobiert und in ihrer Wirkung erfahren werden.

·Die Aktivierung und Intensivierung des Vorstellungsvermögens in Trance ermöglicht die Imagination von Heilungsvorgängen und die Symbolisierung auch ängstigender Inhalte und Vorgänge.

·Trance ermöglicht die Mobilisierung von Ressourcen und Zugänge zu implizitem Wissen. Sie aktiviert Erinnerungen an vergessene Erfahrungen und archetypische Bilder. All das kann zu einer verbesserten Problemlösung und Lebensbewältigung, aber auch zu einer höheren Lebensqualität beitragen.

·Die in Trance spontan auftretende oder induzierte Regression ermöglicht das Aufsuchen prägender biografischer Szenen und von traumatischen Erfahrungen. Diese Problemaktualisierung ist die Basis für die Verknüpfung des damaligen Erlebens mit neuen, korrigierenden Erfahrungen auch im Sinne einer »Nachbeelterung«.

·In Trance ist es leichter, neue Perspektiven einzuführen, Symptome und Belastendes in einem neuen Licht zu sehen bzw. auf stärkende Weise umzudeuten (vgl. Revenstorf 2015).

Das Unbewusste und das Unwillkürliche in der Hypnosepsychotherapie

In der Hypnosepsychotherapie spielt das sog. Unbewusste eine große Rolle. Wenn vom Unbewussten die Rede ist, können das dynamische Unbewusste als Ort alles Verdrängten, das implizite Wissen oder das kreative Unbewusste gemeint sein. Metaphorische Beschreibungen des Unbewussten reichen von einer Schlangengrube über eine Schatzkiste bis hin zu einem Reservoir, das die Weisheit der gesamten Menschheit enthält. Wenn Milton Erickson vom Unbewussten sprach, meinte er damit den höchst individuellen Speicher an allem, was ein Mensch im Laufe seines Lebens erlebt, gelernt und an Fähigkeiten und Wissen erworben hat. Aus diesen Konzepten des Unbewussten ergeben sich unterschiedliche Ziele in der Therapie, zu deren Erreichung die Hypnose eingesetzt wird.

Neben der Unterscheidung zwischen bewussten und unbewussten Prozessen spielt in der Hypnose auch die Differenzierung zwischen willkürlichen und unwillkürlichen Vorgängen eine große Rolle. So werden Leidenszustände und Symptome als unwillkürlich auftretend erlebt: »Es schmerzt«, bei der Sucht geht »Es« mit mir durch oder »die Depression« ist über mich gekommen. Versuche der willkürlichen Kontrolle bleiben erfolglos. In der Hypnose wird geübt, unwillkürliche Vorgänge zu bemerken, zuzulassen, um sie schlussendlich zieldienlich zu nutzen. Jenen treibenden Kräften, die zum unwillkürlichen Verhalten führen, wird eine positive Absicht unterstellt. Diese Absicht gilt es zu ergründen, zu würdigen und auf eine heilsamere Weise zu verfolgen.

2.1.2 Die Praxis der Hypnose in der Psychotherapie

Im Rahmen von Psychotherapie wird die Hypnose in der Regel mit anderen psychotherapeutischen Ansätzen kombiniert, etwa mit der kognitiven Verhaltenstherapie. Aufgrund des österreichischen Psychotherapiegesetzes versteht die »Österreichische Schule der Hypnose« die Hypnosepsychotherapie als ein eigenständiges, integratives, psychodynamisch orientiertes...

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