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E-Book

Ich denke, also irre ich

Wie unser Gehirn uns jeden Tag täuscht

AutorDavid McRaney
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783864153334
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
DER IRRGLAUBE: Sie sind ein rationales, logisch denkendes Wesen, das die Welt so sieht, wie sie wirklich ist. DIE WAHRHEIT: Sie sind wie alle anderen Menschen in Selbsttäuschungen gefangen. Tagtäglich führt uns unser Gehirn in die Irre, ohne dass wir es merken. David McRaney entführt uns in die faszinierende Welt der Psychologie und erklärt verständlich die interessantesten Trugschlüsse, denen wir immer wieder erliegen, wie: -Rückschaufehler: Wenn wir etwas Neues lernen, versichern wir uns, dass wir es ohnehin längst wussten. -Markentreue: Wir kaufen immer wieder dieselbe Marke - nicht, weil wir von deren Qualität überzeugt sind, sondern weil wir uns selbst beteuern wollen, dass wir beim letzten Kauf eine clevere Wahl getroffen haben. -Strohmann-Argument: Wir glauben, dass wir bei einem Streit die Fakten objektiv beurteilen. Doch jedes Mal verleitet uns der Zorn dazu, den Standpunkt unseres Gegners verzerrt darzustellen. In spannenden Anekdoten erläutert David McRaney fesselnde Forschungsergebnisse aus der Psychologie und demonstriert, wie unser Gehirn wirklich funktioniert und wie wir uns von Denkfehlern befreien.

DAVID Mc RANEY ist Journalist und interessiert sich für Psychologie, Technologie und das Internet. Zurzeit arbeitet er als New-Media-Spezialist für einen Fernsehsender in Mississippi. Er ist der Autor des erfolgreichen Blogs »You are not so smart« , auf dem das Buch basiert.

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EINFÜHRUNG

Sie


DER IRRGLAUBE: Sie sind ein rationales, logisch denkendes Wesen, das die Welt so sieht, wie sie wirklich ist.

DIE WAHRHEIT: Sie sind wie alle anderen Menschen in Illusionen befangen. Und das ist auch gut so, denn sonst würden Sie womöglich den Verstand verlieren.

Sie halten ein Lehrbuch zum Thema Selbsttäuschung in den Händen, das Ihnen verrät, auf welch wundersame Weise wir Illusionen unterliegen.

Vermutlich gehen Sie davon aus, zu wissen, wie die Welt funktioniert. Tatsächlich haben Sie aber keine Ahnung. Auf Ihrem Weg durchs Leben bilden Sie sich Meinungen und reimen sich eine Geschichte zusammen, die erklärt, wer Sie sind und warum Sie all jene Dinge getan haben, die Sie getan haben, bis Sie angefangen haben, dieses Buch zu lesen. Und diese Erklärung scheint plausibel.

Immer mehr Erkenntnisse aus der Psychologie und der Kognitionswissenschaft besagen jedoch, dass Sie nicht wissen, warum Sie bestimmte Dinge tun, bestimmte Entscheidungen treffen oder Ihnen bestimmte Gedanken durch den Kopf gehen. Sie erfinden kleine Märchen, die nachvollziehbar machen, warum Sie Ihre Diät aufgegeben haben, warum Sie Apple bevorzugen und nicht Microsoft und warum Sie sich genau daran erinnern, dass Bettina Ihnen von diesem Clown mit einer Beinprothese aus Suppendosen erzählt hat. Dabei war es gar nicht Bettina, sondern Anton, und es ging auch nicht um einen Clown.

Nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, sich in dem Zimmer umzusehen, in dem Sie dieses Buch lesen. Denken Sie eine Sekunde darüber nach, wie viel Mühe es gekostet hat, die Dinge, die Sie umgeben, herzustellen. Malen Sie sich aus, wie viele Jahrhunderte des Fortschritts nötig waren, um diese Erfindungen überhaupt zu ermöglichen.

Beginnen Sie bei Ihren Schuhen, betrachten Sie dann das Buch in Ihren Händen und schließlich die vielen Maschinen und Geräte, die in jedem Winkel Ihres Lebens ständig in Betrieb sind – den Toaster, den Computer, den Krankenwagen, dessen Martinshorn von einer entfernt gelegenen Straße zu Ihnen hinüberhallt. Halten Sie sich, bevor wir zum eigentlichen Thema dieses Buches kommen, einmal vor Augen, wie erstaunlich es ist, dass wir Menschen so viele Probleme gelöst und so viele Dinge kreiert haben.

Gebäude, Autos, Elektrizität und Sprache … Der Mensch ist schon etwas ganz Besonderes, stimmt’s? Seine vernunftbegabte Denkweise feiert immer wieder neue Triumphe. Wenn Sie sich das vergegenwärtigen, wiegen Sie sich vielleicht in dem selbstzufriedenen Glauben, wir Menschen hätten uns zu wirklich schlauen Geschöpfen entwickelt.

Und doch schließen Sie Ihre Schlüssel im Auto ein. Sie vergessen, was Sie gerade sagen wollten. Sie nehmen zu. Sie gehen bankrott. Und anderen Menschen passiert das auch. Von Bankkrisen bis hin zu sexuellen Eskapaden – unser Verhalten ist manchmal ziemlich töricht.

Vom renommierten Wissenschaftler bis zum einfachen Handwerker – jedes menschliche Gehirn ist von vorgefassten Ansichten und Denkmustern durchsetzt, die es unbemerkt in die Irre führen. Sie befinden sich also in guter Gesellschaft. Egal, wer Ihre Idole und Mentoren sind – auch sie neigen zu falschen Annahmen.

Nehmen wir als erstes Beispiel den Selection Task von Peter Wason. Stellen Sie sich vor, ein Wissenschaftler teilt Ihnen vier Karten aus. Im Gegensatz zu normalen Spielkarten zeigen diese auf der einen Seite eine Zahl und auf der anderen eine Farbe. Wenn Sie die Karten von links nach rechts betrachten, sehen Sie eine Drei, eine Acht, eine rote und eine braune Karte. Der raffinierte Psychologe lässt Sie die Karten ein paar Sekunden lang betrachten und stellt Ihnen dann eine Frage. Nehmen wir an, er sagt: »Ich habe einen ganzen Stapel von diesen Karten, und es gilt nur eine Regel. Wenn eine Karte auf der einen Seite eine gerade Zahl zeigt, muss sie auf der anderen Seite rot sein. Welche Karte oder Karten müssen Sie umdrehen, um zu beweisen, dass ich lüge?«

Haben Sie die Karten noch im Gedächtnis? Drei, Acht, rot, braun. Welche müssen Sie umdrehen?

Unter den psychologischen Experimenten zählt diese Aufgabe zu den einfachsten. Mit logischem Denken kommt man der Antwort leicht auf die Spur. Doch als der Psychologe Peter Wason diesen Test im Jahr 1977 durchführte, erzielten weniger als 10 Prozent der Befragten das richtige Ergebnis. Auf Wasons Karten waren zwar statt Farben Vokale zu sehen, jedoch bewiesen auch spätere Experimente mit farbigen Karten, dass die meisten Menschen mit der Lösung dieser Aufgabe überfordert waren.

Welche Antwort hätten Sie gegeben? Hätten Sie sich für die Drei und die rote Karte entschieden oder allein die Acht und die braune Karte gewählt, gehören Sie zu den 90 Prozent der Menschen, die von der Aufgabe in die Irre geführt werden. Wenn Sie die Drei umdrehen und die Rückseite der Karte ist rot oder braun, beweist das gar nichts. Sie erfahren nichts Neues. Wenn Sie die rote Karte wenden und eine ungerade Zahl erscheint, bedeutet das keinen Regelverstoß. Die einzig richtige Antwort besteht darin, sowohl die Acht als auch die braune Karte umzudrehen. Ist die Rückseite der Acht rot, bestätigt das zwar die Regel, erbringt aber noch keinen Beweis, dass diese auch in anderen Fällen eingehalten wird. Ist die braune Karte mit einer ungeraden Zahl kombiniert, gewinnen Sie keine neuen Erkenntnisse. Zeigt sie aber eine gerade Zahl, widerlegen Sie die Behauptung des Psychologen. Nur die Acht und die braune Karte liefern die richtige Antwort. Und sobald man diese Lösung kennt, erscheint sie offensichtlich.

Was könnte einfacher sein als vier Karten und eine einzige Regel? Wenn 90 Prozent aller Menschen diese Aufgabe nicht lösen können, wie gelang es der Menschheit dann, Rom zu erbauen und einen Impfstoff gegen Kinderlähmung zu entwickeln? Genau das ist Thema dieses Buches: Der Mensch neigt von Natur aus dazu, in bestimmten Bahnen zu denken, und unsere Umwelt ist das Ergebnis dieser Prägung.

Wenn Sie die Zahlen und Farben auf den Karten durch eine typische Alltagssituation ersetzen, wird der Test viel einfacher. Nehmen wir an, der Psychologe kehrt zurück und sagt diesmal: »Sie befinden sich in einer Bar und dem Gesetz nach dürfen Sie erst Alkohol trinken, wenn Sie über 18 Jahre alt sind. Bei jeder dieser vier Karten ist auf der einen Seite der Name eines Getränks aufgedruckt und auf der anderen das Alter der Person, die es bestellt hat. Welche der vier Karten müssen Sie umdrehen, um festzustellen, ob der Besitzer der Bar sich an das Gesetz hält?« Dann gibt der Psychologe Ihnen vier Karten, auf denen steht:

21 – Bier – Cola – 17

Nun ist die Aufgabenstellung viel klarer. Die Cola verrät Ihnen gar nichts, und die 21 auch nicht. Wenn der 17-jährige Alkohol trinkt, verstößt der Barbesitzer gegen das Gesetz. Konsumiert der Junge aber ein alkoholfreies Getränk, müssen Sie das Alter des Biertrinkers überprüfen. Schon haben Sie die zwei Karten, die Sie umdrehen müssen – Bier und 17. Unserem Gehirn fällt es leichter, die Welt in bestimmten Zusammenhängen, zum Beispiel in sozialen Konstellationen zu betrachten, statt sich in abstrakten Bezugsrahmen wie denen von Logikrätseln zu orientieren.

Dieser Sachverhalt wird Ihnen in diesem Buch immer wieder begegnen – zusammen mit Erklärungen und Analysen. Die von Wason gestellte Aufgabe ist ein Beispiel dafür, wie schlecht es um Ihr logisches Denken bestellt ist. Gleichzeitig prägen Sie viele Überzeugungen, die zwar auf dem Papier gut aussehen, sich in der Praxis aber schnell in Wohlgefallen auflösen. Das Scheitern dieser Überzeugungen gestehen Sie sich meist nicht ein. Sie sind von einem tiefen Bedürfnis erfüllt, recht zu haben, und dem noch größeren Wunsch, sich selbst  Ihre Moral und Ihr Verhalten  in einem positiven Licht zu sehen. Um diese Ziele zu erreichen, können Sie Ihren Verstand in beträchtlichem Maße verbiegen.

Die drei Hauptthemen dieses Buches sind kognitive Verzerrung, Heuristiken und Fehlschlüsse. Das sind Arbeitsweisen Ihres Gehirns, die Ihnen ähnlich wie Ihre Organe unter optimalen Bedingungen gute Dienste leisten. Leider bietet uns das Leben jedoch nicht immer optimale Bedingungen. Dank der garantierten Existenz und Vorhersehbarkeit dieser typisch menschlichen Denkweisen sind Schwindler, Zauberkünstler, Werbetreibende und Verkäufer aller möglichen pseudowissenschaftlichen Heilmittel seit Jahrhunderten gut im Geschäft. Erst als die Psychologie begann, menschliches Verhalten mit streng wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen, konnte man diese Selbsttäuschungen in Kategorien einteilen und quantifizieren.

Als kognitive Verzerrung werden vorhersehbare Denk- und Verhaltensmuster bezeichnet, die Sie zu falschen Schlussfolgerungen führen. Diese ärgerlichen und inkorrekten Sichtweisen sind allen Menschen von Geburt an eingeimpft, sodass wir sie kaum wahrnehmen. Sie dienen vor allem dazu, Ihr Vertrauen in die eigene Wahrnehmung zu sichern und Sie davon abzuhalten, sich selbst als Dummkopf zu erachten. Die Aufrechterhaltung eines positiven Selbstbilds scheint für uns Menschen so wichtig zu sein, dass wir mentale Mechanismen entwickelt haben, die es uns erlauben, uns großartig zu fühlen. Kognitive Verzerrung führt zu fragwürdigen Entscheidungen, mangelndem Urteilsvermögen und absonderlichen Erkenntnissen, die oft völlig falsch sind. So neigen Sie beispielsweise dazu, nach Informationen zu suchen, die Ihre Überzeugungen bestätigen, und Informationen zu ignorieren, die diese infrage stellen. Dieses Phänomen bezeichnet...

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