Spreewaldtour mit Stocken
Oder einmal die Rentnertour bitte! Stocken lernte ich 2015 auf der Rock n Roll Butterfahrt kennen. Dies ist ein kleines Punk-Festival auf Helgoland. Genauer gesagt auf der Badeinsel „Hohe Düne“ neben Helgoland. Ich war damals als Sänger und Bassist mit einer Band unterwegs und Stocken als Crewmitglied vor Ort.
Er las mein Buch und kam zu dem Schluss, das will ich auch mal erleben. 2017 war es dann endlich soweit. Am 22.Juli kam er in Birkholz an. Wir schickten uns schon vorher Bilder, was wir alles mitnehmen würden. Also wie viele Shirts, welche Hose macht Sinn und benötigen Männer eine Nachtcreme?! Nein, benötigen sie nicht. Woher weiß die Nachtcreme auch wie spät es ist? Keine Ahnung. Aber schon eine tolle Zeit, dieses 21. Jahrhundert. Wo Creme weiß, wann genau sie wirken muss.
Ich schweife ab. Stocken wollte mal was anderes erleben und mit mir auf Kanutour kommen. „Aber bitte die Rentnertour, Paul, nicht wie in deinem Buch beschrieben, so eine Reise für verrückte Sportirre mit Kilometertick." Klar, war meine Antwort. Ganz ruhig und entspannt. 75 Kilometer waren geplant.
Der erste Tag verlief in normalbösem Chaos.
Der Fritz wackelte, das Tierchen war viel zu neugierig und viel zu aufgedreht.
Wir starteten in Petkamsberg und fuhren über Schlepzig nach Groß Wasserburg. Diesmal allerdings fuhren wir in den „Steinhafen“, das ist der Privathafen vom Hotel Steinzeit. Noch im Hafenbecken sahen wir zum ersten Mal Nutria aus nächster Nähe. Ach, was sage ich, nicht mal ein Meter von uns entfernt waren sie. Jahre lang fast ausgerottet im Spreewald und nun wieder sehr weit verbreitet. Dieses schöne Bild konnten wir noch schnell knipsen, bevor der Zwickeldurst uns doch zur Weiterfahrt drängte.
Nach einem kurzen Schnack mit dem Kahnhafenmeister, durften wir den Fritz beim Kahnhafenmeistersteg festtauen. Wollten ja nur schnell ein Zwickel trinken. Kurze Pause, dann sollte es weiter gehen. Gesagt, getan. Abends dann bei Wolfgang im Lokal „zum Unterspreewald“ gespeist. Halb Birkholz traf sich an dem Abend dort. Axel und Tina unsere quasi Nachbarn. Gut bei 120 Einwohnern im Dorf, Tendenz fallend, sind wir ja alle Nachbarn. Und dann noch unsere Pferde-Gestütsleiterin samt Tochter. Während ein Bierchen nach dem anderen die Kehlen runter floss, tauschte man Dorfklatsch aus und überlegte, wo wohl der Weltrekord läge für die Fertigstellung eines Einfamilienhauses?!
Man könnte den Abend in „ ich kam, trank und speiste“ zusammenfassen. Am Abend selber, Wolfgang machte schon Feierabend, holte sich Stocken noch ein Bierchen. Leider war es nicht gekühlt. Kurzer Hand kam Wolfgang mit einem halben Beutel Eis und schüttete es in unseren WOA-Eimer. Luxus. 28 Grad und wir haben „Eisgelagertes Bier.“
So verging der erste Abend und wir schliefen unruhig ein.
Wasserspiele
Der zweite Tag unterschied sich nicht sehr viel von anderen Tourtagen. Zelt abbauen, Kanu beladen, paddeln, baden, Fische essen und Zelt aufbauen.
Erst der Abend wurde wieder interessant. Stocken und ich saßen in Werder am Lagerfeuer.
Als kurz vor der Dämmerung drei Kajaks mit fünf Jugendlichen anlandeten. Ich hatte ein starkes Déjà-vu an einen Abend von 2011. Dort fing es ähnlich an. Es waren wie damals drei Jungen und zwei Mädchen. Sie landeten an.
Und während die einen die Zelte aufbauten, kochten die anderen das Essen. Das erste, was ich wirklich wahrnahm, war die „Fusion-Goa-Musik“, die mir so doch etwas missfiel. Meinem Gesicht schien man es wohl sehr deutlich anzusehen, da man daraufhin sagte: “Wenn die Musik euch stört, sagt ihr Bescheid.“ „Bescheid!“, sagte ich sofort. Nun schauten sie verdutzt. Man erkundigte sich, was uns denn eher zusagen würde. Die Antwort war leicht.
Hauptsache es sind Gitarren dabei. Die nächsten Klänge ertönten von der Boyband Knorkator. Das war ganz nach meinem Geschmack.
Der Abend wurde durch aufkommenden Regen leider früher beendet als gewünscht und man verkroch sich recht bald bei leichtem Nieselregen ins Zelt. Das war genau rechtzeitig wie sich zeigen sollten. Keine 30 Minuten später, wir lasen noch in unseren Büchern und Tierchen snooselte in meinem Schlafsack, als plötzlich ein Regenguss vom Himmel stürzte, der so laut war, dass einem Angst werden konnte. Aber nicht Stocken und mir. Respekt.
Vielleicht. Aber Angst? Niemals! Dennoch wollte ich nur mal kurz nachschauen. Als ich das Zelt öffnete, sah ich mit Entsetzen, dass schon mehrere kleine Bäche sich am und unter dem Zelt ihren Weg bahnten. Daraufhin merkten wir nun auch, dass unser Zelt neuerdings fließend kaltes Wasser hat. Ich entschloss mich, raus zu gehen und einen Graben oberhalb vom Zelt zu ziehen, um wenigstens etwas Wasser, das den Hang runter kam, umzuleiten. Stocken reichte mir den Klappspaten und ich stürmte, nur in Unterhose bekleidet, hinaus. Es muss sehr witzig ausgesehen haben. Schade, dass man nie sich selber mal sieht. Stocken leuchtete von innen gegen die Zeltwand und ich, nennen wir es mal, kratze eine Furche. Ich sah es zwar nicht, war aber zufrieden mit meinem Werk. Kalt, nass und zitternd kam ich ins Zelt zurück. Ich trocknete mich mit Stockens Handtuch ab und wir schlummerten mit gemischten Gefühlen ein. Der Morgen brachte die Erkenntnis, dass man gut durchschläft. Jedenfalls für fünf Minuten! Bis die eine Seite so weh tut, dass man sich schmerzverzerrt auf die andere Seite dreht und dort ganze weitere fünf Minuten tief und schmerzhaft durchschläft. Aber wenigstens war alles trocken! Das konnte man nicht von allen behaupten. Noch in der Nacht hörte ich lautstarkes Geschreie und Geheule von unseren Nachwuchs-Wasserwanderern. Stocken betitelte es amüsanter weise als „Spreewald-Tag und Nacht“.
Doch was war das für ein Anblick. Als ich aus dem Zelt kroch, sah ich das ganze Ausmaß der nächtlichen Wasserspiele. Dort hingen Isomatten, Schlafsäcke und Klamotten. Allesamt klitsche nass. Die dazugehörigen Personen hätten einer Zitrone Konkurrenz machen können. Auf meine Frage: „Soll ich fragen?“, kam nur die Antwort: „Besser nicht“!
Wer viel gibt, bekommt auch viel
Manchmal ist das Wetter dein Freund und manchmal dein Feind. Oder zu mindestens dir nicht wohl gesonnen. So war es bei der Tour mit Stocken am Mittwoch. Fangen wir von vorne an. Morgens, noch recht gutes Wetter, saß ich auf dem Olymp. Tatsächlich, das mobile Toilettenhäuschen hieß Olymp. Man kam auch meist mit einer Erkenntnis wieder von ihm runter. Der Erkenntnis, dass man viel Entspannter ist ohne Druck von hinten. Es passte mir auch ganz gut, dass nicht 30 Grad waren und die Sonne voll auf die Darmentleerungsstation knallte. Sonst hätten sich vermutlich 200 Fliegen dort getummelt und unter meinem Popo wäre das blühende Leben. Ich schweife ab.
Wir fuhren los. Nach einem guten Frühstück und Kaffee, der Stocken anscheinend Sodbrennen bescherte. In Beeskow mussten wir daher erstmal Milch für Stocken kaufen. Ich entschied mich, die alte Burgschleuse zu benutzen. Wenn man diese benutzen möchte, muss man mindestens 200 Drehungen pro Schleusentor vornehmen. Dafür kommt man in den Genuss, dass der dahinter liegende Supermarkt (mit dem R am Anfang und den vier Buchstaben) einen eigenen Steg hat.
Ich genoss mit Tierchen den langsam beginnenden Nieselregen und Stocken kaufte Milch.
Dass man Milch auch auf dem Wasser kaufen kann, wussten wir bis dato noch nicht. Doch dazu später mehr.
Gut gelaunt und mit ordentlichem Tempo fuhren wir bis kurz vor die Drahendorfer Spree, dem Ort Neubrück entgegen. Die Schleuse in unsere Richtung wurde gerade gebaut. Das wird sie auch noch bis 2019. „Na, Wahnsinn“, dachte ich. So lange wollte ich jetzt nicht warten. Es wunderte mich auch nicht im Geringsten, dass es noch so lange dauern würde, denn man sah niemanden arbeiten. Vermutlich wartete man auf besseres Wetter. So ein Tag Anfang Mai, mit ca. 18,9 Grad. Nicht zu kalt und nicht zu heiß. Mit Wind aus Nordwesten und maximal 30 Minuten Arbeit pro Stunde. Man müsse sparsam mit der Kraft umgehen. Solch ein Tag war an diesem Mittwoch nicht. Daher, ganz klar, WURDE AUCH NICHT GEARBEITET!
Wir mussten also in die andere Richtung schleusen. Dort holte uns ein Kanu-Shuttle ab.
Leider nicht der eigentliche Abholer, sondern nur seine Vertretung. Das kleine Eiscafé, was dies normalerweise anbot, hatte natürlich geschlossen. Der Besitzer war mit seiner Tochter lieber für drei Tage nach Paris gefahren. Das war das zweite Mal, dass ich Stocken Pommes versprach und ich ihn enttäuschen musste. Der Preis, den der Herr für den Kilometer und die fünf Minuten auf rief, war, nennen wir es, dreist. Aber man kann es ja mal versuchen. Ich handelte ihn dann runter auf die Hälfte.
Wir überlegten kurz, ob wir für heute Schluss machen und unser Zelt hier aufschlagen sollten. Ich hatte noch Lust, weiter zu paddeln, und so schlecht war das Wetter nun auch nicht. Bis Berkenbrück schaffen wir es sicher.
Schafften wir auch. Nur in welchem Zustand.
Kurz nachdem wir um die Mittagzeit weiter fuhren, fing...