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Ikonizität und Konventionalität. Eine diagrammatisch semiotische Analyse der 'Carta Marina' und dem dazugehörigen Textband

AutorMareike Sesselmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl107 Seiten
ISBN9783656745945
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Germanistik - Linguistik, Note: 1,0, Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg), Sprache: Deutsch, Abstract: 'Meerkarte und Beschreibung der Länder des Nordens sowie der in ihnen anzutreffenden Wunderdinge, auf das sorgfältigste ausgearbeitet im Jahr des Herrn 1539« so lautet der vollständige Titel der Carta marina, der sich über die ganze Breite ihres Oberrandes zieht.'1 Um Wunder oder Mythen soll es in dieser Masterarbeit nicht gehen, dafür aber ziemlich konkret um die Carta Marina2 des schwedischen Bischofs Olaus Magnus sowie deren Ain kurze Auslegung3 und den Textband Historia de gentibus septentrionalibus4. Wie der Titel dieser Abhandlung impliziert, soll eine diagrammatisch semiotische Untersuchung stattfinden, die sich vor allem mit der Ikonizität und der Konventionalität des Werks von Olaus Magnus auseinandersetzt. Weshalb gerade diese Karte so interessant ist, geben Elena Balzamo und Reinhard Kaiser bestens wieder: 'Zum ersten Mal in der Geschichte der Kartographie gewinnt Nordeuropa auf der Carta marina weitgehend korrekte Umrisse und wird erkennbar. Aber um eine »Seekarte« handelt es sich nur dem verkürzten Namen nach, der sich eingebürgert hat. Auf ihr sind alle Länder dargestellt, die an Nordsee und Ostsee grenzen: [...] Mit dem geographischen Realitäten vermischen sich die Phantasiegebilde: die Insel Thule, der Malstrom vor der Küste Norwegens, die Seeungeheuer und Meerschlangen. Fabelwesen und Naturwunder, Alltagsszenen aus der Gegenwart und Gestalten aus der frühen Geschichte Skandinaviens all das macht die Karte des Olaus Magnus zu einer ungeheuer ergiebigen Quelle von Auskünften über den damals noch kaum erschlossenen und zumal im übrigen Europa so gut wie unbekannten hohen Norden.'5 Zum einen ist es der immense Bildreichtum, der gerade diese Karte zu einem hervor-ragenden Analysegegenstand macht. Zum anderen ist die Betrachtung der Carta Marina, der eine eigene Auslegung und ein ganzer Textband zur Seite gestellt wurden, sehr gut geeignet, um diagrammatische Relationen ziehen und betrachten zu können. 1 Magnus, Olaus: Die Wunder des Nordens. In: Balzamo, Elena/Kaiser, Reinhard: Die Andere Bibliothek. Frankfurt am Main: Eichborn 2006. S. 11. 2 Die Karte ist dem Buch beigefügt. Vgl. Ebd. 3 Vgl. Ebd. S. 48-84. 4 Vgl. Magnus, Olaus: Description of the Northern peoples (Historia de gentibus septentrionalibus. Romae 1555, englisch) übersetzt von Peter Fischer. Band 1. London: Hakluyt Soc. 1996. Sowie ebd. Band 2-3. London: Hakluyt Soc. 1998. 5 Vgl. Anm. 1. S. 8f.

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Leseprobe

5. Methodische Ansätze und ihre Relevanz für die Thematik


 

5.1. Die Zeichentheorie nach Charles Sanders Peirce


 

Die Zeichentheorie nach Charles Sanders Peirce (1839-1914)[67] soll die theoretische Grundlage für die vorliegende Masterthesis sein. Sie dient in vielerlei Hinsicht sehr gut der Analyse der Carta Marina, der kurzen Auslegung sowie der Historia, wie sich im Verlauf noch zeigen wird. Zudem ermöglicht es die Zeichentheorie, neue erkenntnisfördernde Schlussfolgerungen aus dem Werk Olaus Magnus´ zu ziehen. Deshalb wird neben dem triadischen Zeichen und den drei Zeichentypen – Ikon, Index und Symbol – ein genauerer Blick auf die Diagrammatik geworfen, bei der Abduktion, Deduktion und Induktion eine wichtige Rolle spielen. Die Diagrammatik ergibt sich, besonders in dieser Arbeit, aus einer näheren Betrachtung diagrammatischer Relationen von Diagrammen. Jene bilden neben Bildern und Metaphern eine der Unterkategorien der Ikone.[68] Da die Diagrammatik Beziehungen aufzeigt und es im Fall der Carta Marina vor allem um Text-Bild-Relationen geht, wird ein Exkurs dazu unternommen. Dabei werden die Unterschiede zwischen den Medien Text und Bild sichtbar gemacht, da diese noch für die zweite These, dass die Karte ohne Textband nicht vollständig verstanden werden kann, wichtig sind. Alles in allem geht es neben der Klärung der theoretischen Grundlage um die Betonung der Vorrangigkeit von Ikonizität für diese Arbeit, denn zu ihr gehört die Diagrammatik, die eine wichtige Untersuchungsmethode darstellt.

 

5.1.1. Die triadische Zeichenfunktion und die drei Zeichentypen


 

Karten sind Darstellungsformen: Sie bilden geographische Gegebenheiten, Wetterveränderungen, Territorien, Gewässerverläufe, militärische Informationen uvm. ab. Ihr Ähnlichkeitsverhältnis zum repräsentierten Gegenstand ist hoch, aber eine Karte verfügt nicht nur über eine ikonische Zeichenhaftigkeit. Indizes und Symbole sind ebenfalls an der Kartengestaltung beteiligt.

 

Zeichen sind ikonisch, sobald sie Ähnlichkeit zum Objekt, auf das sie referieren, aufweisen. Indizes offenbaren eine Korrelation zum Objekt, sie zeigen etwas an, das in kausaler Verbindung zum repräsentierten Gegenstand steht. Symbole unterliegen Konventionen und weisen weder eine Ähnlichkeit auf, noch sind sie Anzeichen für etwas.[69] Peirce geht bei dem Ganzen noch etwas weiter und führt Gesetzmäßigkeit und Gewohnheit als Merkmale der Symbole an. Demnach unterliegen sie gewissen Regelhaftigkeiten.[70] In Bezug auf Karten lässt sich verstärkt nachweisen, dass die drei Zeichentypen eine wichtige Rolle spielen. Hauptsächlich ikonisch wird das Ganze, sobald man sich die Relationen zum abgebildeten Territorium ansieht, z.B. Größe, Form, Ränder und Konturen. Indexikalische Zeichen dienen daneben eher der Orientierung.[71] Doch das ist nicht alles, was Indizes leisten.

 

„Einerseits dienen sie ihren Benutzern zur Orientierung, andererseits verweisen sie durch eine Kausalitätsbeziehung auf ihr Territorium. Es sind nämlich Zeichen, deren Form durch die Gesetze der Trigonometrie und der Optik von den Gegebenheiten des Territoriums determiniert sind, das sie abbilden. In dieser Hinsicht haben Karten das semiotische Merkmal der Indexikalität mit Photos gemeinsam. Sowohl Photos als auch Karten sind das Ergebnis optischer oder geometrischer Projektionen, doch während photographische Projektionen allein aus den Naturgesetzmäßigkeiten der Optik hervorgehen, sind für kartographische Projektionen zusätzliche geometrische Gesetze anzuwenden, wenn die Oberfläche der Erdkugel auf die zweidimensionale Fläche der Karte projiziert wird.“[72]

 

Damit wird ersichtlich, dass die Ikonizität nicht das Überwiegende bezüglich Karten darstellt. Indizes habe im selben Maße eine bedeutsame Position inne. Des Weiteren kann man bei indexikalischen Zeichen noch zwischen zwei Arten der Referenz unterscheiden: der exophorischen und endophorischen. Erste verweist nach außen auf etwas, d.h., dass es sich hierbei um den Verweis von einem Punkt auf der Karte zu einem real existierenden Ort handelt.[73] Die zweite Referenzart stellt Bezüge innerhalb der Karte her, d.h. zwischen zwei Punkten.

 

„Wenn man auf einer Karte Ortsnamen für Städte (Toponyme) oder Flüsse, Seen und Meere (Hydronyme) liest, ist immer der Ort wichtig, an dem sie gedruckt sind. Das Zeichen indiziert nicht nur einen Ortsnamen, sondern läßt auch wissen: »Der Ort dieses Namens befindet sich an diesem bestimmten Punkt auf der Karte«.“[74]

 

Neben Ikonen und Indizes gibt es die Symbole, die ihren Teil zur Kartengestaltung beitragen. Den größten Bereich nehmen dabei die sprachlichen Zeichen ein, die sich überall auf Karten befinden. Obendrein kann eine ganz bestimmte Farbgebung ebenfalls symbolischer Natur sein. „Der Vorteil kartographischer Konventionen ist die Ökonomie der Zeichen. Mit Symbolen läßt sich die Fläche verringern, die Zeichen einnehmen, und es kann mehr Information vermittelt werden.“[75], bemerkt Winfried Nöth.

 

Ikone, Index und Symbole – diese Terminologie stammt von Charles Sanders Peirce. Er war US-amerikanischer Semiotiker, nach Winfried Nöth „der eigentliche Begründer der neueren Allgemeinen Semiotik“[76]. Seine Zeichentheorie prägte die Semiotik äußerst stark. Peirce befasste sich neben der Herausarbeitung der drei Zeichentypen, ebenfalls mit dem triadischen Zeichenbegriff. So gibt es bei ihm das Repräsentamen, das Objekt und den Interpretanten – alle drei zusammen ergeben schlussendlich das Zeichen.

 

„Jedes Kartenzeichen besteht danach erstens aus einem Repräsentamen, dem Zeichenträger, wie er von uns in der Regel visuell, in Sonderfällen auch akustisch oder taktil wahrgenommen wird, zweitens gehört zum Zeichen das Objekt, auf das es sich bezieht, also in etwa die geographische Welt, und drittens der Interpretant, die Art und Weise, wie der Zeichenbenutzer das Zeichen interpretiert. Jedes dieser drei Korrelate des Zeichens kann auf seine Weise im Vordergrund der Betrachtung von Karten stehen.“[77]

 

In dem Zitat von Nöth gibt es mehrere Hinweise auf die gute Übertragungsmöglichkeit der Zeichentheorie auf Karten. Beispielhaft bezogen auf Olaus Magnus´ Werk liegt die Karte als Repräsentamen vor, denn sie bildet, in diesem Fall visuell, Nordeuropa ab. Die „geographische Welt“ – Skandinavien und die Länder rund um Nord- und Ostsee – stellt das Objekt dar, den Gegenstand bzw. das Territorium, auf das sich das Zeichen bezieht. Beim Objekt muss allerdings noch zwischen unmittelbarem und dynamischem Objekt unterschieden werden. Ersteres beruht auf bereits gewonnener Erfahrung, auf Vorwissen, das in Relation zum Objekt steht. Letzteres verfügt nicht über diese Erfahrung, sondern wird lediglich mit Hilfe des Zeichens angezeigt.[78] Bezogen auf Karten lässt sich folgendes sagen:

 

„Beide Arten von Objekten gehen also dem Prozeß des Kartenlesens voraus. Das dynamische Objekt geht ihm voraus, weil es sich im Prozeß der trigonometrischen Projektion der geodäsischen Daten kausal auf die Form der Karte auswirkt, so daß die Karte auf lange Sicht mehr und mehr mit der tatsächlichen Form des Territoriums übereinstimmt. Das unmittelbare Objekt geht dem Zeichen als ein Vorwissen über das Territorium voraus, welches die Art und Weise beeinflusst, wie wir eine bestimmte Karte lesen und interpretieren.“[79]

 

Interpreten einer Karte deuten Zeichen auf eine ganz bestimmte Art und Weise, so auch bei der Carta Marina. Das Vorgehen, also das `Wie´ der Zeicheninterpretation, ergibt den Interpretanten. Somit ergeben die Zeichentypen und das triadische Zeichen eine gute theoretische Grundlage für die Analyse von Karten. Das ist jedoch noch nicht alles: Die weitere Unterteilung von Ikonen durch Peirce ist ein interessanter wie nützlicher Aspekt. Bilder, Diagramme und Metaphern – sie alle sind Unterkategorien ikonischer Zeichen. Erste stellen Ähnlichkeiten her, z.B. durch die gleiche Größe, Farbe oder Form wie das Bezugsobjekt. Diagramme tun dies, indem sie Relationen zwischen einzelnen Teilen eines Gegenstandes aufzeigen und Metaphern mit Hilfe von Beziehungsbildung zwischen Objekten.[80]

 

An dieser Stelle lässt sich ebenfalls die Übertragung auf die Carta Marina sichtbar machen. Bilder befinden sich zahlreich auf der Karte Nordeuropas, aber auch die anderen zwei Kategorien. Diagrammatisch gesehen stehen die einzelnen Teile, also der Kartenrand, die der Karte immanenten Zeichnungen und Legenden, der Textband sowie die Auslegung in Relation zueinander und ergeben letztendlich ein Gesamtbild. Aus beidem, den einzelnen Elementen und dem Gesamtbild, können wiederum Schlussfolgerungen gezogen werden. Als Metapher können beispielsweise die Schiffsdarstellungen gedeutet werden, die metaphorisch für die Kirche und vor allem für den Katholizismus stehen, der von den Seeungeheuern, die für die Reformation stehen, bedroht wird.[81]

 

5.1.2. Die Diagrammatik nach...


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